Alles wird trockener:
Das Haar, die Haut,
der Humor. In der
märkischen Streusandbüchse
zundern die Kiefern sommers,
krachen zuweilen vergessne
Granaten dazwischen, wo wir
als Kinder Wodka tauschten
gegen ausgebrannte Kartuschen
beim Posten am Straßenrand. Dem
Morgenrot entgegen wanderten
wir nach Lehnitz. Rechts wurde
Schießen gespielt. Links auch.
In der Mitte flogen Wildgänse, die
Kraniche des Ibykus, der
beinahe ausgestorbene
Graureiher. Wir waren
des Geyers schwarzer Haufen.
Kein roter Hahn krähte auf dem
Hof der Landwirtschaftlichen
Produktionsgenossenschaft. Was
raschelt im Stroh? Im Straussee
schwammen wir unter dem
Mitternachtsmond, später,
als die Liebe schon Tränen
vergoß und wir den Wodka
selber tranken und die Patronen
verschossen nach Vorschrift, lust-
los. Wozu Eilmärsche durch die
Provinz, die zeitlos buckelt unter
der Sonne? – Was fällt dir ein?
Dass du niemals dachtest: Jetzt
fahre ich zu auf den Krieg und
jetzt von ihm weg und schlag
mich auf keine Seite, aber er
läuft mir nach und geifert
durch einen romantischen
Traum mit der wilden
Bettine. Die tunkt ihren
Federkiel in schwarze
Hohlwegglitzereinsamkeiten.
Kindchen, wir gehen nach
Weimar, einen Smoky Manhattan
trinken, und schütteln uns
vor Lachen den Staub von
Brandenburg aus dem Fell,
bis es feucht wird. Das hört sie
nicht mehr im Wisperdorf,
im Brüllberlin. Ins hohe Schilf
stößt der Kahn, zweihundert Jahre
später auf dem Dolgensee im
Gewitter. Kein Anker hält
im Schlick. Angst tröpfelt
durch das Verdeck, in den
Nacken der Liebsten, ah: Ich
küsse sie fort, wenn sie die
Schultern hinabrinnt, den
Rücken. Ich rücke die Wiese,
die gelbe, zurecht unter uns.
Erwarte kein Umtauschrecht
für die Historie, aber Günther und
Günter in Lebus, wo vom Burgberg
der Blick nach Osten fällt, weit
über die Oder. Die Skyline von
Frankfurt erweckt hier den
Anschein von Stadt, der verrückte
Turm schwankt leis, in dessen
Schatten Maik Altenburg dichtet,
nüchtern noch, aber nicht
heilig. Dort, sag ich. Lebe
ich, frag ich. Da pfeift uns
der Wind um die Ohren. Wo
sonst, sagst du. Das ist die
ganze Liebesgeschichte, macht
alles grün in den fallenden
Spiegeln märkischer Seen.
Juli 2022
Schlagwörter: Henry-Martin Klemt, Märkische Romanze