23. Jahrgang | Nummer 13 | 22. Juni 2020

Antworten

Nikolai Bersarin, endlich erinnerter erster Stadtkommandant von Berlin – Sie starben vor 75 Jahren mitten in der Aufbauarbeit im zerstörten Berlin. Sie ließen die Strom-, Wasser- und Gasversorgung Berlins in Gang setzen, befahlen, Theater zu öffnen und Zeitungen zu drucken … Keine Vergeltung von Ihrer Seite trotz der vielen sowjetischen Toten, trotz all der Verbrechen des mörderischen deutschen Angriffskrieges. Nach der Wende 1989 erinnerte man sich Ihrer zunächst mit der Umbenennung der nach Ihnen benannten Straße, Ihre Ehrenbürgerschaft der Stadt Berlin wurde erst nach langen Jahren wieder hergestellt. Dank dem langjährigen Einsatz des Bersarin-Aktivs (mit dem Historiker Götz Aly) gelang es nun endlich, an der Stelle Ihres tödlichen Motorradunfalls eine Gedenktafel zu enthüllen. Ein Denkmal für Sie wurde vorgeschlagen, finanziert von den heutigen Berlinern. Ja, das sollte mitten im Zentrum stehen und zum 80. Jahrestag der Befreiung Deutschlands enthüllt werden – auch als Entschuldigung für die unsägliche Behandlung der sowjetischen Opfer zum diesjährigen 75. Jahrestag.

Frank Castorf, Störrischer – Im April galten Sie noch als heimliche Ikone des Corona-Widerstandes. Sie wollten sich „von Frau Merkel nicht mit weinerlichem Gesicht sagen lassen“, dass Sie sich die Hände waschen müssten, erklärten Sie seinerzeit im Interview mit der Berliner Zeitung. Wir waren begeistert. Jetzt lassen Sie vom BE-Intendanten in der FAZ mitteilen, dass Sie sich jetzt doch an die Corona-Verordnungen halten. Sie wollen eine Kästner-Premiere nicht gefährden. Das geht nun wirklich nicht, ein Regisseur mit Dreckpfoten … Und schmutzige Hände in übertragenem Sinne gehören eher zu anderen Berufsgruppenangehörigen, die in der Regel in Nadelstreifen herumlaufen. Da haben Sie recht.

Marina Mai, kritische Leserin – Sie beschweren sich über den Autor des Artikels „Neuer deutscher Größenwahn“ unserer Ausgabe 12/2020 und meinen, er „disqualifiziert sich selbst, wenn er von Joshua Wong als den ,einschlägig bekannten Anführer der Randalierer in Hongkong‘ spricht und jedwenes Verständnis für die dortige Demokratiebewegung vermissen lässt. Gyde Jensen habe ich hingegen als Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses des Bundestages kennen- und schätzen gelernt. Aber wer Menschenrechtspolitik als Einmischung in die inneren Angelegenheiten von Staaten bewertet (frei nach der Devise: Was ein Staat mit seinen Bürgern tut, ist dessen innere Angelegenheit), der sieht das anders, aber dem ist auch im 21. Jahrhundert nicht mehr zu helfen. Oder mischen sich die antirassistischen Demonstrationen in die inneren Angelegenheiten der USA ein?“ – Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass es einen Unterschied gibt zwischen zivilgesellschaftlichem Protest und Außenpolitik? Immer dann wenn sich in der Geschichte die Außenpolitiker der Staaten so ineinander verbissen, dass sie die Kiefer aus der Wade des jeweils anderen nicht mehr herausbekamen, wurde das „letzte Mittel der Könige“ aus den Arsenalen geholt. Dann sprachen die Kanonen. Genau darum geht es.

Grand Hotel van Cleef, aufmerksames Independent Label – „Wie geil ist DAS denn? Ein klasse Internet-Organ OHNE Bilder, ohne YouTube links. Schafft ihr das? Schafft ihr NIE!!! Keine Chance.“ So kommentierten Sie Wolfgang Hochwalds Artikel über Martin Bechler und „Fortuna Ehrenfeld“. Der Satz ist ja historisch belastet: „Wir schaffen das!“. Aber hier ist der Link. Fortuna Ehrenfeld: „Helm ab zum Gebet“.

Anke Myrrhe, frustrierte Tagesspiegel-Kollegin – Zu den undankbarsten Aufgaben von Tageszeitungsredakteuren gehört das für alle Leser nachvollziehbare Erklären der Ratschlüsse unserer Regierenden. Die Berliner Schulsenatorin Sandra Scheeres verkündete jetzt den Übergang der Schulen in der Hauptstadt zum „Normalbetrieb“ mit Beginn des neuen Schuljahres. Wie wir in der letzten Ausgabe des Blättchens bereits bemerkten („Ministerielle Drohungen“), müssen die Hygienregeln angepasst werden. Sie kommentieren dies im Tagesspiegel-Checkpoint: „Die Abstandsregel von 1,5 Metern kann in Schulen nicht eingehalten werden. Also schaffen wir sie ab. Was vor drei Monaten noch mit einer recht plötzlichen Pandemie plausibel begründet werden konnte, liest sich heute eher als hilfloses Stochern nach Lösungen, die ein Recht auf Bildung mit der Infektionsgefahr abwägen.“ Warten wir ab. Sicherlich wird es zum Ende der Sommerferien ein Rundschreiben geben, in dem die Schulleiterinnen und Schulleiter aufgefordert werden, eigenständig und kreativ die nötigen Vorausssetzungen für was auch immer zu schaffen … War der Kollege Pontius Pilatus eigentlich Präfekt von Judäa, oder lebt er noch und ist Mitglied des Senates von Berlin?

Gabriele Schiebe, kreativste Schulleiterin der Hauptstadtregion – Wir verleihen Ihnen schon mal diesen Titel, auch wenn es möglicherweise noch andere Anspruchsberechtigte gibt. Sie haben das Problem mit der Abstandsregel zumindest für die Abi-Zeugnis-Übergabe des Oranienburger Louise-Henriette-Gymnasiums in Oranienburg gelöst. Eine Autobreite Abstand ist korrekt. Wie das? Sie verlegten die Zeugnisübergabe kurzerhand auf das Gelände des TÜV Rheinland in Lehnitz. Pro Familie ein Auto. Auf der Motorhaube ein Zettel mit der Angabe, wer drin sitzt. Das Zeugnis wird durch das heruntergelassene Fenster überreicht. Fürs Erinnerungsfoto neben der Beifahrertür darf der Abiturient/die Abiturientin kurz aussteigen. Geht doch!

Knud Friedrich Martin Kuntze, Lord Knud – Der Große Tonmeister hat jetzt die Regler für Sie endgültig heruntergefahren. Uns stimmt das traurig. In einer Zeit, in der West wie Ost – manche verdrängen das, eben nicht nur im Osten … – die Rockmusik es schwer hatte, ihr Publikum über das Radio zu erreichen, moderierten Sie beim RIAS die „Schlager der Woche“ und dann auch noch die „Evergreens á Go Go“. Unermüdlich. Und wir hingen an den Kofferradios. West wie Ost… Oki Doki, Knud!