24. Jahrgang | Nummer 26 | 20. Dezember 2021

Tannengrün und Mistelzweig

von Renate Hoffmann

Herr Andersen aus Dänemark
war im Dichten ziemlich stark.
Und da es kurz vor Weihnacht war,
wurde es Hans Christian klar,
was die Welt von ihm erwartet:
dass er ’ne Geschichte startet;
vom Tannenbaume, reich geschmückt,
der die Kinder hoch beglückt.

Doch plötzlich fiel der Christbaum um
und fing Feuer ringsherum.
Dem Dichter bleibt vor lauter Schreck
der rettende Gedanke weg.
Doch der schallt zu gutem Zwecke
aus der linken Zimmerecke:
Brüder löscht,
sonst gibt’s nöscht!

Das besänftigt die Gemüter.
Und schon sang man zaghaft wieder
die altbekannten Weihnachtslieder.

*

Die Mistel ist ein Parasit
und wächst auf hohen Bäumen.
Sie bringt viel weiße Beeren mit,
die ihre Zweige säumen.
Sie grünt so grün
zu allen Jahreszeiten.
Sie hält sich für besonders schön
und lässt sich gern beneiden.
Vornehmlich um den alten Brauch
und um das bessre Wissen:
dass unter ihren Zweigen auch
sich jedermann darf küssen.
Dies gilt nur für die Weihnachtszeit!
(und die ist nicht mehr allzu weit)
Sonst – ohne die Genüsse!
Ihr lieben Leute, seid nicht feig.
Wer küssen will, der küsse,
auch ohne Mistelzweig!