23. Jahrgang | Nummer 6 | 16. März 2020

Film ab

von Clemens Fischer

Um es gleich vorweg zu sagen – Marc-Uwe Kling hat recht. In einem Interview mit einem nicht gänzlich unrenommierten Hamburger Nachrichtenmagazin sagte er über die Verfilmung seines Mega-Bestsellers „Die Känguru-Chroniken“, für die er selbst das Drehbuch verfasst sowie An- und Abspann, doch vor allem das Känguru eingesprochen hat: „Es wird Leute geben, die nichts damit anfangen können.“

Der Besprecher besuchte die Vorstellung zusammen mit seiner Frau.

Sein Zwerchfell hat ihm den Film noch einige Tage in lebhafter Erinnerung gehalten. Er weiß aber nun auch, dass er sich den zweiten Teil der Verfilmung von Klings genialischen Einfällen (der hoffentlich bald, bald folgen wird!!) ganz allein wird anschauen müssen. Und dass sein Kredit immerhin ausreichte, die Gefährtin in dem vom häuslichen Herd räumlich doch arg entfernten Lichtspieltheater ausharren zu lassen, so dass einer gemeinsamen Heimkehr im Gefährt der Familie nichts entgegenstand.

Was lässt sich über den Film sonst noch sagen, ohne zu viel über den Plot und die Gags zu verraten? Auf jeden Fall dieses:

  • Wer mittags um halb Eins mit Augenklappen gegen das Tageslicht noch immer in der Kiste modert, aber Eier, Mehl, Salz, Öl, eine Bratpfanne sowie einen Herd in seiner Hütte vorrätig hat, der fordert das Schicksal auf eine so fahrlässige Weise heraus, dass ihm alles Folgende einfach nur zu gönnen ist.
  • Wer drei schnittige Porsche in den Farben Schwarz, Rot und Gold sein eigen nennt, der darf sich nicht wundern, wenn diese drei ihm in einem Streifen, der tumbe Neonazis und ihre keineswegs tumben Führerfiguren aufs Korn nimmt, in genau der Reihenfolge der deutschen Nationalfarben abhandenkommen.
  • Wer sich als bekennender Kommunist und Veteran des Vietcong in Berlin-Kreuzberg der Gentrifizierung in den Weg stellt, der findet zwar Mitstreiter, kann aber auch mal übel in die Klemme geraten.

Ein sehr persönliches Happy Ending fehlt dem Streifen. Nicht zuletzt deshalb ist Teil zwei zwingend!

Last but not least: Klings Känguru pflegt neben seiner ausgeprägten Vorliebe für Schnapspralinen bekanntlich eine womöglich noch tiefere Verachtung für weichgespülte sozialdemokratische Koalas. Insofern hätte auch Klings bekannter Song mit dem einprägsamen Refrain „Wer hat uns verraten / Sozialdemokraten“ sehr gut in den Film gepasst. Dass der dann doch nicht kommt, macht aber nichts. Dafür gibt’s ja Youtube.

„Die Känguru-Chroniken“, Regie: Dani Levy. Derzeit in den Kinos.

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Um es gleich vorweg …, ach so, das hatten wir ja gerade. Doch zu Anfang dieser Rezension gesagt werden muss trotzdem: Die Kritikerin oder der Kritiker der Rheinpfalz mag sich mit der Wortschöpfung Dramödie zur Charakterisierung von „La vérité“ von Hirokazu Kore-eda ja vielleicht als originell empfunden haben. Doch in der Vorstellung, die der Besprecher besuchte, wurden weder Taschentücher gezückt, um den tränenden Folgen des Dramas hinterherzuwischen, noch ertönte seitens der Zuschauer auch nur ein einziger Lacher, was in Komödien ja doch irgendwie als zugehörig vorausgesetzt gelten darf.

Und dann war in der Rheinpfalz darüber hinaus eine weitere Besprechung zitiert, der zufolge es sich bei diesem Film um ein leichtfüßiges Mutter-Tochter-Duell handele. Doch das „Leichtfüßigste“ an Kore-edas Streifen ist eine bisweilen auftauchende Riesenschildkröte namens Pierre, die im Garten der Protagonistin ihre Heimstatt hat und deren methusalemische Lebenserwartung vermutlich vor allem auch daraus resultiert, dass sie in jedem Wettlauf zwischen Hase und Igel keinesfalls der leichtfüßige Hase wäre.

Der Reiz des Films für Cineasten liegt allenfalls in einem bisher nicht erlebten Zusammentreffen: Erstmals gemeinsam vor der Kamera agieren zwei Ikonen des französischen Kinos – Catherine Deneuve (als Mutter) und Juliette Binoche (als Tochter).

Doch Vorsicht: Hirokazu Kore-eda ist Japaner, und da sollte man mit eruptiven Gefühlsaufwallungen nicht wirklich rechnen, eher mit elegischen, schaumgebremsten …

In einer der Schlüsselszenen des Films, als die gealterte Actrice (Catherine Deneuve) bei Dreharbeiten nach mehreren Anläufen eine emotional schwierige Szene ihrer Auffassung nach endlich doch bestens hinbekommen hat, meint der Regisseur des Films im Film: Sehr gut. Aber er hätte die Szene gern nochmal. Kompakter. Kürzer. Beides wäre auch dem Film insgesamt zu wünschen gewesen.

„La vérité – leben und lügen lassen“, Regie und Drehbuch (Mit-Autor): Hirokazu Kore-eda. Derzeit in den Kinos.