Von der schwingenden, himmelwärts strebenden Architektur der Elbphilharmonie zum naheliegenden ehemaligen Kakaospeicher in der historischen Speicherstadt Hamburgs. Zu Spicy’s Gewürzmuseum, das seit 1993 dort seine Schätze ausbreitet. Etabliert Am Sandtorkai 34 und nicht zu verfehlen. Düfte weisen den Weg. Man geht – im Wortsinn – der Nase nach.
Gewürze würzen das Leben, heißt es. Wenn dem so ist, werde ich mich näher kundig machen: „Gewürze. Aromatisch riechende und wohlschmeckende Produkte oder Theile mehrerer, bes. in der heißen Zone (O. Indien) wachsender Pflanzen. Darunter gehören Pfeffer, Zimmt, Gewürznelken, Vanille, Muskatblüte, Cardamom, Ingwer, Kümmel, Fenchel, Anis, Safran, Senf, Coriander. Mäßig genossen, befördern sie durch Reiz die Verdauung, stumpfen aber beim Übermaße dieselbe ab.“ So heißt es im Enzyklopädischen Realwörterbuch aller Wissenschaften, Künste und Gewerbe, das 1846 in Leipzig erschien.
Über schmale Treppen hinauf zum Einlass. Ist der Obolus entrichtet, gibt es als Beleg ein Tütchen Pfeffer. Dann betritt man, von unbekannten Gerüchen empfangen, eine Welt, in der die fünf Sinne (fast) alle in Erregung geraten. Denn hier stehen etwa 50 verschiedene Gewürze und Kräuter auf 350 Quadratmetern Ausstellungsfläche zum Betrachten, Anfassen, Riechen, teilweise zum Probieren und eventuell auch zum Hören bereit (wenn man versehentlich auf ein heruntergefallenes Pfefferkorn tritt). Mehr als 900 Exponate ergänzen das hauseigene Thema und berichten Wissenswertes von Gewürzen, um und über sie.
Große Tafeln zeigen die Herkunftsländer der unterschiedlichen Pflanzen, ihren Anbau und die Gewinnung. Handelswege sind zu verfolgen; Umschlagplätze der kostbaren Rohware, ihre Aufbereitung und vielfältige Verwendbarkeit (nicht nur Zimt für den Milchreis und Pfeffer an den Hasenbraten). Zu Heilzwecken und zur Hebung des Wohlbefindens sind sie außerdem von alters her bekannt.
Man nehme: Anis gegen Husten und Ingwer gegen Übelkeit; bei Verdauungsstörungen Koriander und bei Schmerzen Gewürznelken; zur Appetitanregung Kümmel und zur Verbesserung der Stimmung Muskatnuss (pulverisiert! die Nüsse müssen nicht im Ganzen geschluckt werden). Gewürze – Geschmacksverfeinerer, Heilmittel und auch zur Konservierung tauglich (Chili und Rosmarin). Welch eine Breite natürlicher Eigenschaften!
Staunen ohne Ende: kunstvoll bemalte Gewürzbehältnisse aus Porzellan, dicht abgedeckelt. Alte Technik zur Aufbereitung spezieller Pflanzenteile, Sieb-, Stampf- und Mischmaschinen, Vorrichtungen zur Dosierung der Endprodukte, eine kleine Senfmaschine und große Waagen.
Werbung aus vergangenen Tagen für „Ostmanns Heringsgewürz“ und „Knorr Suppenwürfel“ mit harmonisch abgestimmter, würziger Note. – An Raritäten mangelt es nicht. Da ist ein „Colonialwaarenladen“ im Puppenstubenformat und das „Vertreter- Sortiment“ aus dem Jahr 1930. In einer Schatulle befinden sich Fläschchen und Näpfchen, in denen wahrscheinlich die feinsten Gewürze von Anis bis Zimt angeboten wurden.
Neugier wird befriedigt und Unwissen aufgeklärt. So erfährt man, dass es, der Geschmacksrichtung entsprechend, scharfe (Chili), herbe (Kardamom), warme (Zimt) und auch süßliche (Vanille) Gewürze gibt. Und dass Salz, als Mineral, eigentlich nicht zu den Gewürzen zählt. Dass Pfeffer, als „Schwarzes Gold“ bekannt, einstmals hochgeschätzt und hoch bezahlt werden musste. Als man die Mumie von Ramses II. untersuchte, fand man Pfeffer in seiner Nase. Wollte er den irdischen aufmunternden, anregenden Wohlgeruch mit ins Jenseits nehmen oder diente diese Maßgabe eher der Konservierung des Verstorbenen?
Wenn Vanille die „Königin der Gewürze“ genannt wird, so ist Safran das Teuerste unter ihnen und trägt ebenfalls einen edlen Beinamen: „Rotes Gold“. Von einer Krokusart gewonnen (Crocus sativus), sind es die roten Fäden, die aus dem Griffel der Blüte wachsen und das Gewürz spenden. – Die Ernte, überwiegend per Hand vorgenommen, ist eine Sisyphusarbeit. Auch dieserhalb kostet 1 Kilogramm derzeit 4000 bis 6000 Euro. Es muss ja nicht gleich ein Kilogramm sein, 1 Gramm für 19 Euro genügt doch!
Neben der intensiven Färbekraft und den Heilverfahren (blutdrucksenkend und anderes mehr) soll Safran berauschende Wirkung zeigen. Aus einem Traktat des 17. Jahrhunderts: „Die Sache von der in der Seele hervorgerufenen Heiterkeit durch die Aufnahme von Safran, ist bei Medizinern und Botanikern sehr bekannt, bei denen es im Versuch bewiesen wurde, daß circa drei Drachmas (altes Handelsgewicht, entspricht etwa 13,5–18 Gramm) mit Wein vermischt getrunken, die Menschen mit so großer Fröhlichkeit erfüllen, […] daß sie in excessives Gelächter ausbrechen, […] oft sogar ihren Verstand verlieren und unter Gelächter entweder sterben oder in große Gefahr geraten.“ (Übersetzung)
Obwohl der Heiterkeit sehr zugeneigt … totlachen wollte ich mich dennoch nicht! Deshalb kostete ich vorsichtig nur von Ingwer und Fenchel, verließ etwas benommen das Haus und ging meiner Wege – natürlich nicht bis ins Land, wo der Pfeffer wächst!
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