Während über das Verhältnis der DDR zu Israel inzwischen eine Reihe von Untersuchungen unterschiedlicher Qualität vorliegt, sind die Beziehungen des ostdeutschen Staates zur PLO in vergleichbarer Weise bisher nicht untersucht worden. Lutz Maekes überaus gründliche Darstellung schließt somit eine Lücke.
Die Arbeit ging aus einer Leipziger Dissertation von 2015 hervor. Neben umfangreichen Archivmaterialien nutzte der Autor auch die Gelegenheit des Interviews mit Zeitzeugen, so mit Hans-Dietrich Genscher, mit Abdallah Frangi, dem früheren PLO-Vertreter in der Bundesrepublik, und dem Stellvertretenden DDR-Außenminister Heinz-Dieter Winter.
Das Buch nimmt die PLO als politischen Akteur zwischen Ost und West im Kalten Krieg, und nicht nur als Verbündeten (oder Komplizen) der östlichen Seite wahr. Wie die Sowjetunion reagierte auch die DDR auf die Gründung der PLO nur zögerlich, da sie die neue Organisation politisch als bestenfalls unsicheren Kantonisten, aber noch keinesfalls als potenziellen Bündnispartner sah. „Außerdem waren Moskau die palästinensischen Kontakte zum innerkommunistischen chinesischen Rivalen suspekt“, schreibt Maeke. Noch 1968 sah die DDR das Ziel der PLO-Charta, die Zerstörung Israels, als unvereinbar mit ihrer eigenen Politik an.
Doch wuchs das Interesse, nachdem die Fatah in die PLO eingetreten war und ihr Vorsitzender Yassir Arafat den Vorsitz des PLO-Exekutivkomitees übernommen hatte. Ein Arbeitspapier des Außenministeriums vom März 1969 empfahl politische Zusammenarbeit, „die eine Identifizierung der DDR mit den nationalistischen Forderungen beziehungsweise manchen zum Teil terroristischen Aktionen der Palästinenser ausschließt.“ Das SED-Politbüro beschloss am 28. April 1970 die „progressiven“ Kräfte innerhalb der palästinensischen Befreiungsbewegung zu unterstützen, womit damals die von Syrien unterstützte Sa’iqa (Sturm) gemeint war, die bereits im folgenden Monat 3000 MPs, 10.000 Handgranaten und 5,5 Millionen Schuss Munition erhalten sollte. Zur gleichen Zeit leistete die von der SPD geführte Bundesregierung eine umfangreiche humanitäre Hilfe an das UN-Hilfswerk, die den Palästinensern in den Flüchtlingslagern zugutekommen sollte. Sie tat dies auch, um einem möglichen weiteren Vordringen der DDR zu begegnen. Arafat selbst streckte, zunächst über Mittelsmänner, 1970 diplomatische Fühler in die DDR aus, 1971 kam er dann selbst.
Zunächst war vorsichtiges Abtasten von beiden Seiten angesagt, hatte doch die DDR wie auch die Sowjetunion die Zerschlagung der jordanischen PLO-Basen im September 1970 durch die Armee König Husseins nur zurückhaltend kommentiert. Doch nach der Machtergreifung von Hafiz Assad in Syrien, der sich eng an die UdSSR und ihre Verbündeten anzulehnen suchte, sah die DDR die Chance, als Mittler zwischen den Lagern zu wirken. Maeke zeigt detailreich, wie die DDR dadurch politisches Terrain innerhalb von Teilen der arabischen Welt gewann.
Der Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker erbrachte zunächst noch keine Änderung der skeptischen internen Urteile zur PLO. Noch im November 1971 kritisierte eine Denkschrift des Außenministeriums, dass innerhalb der PLO „der bewaffnete Kampf überbetont und der Zusammenhang des Widerstandskampfes mit dem weltweiten antiimperialistischen Kampf erst in Ansätzen erkannt“ werde, was hieß: dass Aktionen der PLO politische Schritte der Sowjetunion und der DDR konterkarieren könnten. Die DDR verurteilte eindeutig den Terrorakt gegen die israelische Olympiamannschaft, sah aber die letzten Gründe für die blutige Aktion in der Tatsache, dass Israel arabisches Gebiet widerrechtlich besetzt hielt.
Yassir Arafats publikumswirksame Einladung zu den X. Weltfestspielen der Jugend und Studenten im August 1973 in die DDR-Hauptstadt brachte zwar den Durchbruch in der Zusammenarbeit. Doch die offiziellen Verbrüderungsszenen überdeckten nur die Tatsache, dass die DDR-Führung Arafats Fatah weiterhin misstraute: Sie galt ideologisch als inkonsequent, mit gefährlichen Verbindungen zu den radikal-islamischen Muslimbrüdern und würde sich zudem verlockenden Angeboten von westlicher Seite nicht verschließen. Zudem verweigerte sich Arafat (auch eingedenk der Lage innerhalb der PLO) der von der DDR geforderten Anerkennung der UN-Resolution vom November 1967. Darin wurde ein Rückzug Israels aus den besetzten Gebieten bei Anerkennung des jüdischen Staates durch die arabischen Staaten gefordert.
Mit ihrer Vorsicht gegenüber der PLO hatten die Nahost-Experten der DDR Recht: Maeke zeigt, wie Arafat über Abdallah Frangi gute Verbindungen zu westlichen Politikern und Diplomaten unterhalb der offiziellen Ebene pflegte. Er vermutet auch, dass, obgleich keine genauen Zahlen vorliegen, am Ende der 1980er Jahre mehr palästinensische Studenten an west- als an ostdeutschen Universitäten studierten. So waren die Solidaritätsbekundungen der DDR für die PLO das eine, die praktische Politik mit taktischen Manövern aber das Andere.
Maeke belegt, dass die DDR seit 1980, eigene bisherige Vorsicht über Bord werfend, auf Arafats „linke“ Rivalen innerhalb der PLO setzte, was für die offiziellen Beziehungen überaus hinderlich war. Es gelang Arafat nicht, die – auch aus realpolitischer Sicht abenteuerliche – Unterstützung der DDR für seine Gegner, die Abu-Nidal-Organisation, zu unterbinden, auch dann nicht, als diese 1983 Arafats Vertrauten Issam Sartawi umbrachten. Der Grund war Abu Nidals Anbindung an Syrien, dessen Diktator Hafiz Assad der DDR als Garant für eine so bezeichnete progressive, nichtkapitalistische Entwicklung seines Landes galt. Assad bekämpfte Arafat auf dem „Nebenkriegsschauplatz“ Libanon jedoch erbittert.
Maeke behandelt ausführlich den blutigsten libyschen Terrorakt in Europa: den Anschlag auf die West-Berliner Diskothek La Belle 1986. Er zeigt, dass die Stasi, deren mögliche Verwicklungen darin unklar geblieben sind, jedenfalls nichts tat, um den Anschlag zu verhindern. Sie unterband aber, auch aus Furcht vor Reaktionen der USA, weitere geplante Anschläge bereits im Ansatz rigoros.
Neues an Fakten bietet Maeke nicht zuletzt was die Rolle des Bereiches Kommerzielle Koordinierung unter Alexander Schalck-Golodkowski bei Waffengeschäften betrifft. Er zeigt die wachsende Einsicht innerhalb der PLO, nicht zuletzt bei Arafat selbst, dass Terroraktionen den Lebensinteressen nicht nur der Israelis, sondern auch der Palästinenser tödlichen Schaden zufügten und politisch nur in Sackgassen mündeten. So erklärt sich auch, dass Arafat das zögernde Zugehen der DDR auf Israel seit etwa 1986 schließlich zwar nicht billigte, doch akzeptierte. Aus Lutz Maekes detailreicher Untersuchung ergibt sich ein komplexes Bild zu einem Thema, bei dessen Erörterung krude Vorurteile die Fakten oft überwiegen.
Eine Kritik betrifft den überaus hohen Preis des Buches, das somit in nur wenige Privathände und womöglich auch in nicht allzu viele Bibliotheken gelangen dürfte. Dies ist aber nicht dem Autor anzulasten.
Lutz Maeke: DDR und PLO. Die Palästina-Politik des SED-Staates, Berlin/Boston, De Gruyter Oldenbourg, 2018, 549 Seiten, 79,95 Euro.
Schlagwörter: DDR, Lutz Maeke, Mario Keßler, PLO, Syrien