25. Jahrgang | Nummer 3 | 31. Januar 2022

Antworten

Olexij Resnikow, ukrainischer Verteidigungsminister – Inzwischen warnt der Herr Biden im Weißen Haus quasi im Stundentakt vor einem russischen Einmarsch in die Ukraine. Der scheint richtig aufgeregt zu sein, und der Jüngste ist er ja auch nicht mehr. Könnten Sie den nicht mal kurz anrufen und ein wenig beruhigen? Über Ihren Wissensstand scheint der Joe ja nicht zu verfügen. Den, also Ihren Wissenstand, referierte die Berliner Zeitung am 26.02.2022 nämlich folgendermaßen: „Militärangehörige der Russischen Föderation hätten bisher keine einzige Angriffsgruppe gebildet, die auf einen möglichen Einmarsch hindeuten könnte. Dies sagte der ukrainische Verteidigungsminister Olexij Resnikow dem privaten TV-Sender ICTV. Das ukrainische Militär prüfe derzeit verschiedene Szenarien für die Wahrscheinlichkeit eines Vormarsches der Russischen Föderation. Allerdings gebe es derzeit keine Bedrohung und es sei nicht notwendig, Panik zu schüren, so der Minister.“ Auch wusste das Blatt zu berichten: „dem ukrainischen Geheimdienst zufolge besteht aktuell keine Gefahr einer Invasion durch russische Truppen. Das berichtet die staatliche ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform.“

Das sind die beständigen Drohungen des Westens an die Adresse Moskaus doch ziemlich überflüssig – oder was meinen Sie?

Max Otte, Häuptling der sogenannten Werte-Union – Bisher galten Sie eigentlich bloß als äußerster Rechtsaußen der CDU, doch nun ist Ihrer Parteiführung offenbar der Kragen geplatzt und Sie sind nun rechts draußen: Verhängt wurde ein sofortiger vorläufiger Parteiausschluss.

Doch warum das Bohei? Nur weil Sie auf AfD-Ticket als Bundespräsident kandidieren wollen. Zwar hat Ihr Parteichef verkündet, eine Brandmauer zur AfD errichten und jegliche Zusammenarbeit mit der Höcke-Gauland-Weidel-Chrupalla-Truppe ausschließen zu wollen, doch da hat er die Rechnung ohne Sie gemacht. Feinsinnig erläuterten Sie: „Wenn man vorgeschlagen wird für das höchste Staatsamt, was über den Parteien steht, ist das in meinen Augen keine Zusammenarbeit. Es ist eine individuelle Entscheidung, ob ich diesen Vorschlag annehme oder nicht.“

Damit hätten Sie intellektuell schon mal locker das Level des früheren Bundespräsidenten Heinrich Lübke erreicht, der uns wundervollerweise unter anderem wissen ließ: „Wenn man Ihnen sagt, wir hätten einen Hitler gehabt, dann müssen Sie sagen, dass Hitler gar kein Deutscher war und dass er auch nicht normal war.“

Und Lübke hatte überdies Unterhaltungswert: „Sie müssten eigentlich mehr Beifall spenden, weil ich zwischendurch trinken muss, um meine Stimme zu schonen.“

Um Letzteren, also den Unterhaltungswert, steht es im Schloss Bellevue schon seit längerem nicht zum Besten. So gesehen ist Ihre Parteispitze eine rechte Spaßbremse.

Pedro Sánchez, freundlicher Gastgeber – Als spanischer Ministerpräsident empfingen Sie dieser Tage Ihren deutschen Kollegen Olaf Scholz. Es ist ja immer schön, wenn sich Staatsmänner freundschaftlich verbunden geben. Das mindert für die Völker das allgemeine Lebensrisiko.  Aber mussten Sie den Kanzler ausgerechnet mit „Amigo Olaf“ anreden, wie die Tagesschau mitteilte? Sprache ist ja so verräterisch!

Josef Hader, begnadetes österreichisches Schandmaul mit hoher Trefferquote – Einem nicht gänzlich unbekannten Hamburger Nachrichtenmagazin haben Sie verraten: „Die klugen Historikerinnen und Historiker […] meinen eher, dass es immer dann zu den großen Katastrophen kommt, wenn ein paar Deppen gleichzeitig in wichtigen Positionen sind. Das waren übrigens immer Männer, ich muss also nicht gendern.“

Da wollen wir jetzt gar nicht widersprechen, nur vorsichtshalber zu Gnaden halten: In Deutschland heißen der Verteidigungsminister gerade Christine und der Außenminister Annalena!

Gegendert haben Sie dann in Ihrem nachfolgenden Satz allerdings doch noch: „Die Macht der Dummheit ist allumfassend.“

Diether Dehm, ganz linker Virologe – In der Zeitschrift Ossietzky gaben Sie dem Bonner Virologen Hendrik Streek den letztendlich entscheidenden Hinweis, wie er die objektiven Erkenntnisschranken seiner bourgois geprägten Wissenschaft überwinden könne: „Der historisch-dialektische Materialismus könnte ihm weiterhelfen.“ Ob Streek allerdings begreift, dass nur ein verstärktes Studium der Werke der „Kameraden Klassiker“ (Franz Fühmann) die Geheimnisse des menschlichen Immunsystems aufdecken kann, darf getrost bezweifelt werden. Wahrscheinlich hat dieser Söldling der Reaktion noch nicht einmal eine Einführungsveranstaltung des „Kapital“-Lesezirkels seiner Uni besucht. Dabei ist doch sonnenklar: „Der Kampf für soziale Investitionen, für höhere Tariflöhne und Abrüstung würden (sic!) Virenverbreitung eingrenzen und Immunkräfte entfesseln.“ Warum so zögerlich, Genosse Dehm? Die revolutionäre Kampfkraft der Arbeiterklasse zur Eliminierung der Virenmacht sollte sich doch nicht auf Tariflöhne beschränken! Und da sich das Robert-Koch-Institut auf Ihren Vorschlag hin ohnehin schon in Auflösung befindet, kann man dessen Hauptgebäude am Nordufer im Berliner Wedding in eine Art „Smolny-Institut“ umwandeln. Von hier aus ließen sich die roten Immunkräfte trefflich entfesseln. Und anstelle eines Panzerkreuzerschusses – die Tauchtiefen von Havel und Spree sind schon ein Hindernis … – könnten Sie zum Auftakt doch ein selbstgesungenes fröhliches Liedlein über den Äther schicken: „Mit Marx und Kim die Masken nieder / Corona scheut die roten Lieder!“ Venceremos, der Wedding marschiert! Viren aller Länder – erzittert!

Peter Hultqvist, schwedischer Verteidigungsminister – Die Russen schlottern, denn Sie haben Panzer – bis zu zehn ist in Medien die Rede – und Soldaten – Dutzende – nach vorn geworfen! Konkret auf die Insel Gotland. Nur 300 Kilometer entfernt von Kaliningrad, das allerdings auf direktem Wege nur übers Wasser zu erreichen ist. Und Sie ließen es auch nicht an markiger Begleitmusik an die Adresse Moskaus fehlen: „Die Streitkräfte ergreifen die notwendigen Maßnahmen, um Schwedens Integrität zu wahren und unsere Fähigkeit zu demonstrieren, Schweden und schwedische Interessen zu schützen.“ Denn: „Ein Angriff auf Schweden ist nicht auszuschließen. Es ist wichtig, dass wir zeigen, dass wir nicht naiv sind.“

Bester, da haben Sie ja wirklich Glück mit den Zeitläuften: Es ist noch nicht so lange her, da landeten Bekloppte nicht erst auf Ministersesseln, sondern direkt in der Klapse.

Franz Grillparzer, fast in das Vergessen Gelobter – Vor 150 Jahren verließen Sie eine Welt, der Sie kaum noch über den Weg trauten. Stellvertretend legten Sie in der Trilogie „Das goldene Vlies“ Ihre Klage über die großen „Macher“ in der Politik der Medea, der schönen Tochter des Königs von Kolchis, in den Mund, die von Jason übel hintergangen wird: „Lockt’s ihm nach Ruhm, so schlägt er einen tot, / Will er ein Weib, so holt er eines sich, / Was auch darüber bricht, was kümmert’s ihn!“ Medea, die „Ratwissende“, weiß sich selbst nur einen Rat …

Sie hingegen mussten den Gipfelpunkt des europäischen Weges von der Humanität über die Nationalität in die Brutalität, wie Sie es nannten, nicht erleben. Aber Sie erahnten ihn. Ihre Stücke gehören nach wie vor auf die Bühnen. Unser Kontinent scheint mental wieder in die Zeit zurückzufallen, in der Sie die Feder aus der Hand legten …

Sabine Röthig, Fashion-Erklärerin – Die revolutionäre Welt sucht die abhanden gekommene Arbeiterklasse. Sie wurden auf der Mailänder Fashion Week fündig. Man muss halt nur die ideologischen Scheuklappen abnehmen und das konservative Bild der Klasse überwinden. Nichts mehr mit Malochern in Kohle und Stahl! Die Großschneiderei Prada präsentierte dort mittels „vieler berühmter Hollywoodstars“ – so Ihre Worte … – „Body of work“. „In der Tat, das ist die neue Arbeiterklasse.“ So Ihr Befund. Und was macht die beruflich? Auch darauf fanden Sie Antworten: „[…] auf jeden Fall ein narzisstischer, osteuropäischer Geheimagent“, gar „beim KGB gut aufgehoben“ – oder „Wissenschaftler […], die in Hochsicherheitslaboren mit gefährlichen Substanzen hantieren“.

Jetzt wissen wir Bescheid. Wir waren immer auf dem Holzweg und hielten Ausschau nach blauen Latzhosen oder orangenen Westen. Die new working class trägt Prada …

Allerdings bleiben zwei Fragen offen: Was in aller Herrgotts Namen rauchen Sie eigentlich? Und warum geht solch Doofissimo-Zeug – Sie erfanden gleich noch eine neue Steigerungsstufe, sehr „grandiodissimo“! – bei der vergleichsweise immer noch recht seriösen Berliner Zeitung in Druck?