22. Jahrgang | Nummer 26 | 23. Dezember 2019

Was der Horowitz-Report enthüllt

von Petra Erler

Während kaum eine Nachrichtensendung hierzulande ohne Meldungen über den Fortgang des Impeachment-Verfahrens gegen Donald Trump auskommt, ist der am 9. Dezember vorgelegte Horowitz-Report fast unbeachtet geblieben. Michael Horowitz, Generalinspekteur des Justizministeriums der USA, noch von Barack Obama nominiert, hatte untersucht, wie es 2016 zum FBI-Lauschangriff „Crossfire Hurricane“ gegen die Wahlkampagne des damaligen Präsidentschaftskandidaten Trump kam, wie das FBI die gerichtliche Erlaubnis zur Überwachung eines Mitarbeiters der Trump-Kampagne, Carter Page, erwirkte und über Monate sicherte. Dazu nutzte das FBI das sogenannte FISA-Verfahren (FISA: Foreign Intelligence Surveillance Act). Im FISA-Prozess ist normalerweise alles geheim, es gibt nur die Regierung und die Richter, keine Verteidigung. Horowitz lüftete nun in einem Fall den Schleier, und was er ans Licht brachte, ist verheerend: Das FBI hat den FISA-Prozess missbraucht. Zwei Senatsanhörungen fanden inzwischen statt. Auch das FISA-Gericht reagierte scharf, denn es ist völlig unklar, ob das ein Einzelfall war oder nicht.
Horowitz geht in seinem Report zunächst der Frage nach, ob politisches Kalkül am Beginn der Operation gegen den damaligen Kandidaten Trump stand. Er verneint das: Dafür habe er weder eine Aktenspur noch Zeugen gefunden. Die Schwelle, um ins Fadenkreuz einer FBI-Untersuchung zu gelangen, sei äußerst niedrig. Es bedurfte nur einer einzigen Quelle eines „befreundeten Landes“, die etwas gehört haben wollte, von jemandem, der etwas gehört hatte – und schon konnte das FBI die Operation „Crossfire Hurricane“ mit voller Kraft lostreten.
Dennoch widerlegt der Horowitz-Bericht nicht die Theorie (angeblich eine Verschwörungstheorie), dass die Trump-Kampagne aus politischen Gründen ausspioniert wurde. Statt den Präsidentschaftskandidaten vor einem mutmaßlichen Spion in den eigenen Reihen zu warnen, wurden alle, einschließlich Trump selbst, verdächtigt und ausgeforscht. Um die FBI-Operation am Laufen zu halten, wurde der FISA-Prozess manipuliert. Viermal wurde die Genehmigung zur Ausspähung des mutmaßlichen Agenten Russlands (Carter Page) erwirkt, was dem FBI erlaubte, alle zu überwachen, die mit ihm zu tun hatten.
Die FBI-Leute schrieben den ersten FISA-Gerichtsantrag so lange um, bis alles, was Page entlastet hätte, unter den Tisch gefallen war. Hat das Team „Crossfire Hurricane“ wirklich die Behauptung geglaubt, Page sollte im Gegenzug für seine Dienste russische Geschäftsanteile im Wert von 10 Milliarden US Dollar erhalten?
Horowitz kann nicht erklären, warum drei Teams handverlesener FBI-Agenten über Monate hinweg existierende Regeln und Kontrollen missachteten, warum sie dem Gericht Entlastendes vorenthielten und Fakten in ihr Gegenteil verdrehten. War das Stümperei oder Absicht? Der Generalinspekteur überlässt die politische Antwort seinen Lesern. Tatsächlich war der als russischer Spion gejagte Carter Page eine von der CIA geschätzte Quelle. Der FBI-Anwalt, der das verfälschte, muss sich wahrscheinlich strafrechtlich verantworten.
Der Horowitz-Bericht dokumentiert, dass das 35-seitige „Dossier“ des ehemaligen britischen Geheimdienstagenten Christopher Steele die entscheidende Rolle im FISA-Prozess spielte. Das hatte das FBI immer bestritten, das hatten auch US-Demokraten immer bestritten und den Republikanern „Verschwörungstheorien“ unterstellt. Dem FISA-Gericht wurde vorenthalten, dass die Kampagne Hillary Clintons dieses „Dossier“ bezahlte und dass der Verfasser Trump zutiefst ablehnte. Das „Steele-Dossier“ wurde als geprüft ausgegeben, dem Autor wurde hohe Reputation bescheinigt. Nichts stimmte.
Spätestens ab Dezember 2016 oder Januar 2017 wussten die FBI-Ermittler, dass Steele für sein „Dossier“ nur eine einzige Quelle hatte, die wiederum Hörensagen und Kneipentratsch berichtete, aber selbst auch munter fabulierte. Obwohl diese Quelle dem FBI im Januar 2017 erklärte, dass Steele deren „Informationen“ nochmals „aufgehübscht“ hatte, wurde weiter so getan, als wäre das „Dossier“ das Produkt reputierlicher Arbeit. Seit Januar 2017 wusste das FBI, dass das pikanteste Detail des „Dossiers“ – die „golden showers“ – nur übles Geschwätz war. (Die Rede war von einem Sexvideo, das den künftigen Präsidenten mit Prostituierten im Moskauer „Ritz Carlton“ zeige und im Besitz des Kremls sei.)
Horowitz dokumentiert, dass das „Steele-Dossier“ entgegen öffentlichen Behauptungen vom FBI in die Geheimdienstgemeinschaft der USA eingespeist wurde. Es spielte eine Rolle für die Beurteilung dreier Geheimdienste im Januar 2017, Russland hätte versucht, die Wahlen zu Lasten Hillary Clintons zu manipulieren. Beweise dafür, was Steele behauptete, hatte niemand.
Darüber hinaus prangert der Horowitz-Bericht ein systematisches Führungsversagen im FBI an. Schwer belastet wird erneut der ehemalige FBI-Chef James Comey. In einer Senatsanhörung wurde der Untersuchungsführer ungewöhnlich direkt: Niemand, der mit der Operation „Crossfire Hurricane“ zu tun hatte, sei vom Haken.
Sein Bericht entlarvt nicht nur politische Lügen, er verdeutlicht auch ein großes Medienversagen. Nur allzu gern wurde geglaubt, dass Russland Trump durch belastendes Material in der Hand hatte, dass Trump womöglich im Sold des Kremls stand. Die allermeisten Medienvertreter nahmen das, was geheimdienstliche Quellen ihnen zuraunten, für bare Münze, behandelten das „Steele-Dossier“ wie eine Bibel und sprachen dessen Verfasser fälschlicherweise glänzende Arbeitsergebnisse zu. Glänzend war nur eins: Wie es Steele gelang, alles, was Rang und Namen hatte in Washington, mit seinen Falschinformationen zu füttern. Ohne den damaligen FBI-Chef Comey und das „Steele-Dossier“ hätte es keine Mueller-Untersuchung gegeben. So wurde das „Dossier“ als „Story des Jahrhunderts“ (Rachel Maddows) behandelt und nicht als „Warnung der Geheimdienste an Trump, sich nicht mit ihnen anzulegen“ (Richard Engel).
Steeles unmittelbarer Auftraggeber, die Firma Fusion GPS, erhielt auch nach 2016 sehr viel Geld, um weiter im Sumpf zu wühlen, immer in der Hoffnung, irgendwo den russischen Strick zu finden, den man Trump um den Hals legen könnte. Inzwischen glauben die US-Demokraten, Trump wegen der Ukrainepolitik aus dem Amt jagen zu können. Denn die Ukraine, sagte eine Zeugin im Amtsenthebungsverfahren, führe den Krieg gegen Russland, den sonst die USA führen müssten. Der entscheidende Entlastungszeuge für Trump, der Präsident der Ukraine, spielt für die Demokraten keine Rolle. Tatsächlich aber hat sich das Impeachment-Verfahren bisher nicht für sie gelohnt. Die öffentliche Meinung zieht nicht mit, die Republikaner sind geeinter denn je. Jetzt zögern die Demokraten, das Verfahren an den republikanisch dominierten Senat zu geben.
Die unablässige Suche der Demokraten nach einer Russland-Verstrickung Trumps entwickelt ihre eigene Tragik. Um den Präsidenten zu schlagen, wurde die Wiederbelebung der McCarthy-Ära gewählt. So blieben die Wahrheit und die Anliegen der Mehrheit der Wähler auf der Strecke. Der politische Diskurs wurde extrem verengt, was Trump zupass kommt. Tatsächlich verschlechterten sich unter ihm die Beziehungen der USA zu Russland weiter, die europäische Sicherheit ist gefährdeter als vor seinem Amtsantritt. Aber das wird nicht debattiert. Inzwischen zerfleischen sich Demokraten auch innerparteilich, wer alles Putins Kostgänger wäre (Tulsi Gabbard, Bernie Sanders). Die sogenannten liberalen Medien spielten und spielen mit und erhalten kräftige Schützenhilfe von ehemaligen hochrangigen Geheimdienstleuten, die gefragte Kommentatoren wurden und die Sichtweise mitbestimmen. Bis heute wird ignoriert, dass es auch strafrechtliche Untersuchungen gibt, wie das Russland-Thema gegen Trump zur Waffe wurde. Die wenigen öffentlichen Stellungnahmen des damit befassten Chefermittlers John Durham deuten darauf hin, dass er tief gräbt und fündig ist. Das könnte im kommenden Jahr 2020 zu einem bösen Erwachen für die Demokraten führen, es sei denn, ihnen gelänge ein Befreiungsschlag.