Für Sören Bollmann
Die Katze sitzt auf der Lehne
des blauen Sessels und zählt
Schneeflocken. Für mich
fallen sie viel zu schnell
und zu dicht. Die Katze aber
durchschaut den Dezember.
Was ich lernen will, ist
Geduld. Der große Unterschied.
Geduld hält sich fest in der
Zeit. Gleichgültigkeit stürzt
hindurch, verschwindet, wo
alles verschwindet. Geduld ist
Warten, der schnurrenden Katze
den Nacken kraulen, sie fort-
gehen lassen, wenn sie geht.
Der falsche Augenblick sieht
fast wie der richtige aus, das
Mögliche völlig unmöglich. Un-
zählige Schneeflocken hat die
Katze am Fressnapf verpasst.
Frisches Wasser hole ich ihr. Ob
der Schnee liegen bleibt, taut
oder verweht bis unter mein
Dach? Erkennen des Moments,
selbst wenn er nichts als eine
Lücke wär, durch die das Glück
wie eine Katze schlüpft, und
nahe bleiben, bis es so weit
sein wird, gesehen oder un-
gesehen, ist die Geduld. Öffnen
die knarrende Tür der Freude und
der Traurigkeit und die Tür
hinter ihnen schließen oder
wenn die Tränen kommen. Aufstehen
nachts und zuschanden die Zeiger
der verrückten Uhren reiten. Die
Katze wird alt. Sie träumt vom Schnee-
mann auf dem Hof. Der war da
und war weg übern Mond, lachte und
wärmte mich, kalt, wie er war. Die
alte Katze sitzt auf der Lehne und
leckt ihr schütteres Fell. Ich
warte, bis sie
zu sprechen beginnt …
Dezember 2021
Schlagwörter: Gedicht, Henry-Martin Klemt, Katze, Schneeflocken