23. Jahrgang | Nummer 2 | 20. Januar 2020

Denkmal mit Augenzwinkern

von Manfred Orlick

Seit Ende November steht in Halle ein junger Mann am Saaleufer – nur mit einem Handtuch um die Hüften. Nein, es ist kein wagemutiger Schwimmer, der auf das Anbaden in der winterlichen Saale wartet, sondern der junge Joseph von Eichendorff.

Die Bronzestatue hat der bekannte Burg-Professor und Bildhauer Bernd Göbel geschaffen: fast knabengleich, mit leicht femininen Gesichtszügen, mit einem Gedichtbändchen in der Hand, den Blick verträumt dem benachbarten „Reichardts Garten“ zugewandt, wo er vor über 200 Jahren allerdings nur Zaungast war.

Als Student war Eichendorff oft mit Kommilitonen in der Saale geschwommen. („Das leztemal geschwommen, nachdem wir fast alle Tage Nachmittag mit Sauer, Neide, Thiel u. Fritsch von 4–6 geschwommen u. uns durch Springen u. Hinüberschwimmen über die Saale amüsirten. 4 Haloren haben dort Aufsicht, u. unterrichten die Anfänger gegen ein Honorar von 2–3 rth. Daß es hier immer von Studenten wimmelt, ist wohl nicht erst nöthig, zu erwähnen.“)

Dies hat Göbel aufgegriffen und Eichendorff mit entblößtem Oberkörper aus der Saale kommend modelliert. Die Bronzeplastik wurde ermöglicht durch zahlreiche Spenden von Bürgern sowie die Unterstützung der Stadt Halle.

1805 war der junge Joseph von Eichendorff mit seinem Bruder Wilhelm an die hallesche Universität gekommen, wo beide Rechtswissenschaft und Geisteswissenschaften studierten. Sie hörten philologische Vorlesungen bei F. A. Wolf und belegten je ein Kolleg bei Schleiermacher und Steffens. Der Aufenthalt in Halle war allerdings kurz, denn während einer Ferienreise im Oktober 1806 erfuhren die beiden Brüder von der Schließung der Universität durch Napoleon, und so beschlossen sie, ihre Studien in Heidelberg fortzusetzen.

Seinen Aufenthalt in Halle hat Eichendorff ausführlich in Tagebuchform festgehalten. Der junge Jura-Student wurde schnell heimisch in der Saalestadt. So berichtete er außer über Badevergnügen in der Saale von Hungerunruhen und gewalttätigen Tumulten in der Stadt oder von Theaterbesuchen in Bad Lauchstädt, wo Goethe mit seiner Weimarer Bühne gastierte. Zwischen den Vorlesungen fand Eichendorff Zeit und Muße zu Wanderungen, die ihn immer wieder auf die Burg Giebichenstein und in die Klausberge oberhalb der Saale führten. Zutritt zum nahegelegenen Giebichensteiner Dichterparadies „Reichardts Garten“ hatte der 18-Jährige freilich nicht. Der kleine Park war 1794 von dem Komponisten und Publizisten Johann Friedrich Reichardt als englischer Garten angelegt worden. In der sogenannten „Herberge der Romantik“ verkehrte der Hausherr mit Ludwig Tieck, Clemens Brentano, Achim von Arnim, Jean Paul, Johann Wolfgang Goethe und anderen bedeutenden Dichtern und Gelehrten aus ganz Deutschland.

Das Eichendorff-Lied „Bei Halle“ –

Da steht eine Burg überm Tale
Und schaut in den Strom hinein,
Das ist die fröhliche Saale,
Das ist der Giebichenstein.

Da hab ich so oft gestanden,
Es blühten Täler und Höhn,
Und seitdem in allen Landen
Sah ich nimmer die Welt so schön!

– ist längst zur heimlichen Hymne der Saalestadt geworden. Das Gedicht entstand jedoch erst bei Eichendorffs zweitem Aufenthalt in Halle 1840, seiner Studienzeit 1805/06 gedenkend. Trotz ihrer lokalen Bezogenheit sind diese Zeilen unsterblich geworden.

Zurück zur Bronzestatue: Göbel hat auf dem Handtuch einen Vierzeiler von Eichendorff – „Die Wünschelrute“ – verewigt:

Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.

Nicht ohne Grund, denn in diesen Zeilen hatte der Dichter nicht nur seine romantischen Vorstellungen sondern auch die Weltsicht der Romantik verdichtet.