Jörg Meuthen, Ex-AfD-Bundessprecher – Zwar haben Sie in Sachen Durchhaltevermögen jeden Ihrer Amtsvorgänger getoppt, doch nun hatten Sie doch die Nase offenbar gestrichen voll und sind nicht nur zurück-, sondern aus der Partei auch gleich ganz ausgetreten. Wie man halt so reagiert, wenn man auf verlorenem Posten steht: „Meine Truppen sind mir nicht mehr gefolgt. Ich habe das exemplarisch im August letzten Jahres gemerkt. Da wollte ich ein Parteiausschlussverfahren gegen ein Mitglied, das sich als ‚das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus‘ bezeichnet hatte. Und da sind mir etliche meiner Leute nicht gefolgt. Und da habe ich gemerkt, dass ich zu alleine dastehe, um Schlachten, geschweige denn einen Krieg gewinnen zu können.“ Und: „Ich werde die AfD definitiv nicht mehr wählen.“ Denn plötzlich wissen Sie: Die AfD „ist eine zutiefst reaktionäre Partei“.
Da möchten wir Ihnen doch glatt – mit Schiller – zurufen: „Spät kommt Ihr – doch Ihr kommt!“ Und manchmal sogar zu einer richtigen Erkenntnis.
Markus Söder, oberster Bayer – Wir müssen zugeben: Dass ausgerechnet Sie uns auf diese Weise überraschen – als Stimme der bedachten Vernunft in der kakophonen Hysterie des Westens um die Ukraine –, hätten wir nicht unbedingt erwartet. Sie gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: „Selbst in der schlimmsten Zeit des Kalten Krieges gab es kein Infragestellen der Energieverbindung zwischen der Sowjetunion und Deutschland. […] Russland ist ein schwieriger Partner, aber kein Feind Europas. Die Mehrzahl der Deutschen wünscht sich ein stabiles und friedliches Verhältnis zu Russland. Dabei ist klar: Russland ist keine regionale Macht. Russland ist und bleibt Großmacht. Wir sind fest im Westen verankert, müssen aber mit Moskau im Gespräch bleiben […].“
Das ließ Konrad Schuller, den Generalinquisitor des Frankfurter Blattes und so eine Art zeitgemäßer Tomás de Torquemada, natürlich nicht ruhen, sondern Ihnen unverzüglich die Leviten lesen: „Diese (nämlich Ihre – die Redaktion) Haltung verkauft Alliierte und Nachbarn so leichten Herzens wie der berühmte bremische (oder bayerische) Kaufmann seine Großmutter. In den äußeren Kreisen der politischen Rechten hat sie unter dem Stichwort ‚Sacro Egoismo‘ eine lange Tradition. […] Söder steht dieser Schule nahe.“
Wir sind überzeugt, dass Sie als der Ausnahmekönner in Sachen Bashing, der Sie selbst bekanntermaßen ja auch sind, den Schuller abwettern werden wie eine deutsche Eiche die „Nadia“ (so der Name eines jüngst orkanartigen Sturms in unseren Gefilden).
Christoph Heusgen, 66, neuer Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz – In dem nach Ihren eigenen Worten „weltweit wichtigsten Forum für Debatten über Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ übernehmen Sie nun den Vorsitz. Sie fordern Waffen für die Ukraine, klare Kante gegen Russland und die VR China. Bislang waren Sie der eher scharfe deutsche Mann in der UNO. Die ständigen Kollegen aus Russland und der VR China im Sicherheitsrat feierten es undiplomatisch, als Sie nach zwei Jahren diesen nicht ständigen Kollegen wieder los wurden. „Aus tiefstem Herzen: ein Glück, dass wir Sie los sind“, freute sich der Chinese. Der Russe rief hinterher: „Sie werden uns nicht fehlen.“ Die Süddeutsche Zeitung nannte Sie einen Diplomaten, „der auch ganz undiplomatisch sein kann“ und sogar der Spiegel bescheinigte Ihnen allzu selbstbewusstes Auftreten, das „nicht überall gut ankam“. Vielleicht können Sie nun noch etwas unbeschwerter walten und machen aus dem transatlantisch ausgerichteten Gesprächsforum ein Tribunal gegen den Osten.
Joe Biden, US-Präsident – In diesem Magazin ist vor einiger Zeit daran erinnert worden, dass Ihre Amtsvorgänger bereits seit Ende der 1950er Jahre immer mal wieder angesetzt haben, deutsche Energieträgerbezüge aus damals noch der Sowjetunion zu torpedieren – siehe Blättchen 16/2018. Sie hatten jetzt offenbar den Kanal voll von den ewig renitenten Deutschen, die einfach nicht liefern wollen, was verlangt wird: den Verzicht auf Nord Stream 2. Dabei sind die Vorteile doch für niemanden ein Geheimnis: schwere wirtschaftliche Schädigung Russlands, und die Deutschen müssten endlich mehr gefracktes, teures US-Gas kaufen. Also erklärten Sie nun kurzerhand, kaum dass Olaf Scholz, diese quasi Inkarnation des aufmüpfigen Juniors, zum Antrittsbesuch vorgefahren war, vor der versammelten Presse im Weißen Haus und mit Blick auf die Ukraine: „Wenn die Russen einmarschieren, wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben. Dann werden wir das zu einem Ende bringen.“
Nun, wir glauben zwar nicht, dass Putin in die Ukraine einmarschieren will, doch für die klärenden Worte sind wir Ihnen höchst dankbar. Also klärend im Hinblick darauf, wer im deutsch-amerikanischen Verhältnis Koch ist und wer Kellner.
Patrik Köbele, Politantiquar und Grußadressenschreiber – Es ist schwer, stets die richtigen Worte zur Erläuterung der Weltlage zu finden. Man greift dann gerne auf Vorhandenes zurück. Immerhin haben Sie als Chef der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) mitgekriegt, dass da mal wieder etwas mit China ist: „Die deutschen Kommunistinnen und Kommunisten begrüßen es, dass nach vielen Jahrzehnten die Olympischen Winterspiele zum ersten Mal in einem Entwicklungs- bzw. Schwellenland stattfinden.“ Wir lassen jetzt die Frage mal vollkommen beiseite, in wessen Namen sie da eigentlich sprechen und geben Ihnen einen guten Rat: Vermeiden Sie in der nächsten Zeit eine China-Reise. Man reagiert dort gelegentlich verschnupft, wenn die Weltmacht des 21. Jahrhunderts als „Entwicklungsland“ bezeichnet wird. Und: Aktualisieren Sie Ihre Handbibliothek. Der „Lange Marsch“ ist lange vorbei, so heißt nur noch eine Rakete. Auch die Kulturrevolution ist Geschichte. Und die Kominform wurde wirklich 1956 aufgelöst. Geben Sie das Zeug ins Altpapier.
Claudia Pechstein, Dauerläuferin auf Kufen – Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Und wenn man als Letzte ins Ziel kam, hat man immerhin noch die Freude, am meist-oftesten von allen teilgenommen zu haben. Warum haben Sie sich eigentlich diese Peinlichkeit nicht erspart? Gut, noch peinlicher ist diese Performance für die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG). Solch erfolgreiche Nachwuchsförderung wie bei diesem Verband muss man erstmal hinkriegen … Können Sie nicht mal ein ernstes Wörtchen mit Matthias Große wechseln? Der Mann ist doch nicht nur Ihr Lebenspartner, sondern auch noch Präsident der Truppe.
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