Auf Hiddensee, im Hauptmann-Haus,
Da steht kein Immortellenstrauß.
Doch liegt, die Blüten streng gebunden
Und zu einem Kranz gewunden,
Solch’ gelbe Pracht, sie wirkt ganz frisch,
Mitten auf Hauptmanns Arbeitstisch.
Die ward vor Jahren hergebracht –
Mit Liebe und von Hand gemacht –
Von einem Seglerpaar aus Halle,
Das seine Sommer, und zwar alle,
In einem Land zu leben pflegte,
Wo Gott noch Immortellen hegte.
Die beiden hatten ganz umrundet
Die Insel und zugleich erkundet –
Bei einem Gang durch Hauptmanns Haus:
Dort sah’n die Immortellen aus,
Als wär’ der Gilb in sie gefahren,
Und zwar nicht g’rad’, sondern vor Jahren.
So fassten beide den Entschluss,
Dass sich das wieder ändern muss.
Im nächsten Sommer, wie beschlossen,
Kaum dass die Immortellen sprossen,
Wurde geflochten jener Kranz,
Der nun erstrahlt in warmem Glanz.
Und im Regal, im selben Raum,
Ganz welk, bloß noch ein fahler Traum,
Wird auch der alte aufbewahrt,
Mit dem einst Hauptmann aufgebahrt.
Hiddensee,
September 2020
Der Dichter und Literaturnobelpreisträger Gerhard Hauptmann unterhielt auf Hiddensee seinen Zweitwohnsitz. Bevor Hauptmann am 28. Juli 1946 auf der Insel bestattet wurde, stand sein Sarg für eine Nacht in seinem Arbeitszimmer – zu einer Art Totenwache. Helene Gustavs, die Frau des Ortspfarrers, legte bei dieser Gelegenheit einen Immortellenkranz auf den Schreibtisch des Dichters.
Der Kranz war dort über die Jahrzehnte verblasst …
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