John Heartfield – Fotografie plus Dynamit“ lautet der Titel. Es sollte ein magnetisches, ein explosives, den politischen Geist aktivierendes Ausstellungsereignis werden. In der Akademie der Künste am Pariser Platz ist das Schaffen John Heartfields (1891–1968) ausgebreitet: 400 Werke und Dokumente auf 600 Quadratmetern Wände und Vitrinen. Allem voran die einst bahnbrechenden Fotomontagen.
Nun aber verhindert die Corona-Pandemie das physische Begängnis der seit Jahren vorbereiteten Schau. Die Ausstellungsmacherinnen Angela Lammert, Rosa von der Schulenburg und Anna Schultz wählen, wie andere Kunst-und Kultur-Instanzen auch, den Weg des Virtuellen. Heartfield Kunst geht online. Ihm hätte das garantiert gefallen. Die massenhafte Verbreitung seiner ätzend ironischen und gesellschaftskritischen Fotomontagen, Zeichnungen, Plakate, Bücher und Bühnengestaltungen im Netz wäre seiner Aufklärungsarbeit sehr dienlich gewesen. Seinerzeit musste er die Druckerpressen anwerfen lassen, um politische Schlagkraft zu erreichen.
Die Facetten der Kunst dieses meisterlichen Dadaisten und Kunstrebellen der Weimarer Republik, bestgehasst von Hitler & Co, sind vielfältig. Nun ist sein Nachlass digitalisiert, etliche Jahre haben die Mitarbeiter des AdK-Heartfield-Archivs dafür gebraucht. Alles, was wir nun, den besonderen Umständen entsprechend, in virtueller Fassung sehen können, zeigt das raffinierte Konzept, das mutige, keine Zensur fürchtende Kunst-Wollen dieses Mannes.
Zu Ruhm gelangte er in der Weimarer Republik. Geboren wurde er, wie auch sein Bruder, der Dichter Wieland Herzfelde. Ihr Vater war Jude. Schon deshalb waren die Brüder den Nazis suspekt. Der Grafiker Heartfield symbolisierte in aller Prägnanz das klägliche Scheitern der Weimarer Republik und zog mit Bild und Papier, Schere und Leim erbittert gegen die Nazis zu Felde und. Seine Motive aus den Zwanzigerjahren des vorigen Jahrhunderts nahmen die Nazi-Diktatur vorweg. Und sagten den deutschen Totentanz voraus.
Jedes von Heartfields Blättern wurzelt in der Berliner Dada-Bewegung, der Rebellion gegen den Ersten Weltkrieg und die scheinheilige Gutbürgerlichkeit. Statt „vor der Staffelei“ schön getönte Bildchen zu pinseln, entschied er sich für das ironische Spiel mit dem Trivialen und spitzen bösen Pointen. Da sehen wir die ikonischen Bilder wie die „Hyäne mit Zylinderhut“ und „Pour le Profite“ oder Hitler mit dem „deutschen Gruß“, dem ein Kapitalist von hinten Geldscheine zusteckt. Heartfield hat aber nicht nur ausgeschnitten und zusammengeklebt. Er arbeitete virtuos mit Farbe, sprühte sie über Fotos, übermalte.
Der erfinderische Pionier der Fotomontage begegnet dem Publikum in Titelseiten der Arbeiter-Illustrierten-Zeitung (AIZ). Das Blatt „Krieg und Leichen – Die letzte Hoffnung der Reichen“ von 1932“ ist ein Kardinalbeispiel. Heartfields ausgefeilte, aber knallhart wirkende künstlerische Technik entfaltet sich auch vor allem in den innovativen Bucheinbänden für den Malik-Verlag.
Allerdings haben seine boshaften politischen Effekte auch blinde Flecken: Er schoss scharf gegen die SPD, Fehler der KPD aber blieben unreflektiert; da war er parteiisch. Und mit dem Strahlebild, das er in der AIZ vom gelobten Land Sowjetunion zeichnet, gibt er sich unkritisch utopisch gegenüber dem „Neuen Menschen“, denn er übersah die mörderischen Vorzeichen stalinistischer Diktatur.
Für die Kunstgeschichte indes war er ein Vorreiter an der Schnittstelle zwischen Kunst und Medien, ein Aufklärer. Einer, der die Macht des Faktischen erkannte und die politische Kunst und ihr Versagen sehr wohl wahrnahm. Für die Nazis war Heartfield, der Kommunist und Freund von Grosz, Brecht und Piscator ein Todfeind. Seine Kunst wurde als „entartet“ stigmatisiert. Ihm blieb nur die Flucht über Prag nach London, sein Exil bis 1950. Glücklich wurde er nach seiner Rückkehr auch in der DDR nicht, selbst wenn ihm die Oberen mit einem schlichten Sommerhaus im brandenburgischen Waldsieversdorf als Refugium (heute Heartfield-Gedenkmuseum) Respekt erwiesen. Ganz besonders Walter Ulbricht war ihm gegenüber misstrauisch. Die Staatssicherheit verhörte ihn wegen möglicher „verräterischer Verbindungen“ zu westlichen Geheimdiensten, eine Ausstellung zu seinem 60. Geburtstag 1951 durfte nicht eröffnen.
Heartfields Fotomontagen wurden unter Berufung auf den Papst der stalinistischen Kulturpolitik, Georg Lukács, als „Formalismus“ abgeurteilt. Nach der Demütigung erlitt Heartfield einen Herzinfarkt. Jahre später abermals einen; er starb 1968. Wie absurd: Der mutige kommunistische Propagandist aus der Nazizeit wurde vom DDR-Regime, das ihm zwar den Nationalpreis gab, eher verschmäht. Sein Werk, all die teils erstmals öffentlich gemachten Arbeiten und Dokumente aber zeigen, wie nötig eine „aufgeklärte“ Gesellschaft Künstler hat, die den Stachel im saturierten Fleische herumdrehen.
www.johnheartfield.de/kosmos-heartfield – eine multimediale Reise durch John Heartfields Leben. Der 300-seitige Katalog ist online freigeschaltet.
Berliner Zeitung (online), 27.3.2020. Übernahme mit freundlicher Genehmigung der Autorin und des Verlages.
Schlagwörter: Akademie der Künste, Ingeborg Ruthe, John Heartfield