Der Titel ist Reinhold Andert abgeborgt. Der war in der „Singebewegung“ der Jugendorganisation FDJ eine der interessantesten Gestalten. Ein früherer Christenmensch, der zum Sozialismus konvertiert war. Zum 20. Jahrestag der DDR 1969 sang er in einem oft gespielten Lied des „Oktoberclubs“: „Danke dem Genossen Walter für die kluge Politik…“ Damit war Walter Ulbricht gemeint. Nach dem Machtwechsel zu Honecker verschwand Andert aus dem Rundfunk, 1980 wurde er aus der SED ausgeschlossen und machte Kinder- und Liederbücher. Nach der Wendezeit befasste er sich mit Erich Honecker. Wahrscheinlich war sein Problem nicht nur die Person des nun kujonierten einstigen Großwildjägers, sondern die Rekonstruktion des Scheiterns des Sozialismus, zu dem er konvertiert war. Eines seiner damals schönsten Büchlein war: „Unsere Besten. Die VIPs der Wendezeit“.
Leider wurde dies nicht wieder aufgelegt. Eigentlich sollte man es allen empfehlen, die wissen wollen, welches Personal damals für „die Wende“ verantwortlich zeichnete. So teilt er über Sabine Bergmann-Pohl, in der Wendezeit Volkskammerpräsidentin und dann zugleich Staatsratsvorsitzende, mit, dass sie als Chefarzttochter bereits in eine Villa in Eisenach geboren wurde, dann in einer Villa in Berlin aufwuchs, nach dem Abitur problemlos Medizin studierte, promovierte und Fachärztin für Lungenheilkunde wurde und an einem Forschungsinstitut in Berlin-Buch arbeitete. 1980 wurde sie Mitglied der CDU und klagte nach 1989 über Repressionen des SED-Regimes. Die bestanden darin, dass sie lange auf einen Termin für eine Autoreparatur warten musste oder auf den Dachdecker.
Christine Lieberknecht aus Weimar hatte Theologie studiert und wurde Pfarrerin in Thüringen. Sie war seit 1981 Mitglied der CDU. In der Wendezeit wurde ihr angetragen, Ministerin für Kultur und Bildung in Thüringen zu werden. Dazu schrieb Andert: „Das Schlimmste, was der Kirche passieren kann, ist Macht zu bekommen. Das Christentum geht dann ganz schnell flöten.“ Lieberknecht hatte erzwungen, dass alle DDR-Lehrer in Thüringen detaillierte Fragebogen ausfüllen mussten, um ihre politische Vergangenheit zu bewerten. „Sie tat das besonders gründlich und verbissen. Nach ihren Kriterien hätte sie sich, staatsnah und systemtreu als langjährige Blockflöte und FDJ-Sekretärin der TheologiestudentInnen, selbst zuerst rausschmeißen müssen.“ Sie war später noch Ministerpräsidentin in Thüringen, bevor sie mit der berufsmäßigen Politik aufhörte.
Eine weitere Lichtgestalt war Toni Schwierzina, 1990 letzter Oberbürgermeister von Berlin, Hauptstadt der DDR. Er wurde nach einem Jurastudium an der Berliner Humboldt-Universität Wirtschaftsjurist, wirkte erst im Berliner Fischgroßhandel, dann im Großhandel für Wein und Schnaps. Er war Mitglied der Freien Deutschen Jugend (FDJ), des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB) und der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft (DSF), nur nicht in der SED. Gleichwohl diente er in den „Kampfgruppen der Arbeiterklasse“ der DDR, überwiegend als Koch. 1989 trat er der neugegründeten Ost-SPD bei und wurde Spitzenkandidat für den Posten des Oberbürgermeisters. Den Wahlkampf hatte die Westberliner SPD gemanagt und Schwierzina diente sich und Ostberlin dann dem Westberliner Senat an. Dafür wurde später eine Straße nach ihm benannt.
In den Darstellungen zur deutschen Geschichte wird gern so getan, als sei der Dilettantismus der DDR-Akteure 1989 eine Folge der DDR-Entwicklung gewesen. Insofern läge die Vermutung nahe, dass heute bessere Kader agieren, die freiheitlich-demokratisch aufgewachsen und sozialisiert sind. Betrachten wir mal „Unsere Besten“ bei der Bearbeitung der Corona-Seuche. Zunächst hatten mehrere Abgeordnete von CDU und CSU inmitten der Pandemie Schutzmasken „besorgt“, an deren Erwerb sie sechsstellige Summen an Provision verdienen wollten. Einige Geschäfte platzten, politische Karrieren wurden durch Rücktritte beendet. Am Ende bediente das Schema exakt jene Vorstellungen, die der gemeine Ossi im Staatsbürgerkundeunterricht gelernt hatte: Im ordinären Kapitalismus wird stets versucht, zusätzlich Profit zu machen.
Was „Die Besten“ anbetrifft, wäre zunächst über Jens Spahn zu reden, den derzeitigen „Gesundheitsminister“ (CDU). Frühere Gesundheitsminister waren Mediziner, hatten das Fach studiert und wussten, wovon sie redeten. Bei Spahn ist das oft nicht nachvollziehbar. Er hat Bankkaufmann gelernt und Politikwissenschaft studiert. Abgesehen davon, dass er als Lobbyist der Pharmaindustrie tätig war, hatte er im Grunde keine ernsthafte Qualifikation, Herr über das Seuchenwesen in Deutschland zu sein. Allerdings war er 2017 zur Bilderberg-Konferenz geladen, wo sich die Herren der Welt regelmäßig über ihre nächsten Schritte verständigen. Als Minister war Spahn zunächst für zu wenige Schutzmasken verantwortlich, dann für zu wenig Impfstoff, für überteuerte und nachlässig kontrollierte Corona-Tests und deren Abrechnung, schließlich für das Verwerfen von Impfdosen. Im „Spiegel“ wurde seine Entlassung gefordert. Aber wer wollte in diesen Zeiten dieses Amt? Noch dazu wenige Monate vor der Bundestagswahl.
Damit kommen wir zur „STIKO“, der Ständigen Impfkommission. Sie entwickelt „Impfempfehlungen für Deutschland und berücksichtigt dabei nicht nur deren Nutzen für das geimpfte Individuum, sondern auch für die gesamte Bevölkerung.“ Ihre 12 bis 18 Mitglieder werden durch das Bundesgesundheitsministerium sowie die obersten Landesgesundheitsbehörden berufen. Vorsitzender ist Professor Thomas Mertens. Er war bis 2018 zwanzig Jahre lang Ärztlicher Direktor des Instituts für Virologie der Uni-Klinik in Ulm. Mitglied der STIKO ist er seit 2004, Vorsitzender seit 2017. Unter anderem ist er Mitglied der „Arbeitsgruppe Covid-19-Impfung“ der STIKO sowie der „Arbeitsgruppe Lieferengpässe“. In beiden Gruppen hat er eifrig gearbeitet. Die Nichtzulassung chinesischer und russischer Impfstoffe hat wirksam zur monatelangen Aufrechterhaltung von Engpässen bei Vakzinen gegen Corona in Deutschland beigetragen. Zugleich hat er durch geschicktes Verwirrspiel dafür gewirkt, den britischen AstraSeneca-Impfstoff in Deutschland zu verunmöglichen, so dass nur noch die Impfstoffe der deutschen Firma BionTech und US-amerikanischer Hersteller übrigblieben. Am beeindruckendsten bei seinen Fernsehauftritten zu Corona, online von Zuhause zugeschaltet, waren stets der barocke Kleiderschrank im Hintergrund sowie sein legeres Oberteil. Ob er unter dem Tisch noch die Hose seines Schlafanzugs trug, war nicht zu ermitteln.
Die STIKO ist dem Robert-Koch-Institut zugeordnet. Das ist ein Bundesinstitut im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Gesundheit, „zentrale Einrichtung der Bundesregierung auf dem Gebiet der Krankheitsüberwachung und -prävention“. Vor Corona waltete es jenseits öffentlicher Aufmerksamkeit, jetzt ist es nahezu täglich in den Medien: Läden öffnen, Theater zu? Maske auf und Schulen zu? Chef dieses Instituts ist seit 2015 Professor Lothar H. Wieler. Der ist gelernter Tierarzt und war zuvor Geschäftsführender Direktor am „Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen“ der Freien Universität Berlin. Daher wusste er, dass beim Auftreten der Schweinepest alle Tiere eines Bestandes „gekeult“ und anschließend verbrannt werden. Ähnlich bei der Vogelgrippe, präventiv wird „Stallpflicht“ verordnet. Da das Keulen von Teilen der deutschen Einwohnerschaft nach Grundgesetz verboten ist, blieb nur die Stallpflicht. Damit es nicht so auffällt, wurde sie englisch benannt und heißt „Lockdown“.
Alle drei sind glaubenstreue Katholiken. Spahn war schon als Knabe Messdiener. Er sagt auch heute, dass die Kirche zu seinem Leben gehört. Mertens war, als Professor in Ulm, Vertrauensdozent der katholischen Cusanus-Stiftung. In einer netten Diozösan-Zeitung steht, dass er mit seinen Cusanus-Stipendiaten und ehemaligen Stipendiaten jeden Sonntag eine Gesprächsrunde in lockerer Atmosphäre veranstaltete. Wieler ist, auch laut Wikipedia, praktizierender Katholik. Alle drei können sie, wenn sie etwas falsch entschieden haben, nächstens zur Beichte gehen, ein paar Vaterunser zusätzlich beten und sind aller Sünden ledig. So verordnet es sich behände und mit weniger Skrupeln.
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