Neben der Comiczeitung Mosaik, die sich nur auf die Erzählung einer Geschichte beschränkte, konnte man in der DDR noch Atze lesen, wenn man sich in Comics verliebt hatte. Ab und zu gab es auch einige in der Trommel, in der ABC-Zeitung und in der vormilitärischen Zeitung S+T. In der Kinder- und Jugendzeitung Frösi (Fröhlich sein und singen) gab es neben politischen Artikeln, Rätselseiten, lehrreichen Geschichten besonders gute Bildgeschichten zu bewundern. Obwohl die Zeitung durch den niedrigen Preis und aufwändige Bastelbögen, Kunstdrucke und Spielereien (3D-Brille) ein Verlustgeschäft für den Verlag Junge Welt war, zeichneten die besten Künstler für das monatlich erscheinende Heft.
Neben Krumbach, Kieser, Moese und Hambach prägte vor allem Jürgen Günther die Seiten der bunten Zeitschrift mit Bildgeschichten, Rätseln, Bastelbögen und zu Weihnachten mit einem Adventskalender. 1938 in Halle/Saale geboren, erlernte Günther zunächst den Beruf eines Lithografen. Obwohl er sich von klein auf mit Comics beschäftigte, begann er mit einer soliden Arbeit, denn es wollten die Mutter, eine Kriegswitwe, und der jüngere Bruder ernährt werden. Nach einer glücklichen Fügung begann Günther im DEFA-Studio für Trickfilme zu arbeiten. Hier lernte er weitere Zeichner kennen, die als Nebentätigkeit für die Atze und die Frösi werkelten. Ein spontaner Besuch im Verlag Junge Welt, der den Kinderzeitungen-Sektor liebevoll betreute, verlief positiv, und es begann eine regelmäßige Tätigkeit bei der Frösi. Daneben zeichnete Günther einige Titelbilder für Atze, Bildergeschichten in der Neuen Berliner Illustrierten (NBI), in der Freien Welt und in der sorbischen Jugendzeitschrift Plomjo.
Da die Familie Günther in Dresden wohnte und der Vorlauf für eine neue Zeitungsnummer groß war, konnten politische Themen ignoriert werden. Von 1974 bis Juni 1981 amüsierten sich die Leser der monatlich erscheinenden Frösi über den grünen Affen Otto und seinen kleinen Pinguin-Freund Alwin. Es gab sie als Comic-Helden, sogar mit Sprechblasen, Rätselfiguren und später sogar als Beigabe für einen Blasenkaugummi, der leider für fetzige Blasen nur bedingt geeignet war. Ein westdeutscher Kaugummihersteller ließ nämlich die Gummis billig in der DDR produzieren. Und da die in der DDR verbleibenden Kaugummis einen Comic Strip benötigten, entwickelte Günther über 50 kleine Geschichten mit Otto & Alwin für die rosa Gummis, die 20 Pfennig kosteten und an den Kassen von HO und Konsum lagen.
Neben Otto & Alwin gab es Flitzi in der NBI, den Zauberer Kängurumann Olaf und Mischa & Kalle (Freie Welt).
Nach der Wende stellten fast alle Wochen- und Monatszeitungen der DDR ihr Erscheinen ein. Oder dumpfbackige Westzeitungen ließen die übernommenen Zeitschriften am langen Arm verhungern, wie zum Beispiel Die Woche die politisch aufsässige und in der DDR mit einer verdammt hohen Auflage punktende Wochenpost. Ehemalige Mitarbeiter der Frösi gaben einige Zeit eine kreativ und intelligent gestaltete Rätselzeitung (RätselEI) heraus, für die Jürgen Günther Rätselkrimis zeichnete. In der Berliner Zeitung und etwas später auch in der Sächsischen Zeitung erlebten Günthers Bären Ed und Eddy lustige Abenteuer. Dann kam es aber zu Verstimmungen zwischen dem Künstler und dem Verlag Gruner+Jahr, die als Herausgeber von Berliner Zeitung und Sächsischer Zeitung fungierten. Sie hatten wohl ohne Absprache Comic-Strips von Günther in anderen Publikationen des Verlages verwendet. Man einigte sich schließlich, dass für die Sächsische Zeitung neue Figuren zum Einsatz kamen und die Bären ganz nach Berlin umzogen. Doch 1997 stieg die Berliner Zeitung, auch noch mit der 300. Folge, ganz aus und ersetzte die spannenden, lustigen und oft auch rätselhaften Bildgeschichten durch billigere Syndikat-Ware. Für die Sächsische Zeitung arbeitete Günther aber weiter und übernahm sogar die Kinderrätsel, für die bisher der mittlerweile 80 jährige Richard Hambach, Günthers Vorbild, verantwortlich war. Nun hat der „Club der DDR-Comicfreunde“ einen 292 Seiten dicken Band herausgegeben, der alle Ed & Eddy-Strips enthält, außerdem Geschichten vom Löwen-Kasimir und seiner Freundin, der EnteJosefine, und die Rätselkrimis „Die Spur führt in den Himmel“ mit Mister Blöff. Redakteur Guido Weißhahn setzte alles mit viel Liebe in die richtige Reihenfolge und präsentiert sogar eine unveröffentlichte Folge, die gezeichnet war, aber nicht mehr erscheinen konnte, da die Sächsische Zeitung im August 2009 die Kinderseite plötzlich in ihrer bisherigen Form aufgab.
Jürgen Günther, der mit der Malerin und Grafikerin Herta Günther verheiratet war, starb 2015 in Dresden. Kasimirs Motto soll nun als letzter Satz über allem stehen: „Werdet wieder zu Kindern!“
Jürgen Günther, Kasimir & Co, Club der DDR-Comicfreunde, Dresden 2021, 292 Seiten, 35,00 Euro; nur als Club-Jahregabe erhältlich: www.DDR-Comics.de.
Schlagwörter: Comics, DDR, Frösi, Jürgen Günther, Thomas Behlert