25. Jahrgang | Nummer 26 | 19. Dezember 2022

Frau Karl Vieth, Göhren

von Dieter Naumann

Einiger Besitzer von Hotels, Pensionen und Gasthäusern firmierten in den historischen Rügen-Reiseführern und Badeprospekten mit ihren Berufsbezeichnungen, wohl um eine gewisse Bodenständigkeit und Seriosität zu dokumentieren. Gern dürfte auch die mit der Annoncierung verbundene Kundenwerbung für das „eigentliche“ Gewerbe „in Kauf“ genommen worden sein. So nennt ein Prospekt der Badeverwaltung von Göhren aus dem Jahre 1903 neben einigen Fischern unter anderem Sattlermeister Grenzen, die Photographen Zobler und John Horneburg, Musiker Chr. Kliesow, Badearzt Dr. G. Wiechell, Spediteur W. Halliger, Amtsrat Schlieff, die Tischlermeister Renz und Schöpke, Malermeister Domm, Kohlenhändler Jacob Wittmiss, Schneidermeister Millermann, Kapitän Hermann Sponholz, die Kaufmänner Lahayne und Otto Schaefer, Amtsbote C. Wittmiss, Steuermann Wendt, Bäckermeister Gager, Fuhrmann Koch, Böttcher H. Grewe und Forstkassen-Rendant J. Niejahr als Hotel-, Pensions- oder Gasthausbesitzer.

Andere Besitzer erhoffen sich zusätzliche Werbeeffekte durch unterschiedlichste Hinweise zu ihren Personen, ihren Häusern, zu früheren Ereignissen und dergleichen. Dafür einige Beispiele: Im Grieben von 1904–1905 lernen wir Paul Hüllweck, „langjähriger Pächter der Fürstl. Jagdschlosswirtschaft“, als Besitzer des „Central-Hotels“ in Binz kennen. Im gleichen Badeort befand sich das „Hotel Bellevue“, dessen Besitzer Oskar Hertzog „langjähriger Oberkellner in vornehmen Häusern“ war – was sich offensichtlich gelohnt haben muss. Auch F. Degner, Inhaber des „Hafen-Hotels“ in Saßnitz, war einst Oberkellner, nämlich im „Hotel Brandenburg“ in Stralsund. Die Besitzer des „Hotels zum Fahrnberg“ in Saßnitz, Gebrüder Lorentzen, wiesen sich als Weingroßhändler in Stettin aus. Die Tatsache, dass die „Interessante Sammlung afrikanischer Kuriositäten vom Besitzer (des „Hotel Fürstenhof“ in Putbus – Naumann) W. Kummer selbst mitgebracht“ wurde, sagte über ihn selbst zunächst nur wenig aus. Nur in einem Reiseführer wurde erwähnt, dass Kummer ehemaliger Kapitän war. Das „Hotel Bellevue“ in Putbus führte der Pächter des „Friedrich Wilhelmsbades“ in Lauterbach, Carl Hintze. Carl Nause, Besitzer des „Hotel Monopol“ in Saßnitz, bezeichnete sich als „Hoftraiteur“, was soviel wie Speisewirt oder Koch feiner Speisen bedeutete. Nause war zugleich Bahnhofswirt in Saßnitz Hafen und unterhielt die Restaurants in den Trajektschiffen „Deutschland“ und „Preussen“, außerdem gehörte ihm einige Zeit das „Seeschloss“ direkt am Strand von Saßnitz. Ebenfalls „Hoftraiteur“, und zwar „Ihrer Königl. Hoheit der Großherzogin von Mecklenburg-Strelitz“, war der Besitzer des „Hotel Am Meer“ in Saßnitz (Richter 1914). Frau Witwe Giess, Inhaberin von Hotel und Pension „Germania“ in Sellin, hielt es für erwähnenswert, früher die Villa „König Oskar“ in Saßnitz geführt zu haben. Ob dies tatsächlich eine Empfehlung war, wissen wir leider nicht. Im Grieben von 1910–1911 „outete“ sich der Besitzer des „Hotel Am Meer“ in Binz, Julius Brodke, als Hoflieferant. Für Carl Richert, Besitzer des „Strand-Hotel“ in Sellin, war es erwähnenswert, Inhaber einer größeren Land- und Wasserjagd zu sein. Ebenfalls in Sellin besaß H. Ziggenhagen, „langjähr. Geschäftsführer v. H. F. Wilh.“, das „Hotel Fürst Bismarck“. Hermann Müller, Pächter des „Königl. Gasthof auf Stubbenkammer“, wies sich aus als „langjähriger Besitzer des „Ressource-Restaurants“ in Stralsund. Gänzlich renoviert, „Haus Diekmann“ in Binz wurde von P. Diekmann, „Oberbahnassist. a. D.“ geführt. Ob sich der Hinweis von Willy Hofstedt, Inhaber des „Glaspavillons“ in Sellin, er sei „einheim. Violinvirtuose“, geschäftsfördernd ausgewirkt hat (Grieben von 1926), ist leider nicht bekannt. Im Grieben von 1930 ist seine Annonce jedenfalls nicht mehr zu finden.

Aus heutiger Sicht amüsant, tatsächlich aber bezeichnend für die damalige gesellschaftliche Stellung der Frau sind die Angaben zu den wenigen weiblichen Besitzern von Hotels, Pensionen und Gasthäusern. Sie definierten sich wesentlich über die gesellschaftliche Position ihrer Ehemänner, deren Berufe, Ehrenbezeichnungen und so weiter. Auch dafür einige Beispiele:

So firmierten Frau Oberamtmann Karst für das Fremdenheim „Wikinger Hof“ in Binz (1929–1930), Frau Baurat Rossbach für die Vegetarische Pension „Villa Heimkehr“ in Sellin (1935), Frau Geheimrat Kuthe aus Berlin für die „Villa Seefisch“ in Göhren (1934), Frau Oberförster Schulze für die Pension „Mein Haus“ in Sellin (um 1928), Frau verwitwete Tierarzt Fritzsch für das Christliche Haus „Sellinum“ in Sellin (um 1928) oder Frau Hegemeister Schwartz für die Pension „Meeresgruß“ in Göhren (1934) mit den Berufsbezeichnungen ihrer Ehemänner.

Da einer Frau, die ihren Gatten durch den Tod verloren hat, „Name, Rang und Gerichtsstand ihres verstorbenen Mannes [verbleiben], bis sie sich wieder verheiratet“ (Brockhaus’ Conversations-Lexikon, 1887), kam es zu folgenden Annoncen weiblicher Besitzer in diversen Rügen-Reiseführern und Prospekten: Frau verw. Leibsattelmeister Joh. Balko (Haus „Rex am Meere“ in Sellin, 1911), Witwe Hermann Kagelmacher (Besitzerin der „Villa Mary“ in Saßnitz, 1929), Hermann Hauer Wwe. (Besitzerin der „Villa Hertha“ in Saßnitz, 1929), August Laist Wwe. (Besitzerin der „Villa Edith“ in Saßnitz, 1935), Frau Karl Vieth (Besitzerin des „Gasthofs zur Linde“ in Göhren, 1934), Frau Franz Lardschneider (Besitzerin von „Hotel Pension Strandeck“ in Göhren, 1934), oder Frau Paul Equitz, die nähere Auskunft zur „Pension Herthaburg“ in Göhren erteilte (1934) – sie mussten mit Namen und Rang ihrer verstorbenen Ehemänner hausieren.

Unter diesen Umständen war es nur logisch, dass wir Zeuge der „Karriere“ von Frau Gaebel, Inhaberin des „Hauses Gaebel“ in Binz, werden. Zunächst firmierte sie als Frau Schuldirektor, ohne selbst Schuldirektorin gewesen sein. Im Grieben von 1928 und 1930 erleben wir dann ihren Aufstieg zur Frau Oberstudiendirektor. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass sich das „Haus Gaebel“ bereits im Führer durch die Badeorte… von 1908 sowie 1922 im Grieben zu dem Zusatz verpflichtet fühlte, „Israeliten werden nicht aufgenommen“; der Grieben von 1928 warnte, „jüdischen Gästen ist vom Besuch dringend abzuraten“.