Am zurückliegenden Wochenende wurde in Warschau mit dem Gründungsparteitag nun die Nowa Lewica (Neue Linke) offiziell aus der Taufe gehoben. Die sich bereits kurz nach der Wendezeit strukturierende SLD (Demokratische Linksallianz) und die erst Anfang 2019 mit großem Pomp ins Leben gerufene Wiosna-Partei (Frühlingspartei) verschwinden von der Bildfläche und wagen den organisatorischen Zusammenschluss. Ursprünglich war das kleine Spektakel bereits für das Frühjahr geplant, aber die Umstände der Pandemie wie die nicht zu übersehenden Holprigkeiten auf dem geplanten Weg ließen den Termin im Herbst ratsamer erscheinen. Viele Beobachter sprechen dennoch von einem völlig ungleichen Paar, womit sie nicht falsch liegen, allerdings pocht die neue Parteiführung umso stärker auf den strikt paritätischen Charakter an Rumpf und Gliedern.
So wird es in der Partei künftig zwei Fraktionen geben – sinnigerweise SLD und Wiosna –, dazu zwei Parteivorsitzende, Włodzimierz Czarzasty und Robert Biedroń, sowie überall die entsprechend aus zwei Teilen zusammenklamüserten Strukturen. Auch wenn die Glanzzeiten der SLD längst Geschichte sind, im Grunde sogar kaum noch etwas daran erinnert, wirkt dieser Teil im Vergleich zu dem anderen doch wie ein Riese. Die strikte Parität ist also eine Kröte, die vor allem von den bisherigen Linksdemokraten geschluckt werden muss. Als Ausgleich ist aber für die nächsten Jahre abgesichert, dass die durchaus üppig fließende staatliche Parteifinanzierung bleibt, von der das Leben der neuen Struktur auch künftig in einem großen Maße abhängen wird. Und sich selbst spricht man viel Mut zu, denn die Neugründung sei vor allem ein Zukunftsprojekt, heißt es immer wieder.
Die früheren Linksdemokraten der SLD werden künftig den sozialdemokratischen Part zu spielen suchen, die soziale Flanke sichern, einen zusätzlichen Ansporn ziehen sie zudem aus dem Wahlergebnis der SPD bei den jüngsten Bundestagswahlen in Deutschland. Und die bisherigen Wiosna-Leute werden die Flanke auf der grün-alternativ ausgerichteten Seite besetzen, die sich betonter zivilgesellschaftlich, also bereits emanzipatorisch-bürgerlich zu geben versteht. Auch sie fühlen sich durch das Wahlergebnis in Deutschland zusätzlich bestätigt. Wie schnell sich nun die beiden Teile mischen werden, bleibt abzuwarten, doch gibt es bereits jetzt Bewegungen bei der Fraktionswahl, die nicht immer nach dem Prinzip bisheriger Zugehörigkeit verläuft.
Zu den entschiedenen Unterstützern der Neugründung gehört Aleksander Kwaśniewski, einst Mitbegründer der SLD und von 1995 bis 2005 Polens Staatspräsident. Im Vorfeld vor dem Parteitag warnte er allerdings, dass der Weg nun zunächst steinig sein werde, dass auf die neue Partei viel emsige Arbeit warte, die nach entsprechender Zeit auch zu den erhofften Ergebnissen führen werde. Und befragt nach den nicht zu übersehenden und quälenden Geburtswehen, mit denen die neue Schöpfung nun endlich auf die Bühne tritt, antwortete er etwas kess, dass seine Mutter immer auf den gesunden Effekt geschworen habe, der einer schwierigen Geburt nachfolge.
Zu denjenigen, die das ganze Manöver als ein überflüssiges und unnötiges ablehnen, gehört Leszek Miller, der erste Parteivorsitzende der SLD und von 2001 bis 2004 Ministerpräsident Polens. Der jetzige Abgeordnete im Europäischen Parlament wird sich nicht in die neuen Parteistrukturen einschreiben, er bleibe – so sagt er jetzt trotzig – SLD-Mitglied. Zwar gehört diese Position zu einer Minderheit, doch die scharfe Kritik insbesondere aus dem Umfeld der einstigen SLD ist nicht zu übersehen. Die linksgerichtete Wochenzeitung Przegląd, die in all den vielen Jahren immer kritisch-treu zur SLD gestanden hat, spricht seit Wochen von der Gründung einer „Privatpartei“ Czarzastys, von einem feigen Coup also, der nun gegen die SLD durchgezogen werde. Auch die liberale Wochenzeitung Polityka hat sich diese Lesart zu eigen gemacht, auch hier wird scharf von einem „Privatprojekt“ des bisherigen SLD- und neuen Co-Vorsitzenden gesprochen. Solche Pressestimmen verweisen bereits auf die raue See, in die das neugetakelte Parteischiff nun zu stechen sucht.
Vergleichsweise stabil wirkt da immer noch die Linksfraktion im Sejm, die sich bislang allerdings aus drei Teilen zusammensetzte. Die kleine, bewegungsaffine Partei Razem (Zusammen) beharrt auf organisatorischer Selbständigkeit, geht nicht in die Nowa Lewica auf. Ihre sechs Abgeordneten sind aber ein gut integrierter Teil der Linksfraktion, was auch vorerst so bleiben dürfte. Wie dann im Herbst 2023 vor den nächsten Parlamentswahlen die Entscheidungen fallen, bleibt abzuwarten. Im Augenblick träumen die beiden Vorsitzenden der Nowa Lewica von baldigen zweistelligen Zahlen. Und Maciej Gdula, bislang Abgeordneter für Wiosna, dem künftig in den neuen Strukturen eine wichtiger werdende Rolle zukommen wird, brachte den programmatischen Zuschnitt etwas blumig so auf den Punkt: gegenseitige Wertschätzung, Zusammenarbeit, Verantwortung für den Planeten sowie europäischer Geist!
Während Polens Linkskräfte sich neu sortieren, nutzt Donald Tusk den Boxenstopp der Konkurrenz, um betont auffallend die schärfere Abgrenzung der bürgerlichen Mitte nach links zu fordern. Er ist nun überzeugt, dass ein von ihm zu schmiedendes und dann vereinigtes Bündnis, das den Bogen von gemäßigt konservativen bis hinüber zu linksliberalen Positionen spannt, ausreichen werde, um das Kaczyński-Lager zu schlagen. Davon geht mittlerweile auch Janusz Palikot aus, Polens prominenter und linksliberal tickender Bürgerschreck. Der traut Tusk den erfolgreichen Alleingang zu, geht allerdings ebenso fest von einer bald gestärkten Rolle der Linkskräfte aus.
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