25. Jahrgang | Nummer 23 | 7. November 2022

Regelwerk gegen Desinformation

von Pearl Ann Ziegfeld

Nun ja, man kennt das: Der Geist ist willig, das Fleisch ist schwach. Ich verirrte mich auf die gegnerischen Nachdenkseiten und erfuhr dort von den behördlichen Plänen zur Bekämpfung von russischer Desinformation. Später hieß es auch noch, die wären echt. Das versaute mir den Tag. Wenn dem deutschen Michel nichts anderes einfällt, dann das Gute Nacht Marie. Der spielt doch dem Bären geradezu in die Tatze.

Den Ministerialen scheint überhaupt nicht klar, dass auch nur die winzigste Beschäftigung mit russischer Desinformation genau das ist, was der Feind will. Ablenkung von der gesellschaftlich-nützlichen Arbeit ist das große russische Ziel. So soll unser Land geschwächt, die Demokratie untergraben werden. Aber nein, die Ministerialen gehen dem Bären auf den Leim und wollen nun auch noch das ganze Land reinverwickeln.

Doch es kommt noch schlimmer. Jede Auseinandersetzung mit den kleinen und großen russischen Halbwahrheiten, Verdrehungen und Lügen spült die doch direkt in die Hirne der Desinformationskrieger, die dann das ganze Land durchseuchen. Mittels Einsatzgruppen, Medienkontakten und und und. Und schließlich ist da noch die geplante Schnüffelei nach potentiellen Themen für russische Desinformation. Du lieber Himmel, die haben aus dem „Havanna-Syndrom“ nichts gelernt. Einer Macht, die hinterhältig genug ist, Zikaden so zu manipulieren, dass sie die armen Hirne von US-Diplomaten schädigen, ist alles zuzutrauen.

Unsere Desinformationskrieger werden verrückt werden, seelisch aufgefressen, so schnell können die gar nicht gucken. Und wir allesamt auch. So wie Donald Sutherland im Film „Die Körperfresser kommen“. Falls Ihnen der Filmtitel nichts sagt, bitte an dieser Stelle dringend die knapp fünf Minuten dauernde Zusammenfassung auf YouTube ansehen.

Und wie wird das alles enden? In gellenden Schreien, überall im Land.

Also das will ich nicht hören müssen. Das hat mir schon bei Donald Sutherland fürs ganze Leben gereicht. Als vorbildliche, aber äußerst besorgte Staatsbürgerin habe ich deshalb noch ein letztes Mal nachgedacht (wegen Regel vier, siehe unten). Mit ein paar einfachen Grundregeln, die sich jeder unbürokratisch selbst einhämmern kann, werden wir absolut wehrhaft werden, unser Land retten und dem Lügen-Russen eine lange Nase drehen.

Regel eins (Merkhilfe: US-Präsident):

„Die Russen verbreiten Desinformation und Lügen. Hören Sie nicht darauf, was Putin sagt. Was er sagt, und das wissen wir, ist nicht wahr.“

Diese Regel gilt auch für alle und jeden in Putins Orbit, denn sonst wären sie nicht da, sondern beinahe oder final bereits ihrem Schöpfer gegenübergetreten.

Merke stets: Wir werden der russischen Lügeninvasion nur dann erfolgreich die Stirn bieten, wenn wir nicht mehr zuhören, nicht mehr darüber reden, praktisch auch nichts mehr kommentieren, nichts Russisches ansehen oder lesen und auf keinen Fall mit Russen sprechen. Sollten Sie zufällig auf einen stoßen, wahren Sie Abstand und desinfizieren Sie sich danach. Gründlich. Bitte keine Waschlappen benutzen. Mindestens zehn Minuten so heiß duschen, dass es wehtut, und Sie an nichts anderes mehr denken können als an ein Eisbad. Das MUSS sein.

Sonst ist schwupp di wupp schon wieder eine russische Lüge ins Gehirn geschlüpft und setzt sich dort fest. Die Gefahr ist ähnlich hoch, wie im Film über die Körperfresser. Nur einmal kurz eingenickt und der Mensch ist aufgefressen.

Regel zwei (Merkhilfe: Skripal-Regel):

„Wenn die Russen etwas abstreiten oder andere beschuldigen, sind sie definitiv schuld.“

Damit haben sich alle internationalen Streitigkeiten ab sofort erledigt. Im Übrigen gilt Regel eins.

Regel drei (Merkhilfe: im Grunde bekannt):

„Vertreter westlicher Regierungen, von regierungsnahen Stiftungen und sonstige Institutionen, auch unsere westlichen Medien, sagen immer die Wahrheit. Geheimdienste sowieso.“

Wir sollten ab sofort danken, dass das so ist. Vier- bis fünfmal am Tag dürfte anfänglich genügen.

Regel vier (Merkhilfe: Anti-Kreml-Regel):

„Denken Sie bitte nicht selbst.“

Lassen Sie jede Plausibilität beiseite und fragen Sie niemals, wem etwas nützt. Das ist Kreml-Manier. Nur dann kann der Staat Sie schützen. Warten Sie bitte auf die Erklärungen unserer Regierung bzw. die unserer Bündnispartner (vergleiche Regel drei)

Regel fünf (Merkhilfe: Seid bereit – immer bereit):

„Regeln eins bis vier gut merken und täglich wachsam sein.“

Die Befolgung der Regeln sollte tagesaktuell im Kreis von Familie und Freunden bzw. Nachbarn und Arbeitskollegen überprüft werden. So erkennt jeder sehr schnell, wer bereits von russischer Desinformation infiziert ist. In derart bedauerlichen Fällen bitte umgehend isolieren, desinfizieren und alles den zuständigen Organen melden. Darüber hinaus sollte sich die deutsche Bürokratie umgehend auf die Zurverfügungstellung einer Warnapp konzentrieren, damit wir uns noch verlässlicher schützen. In den praktischen Ampelfarben.

Rot: Leider schon übernommen durch die Russkis und – es geht nun mal nicht anders – zu eliminieren. Das sind die Körper- und Seelenfresser unter uns, keine Menschen mehr.

Gelb: Infiziert, aber vielleicht noch zu retten. Sie sind völlig zu isolieren und regelmäßig zu testen. Sollten Sie die Regeln wieder wie im Schlaf beherrschen, sind Sie geheilt.

Grün: So wollen wir alle sein und bleiben.

Die Grünen unter uns könnten sich ebenfalls darum kümmern, dass der individuelle Desinformationswiderstand aller Bürgerinnen und Bürger in diesem Land gemessen und im Register erfasst wird. Es gibt nicht nur so Robuste, wie mich, sondern auch sehr Anfällige. Die müssen wir schützen, auch vor sich selbst. Leider gibt es gegen russische Desinformation keine Impfung. Wenn alle mitmachen, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir dem uns zugedachten Schicksal als Desinformationssklaven des Kremls entgehen. Ich habe mich jedenfalls entschieden:

Ich werde keine Donald Sutherland. Niemals.

Also, wacht mal auf, ihr verdammten Schlafmützen dieser Zeit. Der deutsche Michel wird’s nicht richten. Verinnerlicht die paar Regeln und mir nach!