Zwar liegen sie abseits der weltberühmten Schlösser und Gärten, die jedes Jahr tausende von interessierten Besuchern locken – dennoch sind sie prägend für das Potsdamer Stadtbild: die Villen am Griebnitzsee. Den Startschuss für Erschließung und Bebauung des repräsentativen Areals gab die 1871 gegründete Planungsgesellschaft Societät Neubabelsberg. Sehr erfolgreich war sie allerdings nicht. Im Verlauf von dreißig Jahren wurde nicht einmal ein Dutzend Häuser errichtet. Ab 1902 übernahm dann die Neubabelsberger Terraingesellschaft die Vermarktung. Sie warb mit der Nähe zum kaiserlichen Schloss im Babelsberger Park, betonte die attraktive Lage am Wasser und wies auf die ausgezeichnete Verkehrsanbindung mit der Eisenbahn hin. Und dieses Mal klappte es …
Christoph Partsch, der sich seit Längerem sowohl aus juristischer als auch aus kunsthistorischer Sicht mit diesem Teil Potsdams beschäftigt, stellt in seinem Buch die Geschichte der bekanntesten Griebnitzsee-Villen in den Mittelpunkt. Zu den 13 von ihm ausgewählten Objekten gehören natürlich die drei von Ludwig Mies van der Rohe entworfenen Häuser: 1907 entstand in der heutigen Spitzweggasse die auch „Klösterchen“ genannte Villa für den Philosophen Alois Riehl, der an der damaligen Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität lehrte. 1917 bezog die Familie des Bankiers Franz Urbig das auf den Namen „Haus Seefried“ getaufte Haus in der Virchowstraße. Und schließlich wurde in der Mitte der Zwanzigerjahre auf den Grundmauern eines früheren Hauses in der jetzigen Karl-Marx-Straße die Villa für den Bankier Georg Mosler errichtet.
Selbstverständlich fehlen bei Partsch auch nicht die durch die Potsdamer Konferenz bekannt gewordenen Häuser, wie die 1891/92 als „Haus Erlenkamp“ für die Familie des Verlegers Carl Müller-Grote gebaute Villa. In die Geschichte ist sie als „Little White House“ eingegangen, wird heute aber nur kurz „Truman-Villa“ genannt. Oder die um 1910 von der Unternehmerfamilie Herpich in Auftrag gegebene Villa, in der Stalin im Sommer 1945 drei Wochen lang residierte.
In dem Kapitel, das sich mit der von Ernst Freud, dem Sohn des berühmten Wiener Psychoanalytikers, 1927 umgebauten Villa Schade van Westrum in der Virchowstraße befasst, wird auch ein kurzer Blick auf die Potsdamer Literaturgeschichte geworfen. Anfang August 1943 richtete sich in dem Haus, das an Bauten von Muthesius erinnert und seit 1939 vom Besitzer und Herausgeber der Spandauer Zeitung Erich Stückrath und seiner Frau bewohnt wurde, der Schriftsteller Erich Kästner ein. Am 5. September 1943, die Bombenangriffe auf Berlin nahmen zu, notierte er in seinem Tagebuch: „Über Wannsee und Babelsberg spielten sich [in der Nacht zuvor] gewaltige Kanonaden ab. Herrn Stückraths Haus wackelte mit dem Kopfe.“
Auch auf zwei nicht mehr existierende, in den 1970er- und 80er-Jahren abgerissene Objekte geht Partsch in seinem Buch ein: die um 1905 errichtete Villa Heidmann, die vom April 1940 bis zum Januar 1943 als jüdisches Siechen- und Altenheim genutzt wurde, sowie die einstmals am nordwestlichen Ende des Griebnitzsees befindliche Villa, in der General Kurt von Schleicher wohnte und am 30. Juni 1934 ermordet wurde.
Die oft sehr wechselvolle Geschichte der Häuser verdient, wie es Partsch getan hat, sicherlich auch eine überfällige Aufarbeitung aus rechtlicher Sicht. Sie nimmt jedoch, gerade mit ihrem juristischen Jargon, an der einen oder anderen Stelle des Buches zu viel Raum ein.
Fazit: Für die mit den Örtlichkeiten noch nicht oder wenig Vertrauten ein anregender, gut gestalteter und durchaus hilfreicher Wegweiser. Als Potsdamer erfährt man – zumal für diesen Preis – jedoch nicht sehr viel Neues.
Christoph Partsch: Auf der Suche nach dem verlorenen Glück. Die Villen am Griebnitzsee und ihre Geschichte, Elisabeth Sandmann Verlag, München 2021, 152 Seiten, 48,00 Euro.
Schlagwörter: Baugeschichte, Christoph Partsch, Erich Kästner, Griebnitzsee, Kurt von Schleicher, Mathias Iven, Mies van der Rohe, Potsdam