23. Jahrgang | Nummer 15 | 20. Juli 2020

Antworten

Noël Martin, Tapferer – Deutsche Rassisten hatten Sie am 16. Juni 1996 in Mahlow (Brandenburg) wegen Ihrer Hautfarbe angegriffen und schwer verletzt. Sie waren nunmehr querschnittsgelähmt und auf den Rollstuhl angewiesen. Was für ein Moment der Scham und des Entsetzens besonders für viele Ostdeutsche. „Ich habe meine Würde verloren“, beschrieben Sie Ihr körperliches Dasein. Dennoch (oder gerade deshalb) setzten Sie sich für Toleranz und Verständigung, gegen Rassismus und Rechtsextremismus ein. Die Vergangenheit sollte nicht über Sie bestimmen. Jetzt sind Sie kurz vor Ihrem 61. Geburtstag in Birmingham gestorben und wir hoffen, dass die Täter Ihren Schatten ihr ganzes Leben spüren werden. Ob Sie etwas gelernt haben? Sie jedenfalls haben Ihr Leben mit großer Würde geführt …

Ennio Morricone, ein Olympier der Filmmusik – Eine Ihrer Spezialitäten waren von Soloinstrumenten getragene leitmotivische Filmmelodien. Panflöte für Sergio Leones Gangsterepos „Es war einmal in Amerika“, Oboe für Roland Joffés Kolonialdrama „Die Mission“. Vor allem aber Ihr Mundharmonika-Part in Sergio Leones legendärem Streifen „Spiel mir das Lied vom Tod“ von 1968 ließ auch Nicht-Western-Fans eine Gänsehaut über den Rücken laufen. In erster Linie mit dieser Musik war und ist Ihr Name in der öffentlichen Wahrnehmung seither verknüpft.
Dabei gelang Ihnen drei Jahre später noch etwas sehr viel Anrührenderes für einen Film mit politischem Tiefgang – Giuliano Montaldos Verfilmung des Schicksals zweier italienischer Immigranten und Anarchisten in den USA, die im Jahre 1927 in einem ideologisch gefärbten Prozess wegen vorgeblichen Raubmordes zum Tode verurteilt und hingerichtet worden waren. Der Justizskandal hatte zu ersten globalen Massenprotesten gegen politisch motivierten Machtmissbrauch in den USA geführt. Die Namen der beiden: Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti. Ihre Vertonung eines Textes der Protest-Ikone Joan Baez und der Vortrag in Baez’ unvergleichlichem Tremolo gehen noch heute unter die Haut.
Bis zu 20 Filmmusiken sollen Sie in manchem Jahr komponiert haben; über 500 wurden es insgesamt. Doch ausgerechnet für Tarantinos eher mäßigen Streifen „The Hatefull 8“ (Besprechung – siehe Blättchen-Ausgabe 4/2016) erhielten Sie 2016 Ihren einzigen Filmmusik-Oscar. Da hatten Sie 2007 allerdings bereits einen für Ihr Lebenswerk entgegengenommen.
Jetzt sind Sie 91-jährig in Rom verstorben. Ihr kompositorisches Genie wird fehlen.

Deutsche Atlantische Gesellschaft (DAG) – Vereinsmotto „America first and for ever, even if …“ – Sie mit der DSF (Deutsch-Sowjetische Freundschaft) zu vergleichen, ginge nur insofern in die Irre, als diese eine Massenorganisation war (6,4 Millionen Mitglieder im Jahre 1988), wohingegen Sie sich als Elite-Club – quasi Hort der Auserwählten – gerieren. Was allerdings die an Hörigkeit grenzende Nibelungentreue zum Großen Bruder anbetrifft, da stehen Sie der DSF in überhaupt Nichts nach. Auch was das reflexartig-zickige bis -hysterische Zusammenzucken beim kleinsten Kratzer im Lack anbetrifft, den ein anderer (etwa früher Gorbatschow und heute der US-Präsident) verursacht haben könnte. Als jetzt das Trumpel im Weißen Haus androhte, ein Drittel seiner Truppen aus Deutschland zurückzuziehen, weil Berlin nicht noch mehr Milliarden (45,2 in diesem Jahr) fürs Militär verballert, da gingen Sie sofort auf die Barrikaden und trompeteten: „Eine Reduzierung der Truppen hätte weitreichende Folgen – für Deutschland, die NATO, die USA selbst und das globale Sicherheitsgefüge.“
Unbedingt!
Doch warum so klein klein?
Was ist mit dem Sonnensystem?
Der Galaxis?
Dem Universum!