26. Jahrgang | Nummer 1 | 2. Januar 2023

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Reinhard Mey, Lieblingsbarde – In der DDR waren Sie obrigkeitlicherseits nicht wohl gelitten. Stattdessen tat man Ihnen unter anderem die Ehre eines veritablen Verrisses eines Ihrer Lieder in der auflagenstärksten Tageszeitung des Landes, in der Jungen Welt, an. Hatten Sie sich doch nicht nur erfrecht, zu dichten: „Ich will in keinem Haufen / Raufen / Lass’ mich mit keinem Verein / Ein“, sondern dies auch noch begründet: „Erinnert euch daran, sie waren zwölfe / Den dreizehnten, den haben sie eiskalt / Verraten und verhökert an die Wölfe / Man merke: Im Verein wird keiner alt!“ Und dann Ihre degoutante Abneigung gegen die in der SED gepflegte Dialektik von Kritik und Selbstkritik: „Mit großer Freude sägen / Die einen an meinem Ast, / Die andern sind noch beim Überlegen, / Was ihnen an mir nicht paßt, / Doch was immer ich tuen würde, / Ihre Gunst hätte ich schon verpatzt, / Also tu ich, was ein Baum tun würde, / Wenn ein Schwein sich an ihm kratzt.“

Damit konnte man natürlich keinen Nachwuchs zur Stärkung der DDR formen; dafür bevorzugte die SED-Führung Liedgut im Stile von „Dem Morgenrot entgegen“ (Refrain: „Wir sind die junge Garde des Proletariats“) oder „Sag mir, wo du stehst“.

Erst im Herbst 1989 wurden Sie erstmals zu einem Auftritt in der DDR zugelassen. Doch noch am 8. November, bei der Probe in Dresden, machte man Ihnen klar, dass Sie Ihren Allzeit-Hit „Über den Wolken [muss die Freiheit wohl grenzenlos sein]“ nicht singen dürften. Zwei Tage später, beim eigentlichen Auftritt, hatte die Realität das Lied überholt. Hübsche Ironie der Geschichte.

Kurz vor Weihnachten sind Sie 80 geworden. Wir gratulieren nachträglich, aber mit Nachdruck – nämlich mit einem Wunsch unsererseits: Seit 48 Jahren (so alt ist Ihr diesbezügliches Lied) wollen Sie „im Stehen sterben“; das möge Ihnen in Gottes Namen vergönnt sein – aber bitte auf keinen Fall demnächst!

 

Schützenpanzer Puma, Gebeutelter I – Sie sind der modernste und teuerste Ihrer Gattung weltweit und der schönste sowieso. Doch bloß, weil Sie Krieg nicht mal auf dem Schießplatz können, fällt jetzt jeder Dödel über Sie her und kippt Hekatomben von Häme über Sie aus, während das zuständige Ressortmädel Ihre weitere Beschaffung für die Bundeswehr auf Eis gelegt hat. Dabei fällt völlig unter den Tisch, was an Großartigem entsteht, wenn ebenso überbordende wie filigrane Koblenzer Wehrbeschaffungsbürokratie auf willigen deutschen Ingenieursgeist trifft: Die Leseleuchte in Ihrem Inneren entspricht der deutschen Arbeitsplatzbeleuchtungsverordnung und die Ausstiegsklappen sind auch für Schwangere geeignet! Um nur zwei Beispiele zu nennen. Und wenn Ihr Turm sich nicht dreht oder Ihre Kanone nicht schießt, dann kann man immer noch lesen sowie auf- und abentern. Da sollen die ganzen halbgewalkten Kritikaster doch die Kirche mal gefälligst im Dorf lassen …

 

Christoph Heusgen, neuer Häuptling der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC) – Neue Besen kehren gut, behauptet der Volksmund. Ob die damit auch besser kehren?

Sie haben mit Blick auf den russischen Außenminister und langjährigen Teilnehmer an den jährlichen MSC-Sessionen gerade erklärt: „Sergej Lawrow ist nicht mehr satisfaktionsfähig.“ Und damit begründet, dass zur diesjährigen Tagung keine Einladung an Moskau ergehen werde.

Haben Sie also dazugelernt?

Denn aus den Zeiten, als Bush junior spätestens mit seinem völkerrechtswidrigen Überfall auf den Irak zum Kriegsverbrecher wurde und als später auch dem letzten Dämel klar war, dass dessen Außenamtsadlatus Powell zuvor den UN-Sicherheitsrat und damit praktisch die ganze Welt dreist belogen hatte („irakische Massenvernichtungsmittel“), um den Überfall zu rechtfertigen, sind solche flotten Sprüche von Ihnen nicht überliefert.

Oder agieren Sie einfach bloß nach dem klassischen quod licet jovi non licet bovi (was Jupiter erlaubt ist, darf der Ochs‘ noch lange nicht)? Respektive gemäß der moderneren US-amerikanischen Version, wonach selbst Hundesöhne Absolution erhalten, vorausgesetzt, sie sind die unseren?

 

Baerbock (Annalena) & Bismarck (Hering, äh, pardon, Otto von), inkonsequente Antipoden – Schon als der erste grüne Außenminister, der früheren Steine-auf-Bullen-Schmeißer Joseph Fischer, der ab 1998 in Bonn amtierte, das Bismarck-Zimmer des dortigen Auswärtigen Amtes beim Umzug nach Berlin mitnahm und in seinem neuen Hause in den vorherigen Politbürosaal einziehen ließ, hätte man kritische Fragen zu dieser Traditionslinie durchaus stellen können: Immerhin hatte der Eiserne Kanzler drei Kriege angezettelt, um das von ihm verfolgte Ziel der deutschen Reichseinigung zu erreichen, und mit dem Ergebnis dann die Grundlage für die katastrophalen Fehlentwicklungen der nachfolgenden Jahrzehnte gelegt.

Die neue Hausherrin des AA hat nun aufgeräumt: Seit dem (hoch geschichtsträchtigen) 9. November 2022 ist das „Bismarck-Zimmer“ in „Saal der Deutschen Einheit“ umbenannt und ein Bismarck-Porträt von dessen Hausmaler Franz von Lenbach wurde aus dem Raum entfernt.

Das Ganze aber im Übrigen mit typisch Baerbockscher Konsequenz, wie DER SPIEGEL berichtete: „Denn ihr Ministerium würdigt weiterhin den ehemaligen Reichskanzler, der das Amt einst gegründet hatte. Unverändert ist ein Tagungsraum des Amtes nach ihm benannt, dort hängt auch ein Porträt des ‚Eisernen Kanzlers‘. Das nun noch vorhandene ‚Bismarck-Zimmer‘ befindet sich in der ehemaligen Bonner Zentrale des AA, die noch immer zu den Liegenschaften des Ministeriums zählt und auch genutzt wird. Bei der dort gehängten Darstellung Bismarcks handelt es sich bislang um eine Kopie des Lenbach-Originals, das nun in Berlin entfernt worden ist. Das Original soll nun möglicherweise von Berlin nach Bonn umziehen und dort die Kopie ersetzen.“

Unsere Annalena – springt halt gern als Tigerin …

 

BND, Gebeutelter II – Ja, hat das denn nie ein Ende?!

Bereits Anfang der 1950er Jahre hatten Ihnen die Sowjets mit dem vorherigen SD-Offizier Heinz Felfe ein spionierendes Kuckucksei ins Nest gelegt. Später übernahm die HVA der Stasi dieses Geschäft. Von 1972 bis 1988 spielten die Gebrüder Spuhler geheimstes BND-Material zu. Den Vogel ab aber schoss Gabriele Gast, die von 1973 bis 1990 HVA-Maulwurf war, von deren Chef Markus Wolf höchst persönlich betreut wurde und in Ihrem Hause bis zur Regierungsdirektorin aufstieg – in der Auswertung und ausgerechnet im Referat Sowjetunion.

Nun also schon wieder – verhaftet wurde Carsten L., einer Ihrer Mitarbeiter, wegen Spionage für Moskau.

Aber gottseidank erwartet den Verräter nichts Gutes, denn 2014 war schon einmal ein Maulwurf aufgeflogen. Der stand im Solde der CIA. Ja, wirklich – der Central Intelligence Agency! Der hat acht Jahre Knast abgefasst. Und wenn Spionieren für den besten Freund bereits so hart bestraft wird, dann kann man bei Verrat an den aktuellen Hauptfeind doch wohl mit der Wiedereinführung der Todesstrafe rechnen.

 

Johann Langenegger, stellvertretender Heeresinspekteur der Bundeswehr – Davon, dass sämtliche 18 beteiligten Schützenpanzer Puma einer Bundeswehreinheit bei einer Schießübung in Munster ausgefallen waren, hatten Sie – Presseberichten zufolge – bereits am 13. Dezember 2022 Kenntnis. Ihre Vorgesetzte, Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), erfuhr davon erst am späten 15. Dezember, als sie beim Feldgottesdienst von Bundeswehrangehörigen in Mali eine Adventskerze entzündete. So hatte sie noch am Vortage völlig unbelastet an einer Sitzung des Haushaltsausschusses des Bundestages in Berlin teilnehmen können, bei der weitere 850 Millionen Euro für eine Modernisierung des Puma bewilligt wurden. Der Ministerin, die keine Ahnung hatte, konnte demzufolge nicht vorgeworfen werden, sie hätte den Ausschuss von dem Munster-Debakel vorsätzlich nicht in Kenntnis gesetzt, weil dies womöglich die 850 Millionen blockiert hätte …

Und wer hat durch Verzögerung der Weitermeldung nach oben der Ministerin den Rücken so vorbildlich freigehalten? Experten von der FAZ sehen Sie an der Spitze der einschlägig Verdächtigen. Bis dato waren Sie ja bloß ein Zwei-Sterne-General, aber für uns sind Sie ab sofort zbV – zur Beförderung vorgeschlagen!