Es war die erste Filmkritik, die der junge, ehrgeizige Mensch, Praktikant an einer Zeitung, schrieb, 1975, und es war ein Verriss. Der Regisseur hieß Horst Seemann, der Film „Suse, liebe Suse“ und die Zeitung Das Volk. Der junge Mensch hätte Wetten darauf abgeschlossen, dass er bis an sein Lebensende über die Hervorbringungen des Hauses DEFA schreiben würde, wenn auch nicht zwingend bei dieser Zeitung, das schien ihm so wünschenswert wie natürlich, das waren so Träume.
Ein wenig war die DEFA, die am 17. Mai 1946, vor 75 Jahren, lizensierte Deutsche Film AG, wie das Land, mit dem sie unterging. Sie war, in ihrer inneren Verfassung wie in ihrer Produktion, der Entwurf seiner Utopien und zugleich der erbarmungslose Spiegel seiner Wirklichkeit.
Sie brachte exorbitant Glänzendes hervor und ebenso Missratenes, und auf die Länge besehen war es eine betuliche Biederkeit des Mittelmaßes, das uns doch gelegentlich von einiger Bedeutung schien, da die bescheidene Biederkeit ja das Klima war, in dem wir lebten.
Die DEFA wurde von ihren Leuten verflucht und geliebt. Sie schnaubten über die Direktion, die Dramaturgie, die Produktionsleitung, die Kollegen: Und fühlten sich doch, auf manchmal etwas verquere Weise, im wärmenden Stallgeruch der Studios zu Hause, es war einfach ein Stück Heimat, wie auch immer.
Und dem Publikum ging es nicht anders. Manchmal war die DEFA die Doofa und manchmal war sie das Haus, aus dem so wundersame Träume herüber wehten: Der Traum von Paul und Paula und der Traum der Verlobten, der Traum der Sängerin Sunny und der Traum eines Lügners, der Jakob hieß. Der wiederum hätte beinahe einen DEFA-Traum erfüllt und eine DDR-Sehnsucht dazu, einen Oscar. Und wir liebten diese, manchmal auch traurigen, Träume, weil sie ein Entwurf von Menschen-Kraft waren, von Lebens-Intensität, ein Gegen-Entwurf also zum wirklichen Leben. Ein Traum, wie Leben auch sein könnte.
Eine, in besseren Tagen, Traum-Fabrik, deren Produkte mit dem Leben zu tun hatten, mit Entwürfen realistischer Träume. Und auch wieder nicht, denn die Hoffnung dieses Land so zu erleben, wie es einmal gedacht war im Entwurf, erwies sich als der größte, der tagfernste aller Träume. So wie auch manche Träume der Künstler verweht wurden in den kulturpolitischen Stürmen.
Am brutalsten vielleicht die von Jürgen Böttcher. Einmal saßen in Neubrandenburg beim Nationalen Dokfilmfestival spät am Abend im Hotelfoyer ein paar Leute, ich war auch dabei, und Jürgen Böttcher sprach über einen verbotenen Spielfilm. Ich fand das ein wenig larmoyant, Alkohol und Künstler. Später wurde mir meine Ignoranz peinlich, denn als ich 1990 seinen Spielfilm „Jahrgang 49“ sehen konnte, da war zu ahnen, was für ein Spielfilmregisseur hier womöglich verloren gegangen war. Dieser Film war 1965 mit beinahe einer ganzen Jahresstaffel „in die Kammfabrik“, so hieß das im Jargon, gekommen.
Die Frage allerdings, was aus dem künstlerischen Potenzial der DEFA hätte erwachsen können ohne die Beschränkungen der DDR, ein Traum mancher Produzenten, ist ganz einfach zu beantworten: Nichts. Denn wie für vieles und viele in diesem Land war auch für die DEFA seine Enge das Problem und zugleich die Bedingung der Existenz.
Einen dreistelligen Milliardenbetrag 1990 nach Babelsberg transferiert: Es hätte viele Filme mit dem Signum DEFA geben können, doch die DEFA wäre es nicht mehr gewesen. Nur in diesem Treibhaus DDR konnten publizistische Äußerungen für Kunst genommen werden, nur hier aber auch konnten Millionen ausgegeben werden für Filme, die sich nicht durch Rentabilität zu legitimieren hatten und nur hier, im bemessenen Raum, gewannen kleine Sätze, kleine Gesten eine Perspektive, die heute kaum noch erinnerlich ist.
So hatte es Konsequenz, dass die eine mit der anderen starb, die DEFA mit der DDR. Nur wo an der Mauer DDR draufstand, konnte DEFA dahinter sein. Und als, am Ende, die „harten“ Filme kamen, „Die Architekten“, da kamen sie wie alle Reformen: zu spät und also unbenötigt.
So war die DEFA, verflucht und geliebt, tatsächlich vom Stoff, aus dem die Träume waren.
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