von Dieter Naumann
Urlaub auf Rügen konnte man in den 1950er/1960er Jahren auf verschiedene Weise machen. Erstens über einen Urlaubsantrag (verbunden mit einem Ausweichwunsch), der in der Feriendienstkommission eines Volkseigenen Betriebes, Kombinates oder einer Genossenschaft entschieden wurde und den begehrten Ferienscheck zur Folge hatte. Damit erhielt man auf Antrag bei der Deutschen Reichsbahn eine Ferienrückfahrkarte, die 33 1/3 Prozent Ermäßigung auf den Fahrpreis bot. Vor Ort meldete man sich mit seinem Quartierschein bei der „Zentralen Einweisung“ des Badeortes oder direkt im Quartier, bezahlte die Kurtaxe und erhielt Kurkarte und Schlüssel. Die erste Zentrale Einweisung der DDR beim FDGB-Feriendienst wurde im Februar 1966 in Sellin eingerichtet.
Der FDGB-Feriendienst soll 1947 15.000, 1948 rund 100.000 und 1949 weit über 200.000 Besucher betreut haben. In den Ostseebädern standen dafür 1947 ungefähr 450, 1948 2300 und 1949 über 5000 Ferienplätze zur Verfügung, überwiegend in Vertragsheimen.
Der FDGB-Feriendienst in Baabe verfügte einige Zeit über originelle Unterkünfte: die Schwimmbungalows des FDGB-Erholungsheims „Erwin Fischer“ auf dem Selliner See. Das waren „Bungalows auf pontonartigem Unterbau, die fest verankert auf dem Wasser schwimmen. Diese 15 schwimmenden Häuschen bestehen aus je zwei Wohnräumen, die, praktisch eingerichtet, jeweils zwei Urlauber aufnehmen. Elektrisches Licht ist vorhanden“, hieß es in einem Prospekt.
Der Aufenthalt in den Ostseebädern war an eine Aufenthaltsgenehmigung geknüpft, damit „Schieber und Schwarzhändler, die sich in vergangenen Jahren in den Ostseebädern breitmachten, aus den Bädern ferngehalten werden“. Die „Aktion Rose“ warf ihre Schatten voraus.
Zweitens über einen Antrag auf einen Platz in einem Betriebsferienheim. Um den Bau von Ferienheimen an der Ostsee wurde zwischen den Betrieben und Genossenschaften und den Ostseegemeinden oft ein regelrechter Schacher vollzogen. Gut waren die Betriebe dran, die den Gemeinden etwas bieten konnten, zum Beispiel den Bau einer Straße, eines Parkplatzes oder einer Toilettenanlage. Dafür gab es die Genehmigung, ein Stück Gemeinde-Brachland zum Urlaubsdomizil für die Betriebsangehörigen auszubauen. Hier standen dann die Bungalows, Zelte, Campingwagen, Mobilheime oder umgebauten LKW-Anhänger, aber auch mehr oder minder luxuriöse fest gebaute Gebäude.
Drittens über einen Antrag auf einen Campingplatz, der seit 1962 für sämtliche Zeltplätze im Bezirk Rostock nur noch von der „Zeltplatzvermittlung Ostseebezirk Stralsund“ entschieden wurde. Eine Familie schrieb im Juli 1960 an Bekannte: „In Glowe haben wir einen Zeltplatz bekommen, auf anderen Zeltplätzen ist alles überfüllt. Wir hatten Glück gehabt, es war der letzte Tag ohne Voranmeldung. Hier ist es auch sehr überfüllt. Unser Zelt steht 30 m von der See.“
Die Zeltplätze waren in zwei Kategorien unterteilt, wovon die erste „gute sanitäre Anlagen, Dienstleistungs- und Handelseinrichtungen usw.“ besaß und „die Möglichkeit der Einnahme warmen Mittagsessens“ bot. Hierfür war pro Tag und Person eine Deutsche Mark zu zahlen. Kategorie zwei war „mit Wasserleitung und Toiletten ausgestattet“ und kostete pro Tag und Person 0,50 DM. Auf Rügen gehörten zur Kategorie 1 die Zeltplätze von Baabe und Binz. Der größte Teil der Kapazität war für Betriebe reserviert, die hier ihre Wohnwagen aufstellten. Private Wohnwagen gab es anfangs kaum, erst in den 1970er Jahren kamen „Klappfix“-Wohnwagen in Mode. Den Campingplatz konnte man nur nutzen mit der „Campinggenehmigung“ und der „Polizeilichen Anmeldung für den Campingplatz“, die zusammen mit dem Personalausweis bei der Rezeption vorzulegen waren.
Auf dem Campingplatz des Allgemeinen Deutschen Motorsport Verbandes in Neu Mukran waren Ende der 1950er Jahre für die „Zeltplatzbenutzung je Person incl. fließend Trinkwasser, Waschkabinen, elektr. Kochen einschl. Gestellung des Kochers, Toilettenbenutzung, Badestrandbenutzung“ täglich 0,75 DM zu zahlen. Die Ausleihe von Zelten, Luftmatratzen und Kochgeschirr kostete zusätzlich Beträge zwischen 0,30 und 1,50 DM.
Größter Zeltplatz war der von Bakenberg-Nonnevitz auf Wittow mit 4750 Plätzen. Noch 1982 kritisierten Besucher, dass man sich hier in der Ostsee waschen müsse und die Toiletten unbeleuchtet seien. Der kleine Ort unternahm nach einer Meldung des Rügenschen Kreis- und Anzeigeblatts bereits 1908 erste Bemühungen, sich zum Badeort zu entwickeln: „Schon im verflossenen Sommer wurden mit verschiedenen Firmen und Gesellschaften Verhandlungen zwecks Verkaufs von Baustellen auf der dem Bauerhofsbesitzer Foge in Nonnevitz gehörigen Ackerfläche angeknüpft.“
Viertens über einen Platz in einer Jugendherberge oder einem Jugendtouristenhotel. Dazu wählte man aus einem zentralen Verzeichnis aus und stellte einen Antrag bei „Jugendtourist“, einer Einrichtung des Zentralrates der Freien Deutschen Jugend. Kinder, Schüler, Lehrlinge und Studenten zahlten für einen Jugendherbergsplatz 25 Pfennige pro Tag, die übrigen Jugendlichen 50 Pfennige. Für den Aufenthalt im Jugendtouristenhotel waren 5 Mark, für Kollektivmitglieder 3 Mark zu berappen. Für Kinder gab es die Möglichkeit, über Pionierlager oder betriebliche und gewerkschaftliche Ferienlager auch ohne die Eltern Ferien auf Rügen zu verbringen. Um 1966 gab es auf Rügen vier Jugendherbergen (Sellin, Sassnitz, Binz und Glowe) mit insgesamt 510 Plätzen. Ein Jugendherbergs-Verzeichnis von 1927 wies für Rügen Jugendherbergen in insgesamt 20 Ortschaften aus, wobei in einigen Orten mehrere Herbergen vorhanden waren, darunter auch „Hilfsherbergen“ in Scheunen, Baracken, Ställen und ähnlichen Unterkünften. Das Angebot reichte von beheizbaren Schlafzimmern und Tagesräumen bis hin zu Stroh- oder Heulagern mit oder ohne Decken.
Fünftens über eines der 1953 gegründeten Deutschen Reisebüros (ab 1963 Reisebüros der DDR). Sie vermittelten Reisen auf die Insel, hatten zahlreiche Häuser und Zimmer in den Badeorten unter Vertrag, unterhielten aber auch eigene Urlaubereinrichtungen. Am bekanntesten dürfte das Kurhaus Binz sein, das 1961 von der Nationalen Volksarmee übernommen wurde, die es zuvor als Ferienheim genutzt hatte. Bei Reisebüro-Pauschalreisen erhielt man 25 Prozent Ermäßigung auf den Fahrpreis.
Sechstens ohne Antrag in einem Privatquartier. Die üblichen „Eintrittskarten“ waren „Beziehungen“, ein ordentliches Trinkgeld oder etwas, was (auch) auf Rügen schwer zu bekommen war (Wernesgrüner oder Radeberger Pilsner, Intershop-Artikel, Holzartikel aus dem Erzgebirge). „Eure Gerda“ berichtete auf einer am 30. Juli 1951 aus Binz abgeschickten Ansichtskarte: „Vom Ostseestrand senden wir Euch herzliche Grüße. Wir wohnen bei einem Fischer, Ende des Ortes ohne W. C. Essen gut, aber mit anstehen & abends nicht ausreichend. Ansonsten erholen wir uns in Sand und Wasser & sind übermütig wie die Kinder.“
Ausgenommen bei Verpflegung in den FDGB-Heimen, „FDGB-Verpflegungsstellen“ und einigen Betriebsferienheimen musste man sich selbst versorgen, was nicht selten ein Problem, in jedem Falle aber mit Anstehen verbunden war. Insbesondere bei der Versorgung mit frischem Obst und Gemüse, aber auch mit Bier und Mineralwasser konnte es „zeitweilige Versorgungsengpässe“ geben. Nicht selten „reservierten“ die Ladenbesitzer begehrte Artikel vorrangig für Ortsansässige.
Um die kulturelle Betreuung der Badegäste kümmerte sich in den 1950er Jahren der „Deutsche Veranstaltungsdienst“ des FDGB und bot Tanzabende, Varietéveranstaltungen, Modenschauen an, aber auch einen Vortrag „Mitschurin, der Bahnbrecher im europäischen Obstbau“.
Vor allem in den Anfangsjahren der DDR konnte die Nachfrage nach Ferienplätzen auf Rügen oft nicht befriedigt werden. Vergeblich wies der Feriendienst des FDGB 1957 darauf hin, dass „anhaltend hohe Wärmegrade über 25 Grad Celsius auf die Funktion des Nervensystems, des Verdauungsapparates und auch der Luftwege einen ungünstigen Einfluß ausüben“. Eine Veränderung der Urlaubsgewohnheiten wurde damit nicht erreicht. In einer Broschüre wurde deshalb 1968 gefordert: „Noch vorhandene Baulandreserven, wie z. B. die Schaabe, werden deshalb in einer weiteren Zukunft mit vielgeschossigen Hotelhochhäusern bebaut werden müssen, während eine ein- oder zweigeschossige Bebauung nur zur Schließung von Baulücken in Frage kommt.“ Eine Horrorvision, die noch heute droht, teilweise bereits verwirklicht ist.
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