von Alfons Markuske
Gotha den Rücken gekehrt, ging es mit dem Auto weiter in Richtung Erfurt. Da liegt unweit der Drei Gleichen Wechmar am Wege, wo ein Zwischenstopp lohnt, um einen Blick auf das Stammhaus jener Familie Bach zu werfen, die den großen Johann Sebastian hervorbrachte, der 1685 in Eisenach das Licht der Welt erblickte. Mit etwas Glück kann man auch einen Blick hineinwerfen in dieses Stammhaus – wenn’s denn geöffnet hat. Was Montag, Mittwoch und Freitag leider nicht der Fall ist.
Einen Abstecher in Wechmar wert ist die gepflegte Pfarrkirche Sankt Viti – ein Rundbau mit sehr schönen Glasfenstern aus dem 19. Jahrhundert. Der Friedhof daneben birgt eine Kuriosität: das Grab von Herrmann Kerst. Der war als 20-Jähriger in den Deutsch-Französischen Krieg gezogen, in dem er am 2. September 1870 in der Schlacht von Sedan als Vizefeldwebel des 15. Thüringischen Infanterieregiments fiel. Auf sein Grab in Wechmar wurden ein Holzkreuz gesetzt und eine kleine Eiche gepflanzt. Die wuchs zu einer inzwischen fast 150-Jährigen mit entsprechendem Stammumfang heran – und zwar um das hölzerne Grabkreuz herum. Der Baum wird heute Friedenseiche genannt. Ein Ort zum Innehalten und zum Reflektieren …
Im Dorf befand sich einst auch das Stammhaus derer von Wechmar, die noch im späten 20. Jahrhundert immerhin einen bundesdeutschen Regierungssprecher mit Vornamen Rüdiger stellten – unter Kanzler Willy Brandt. Dieser von Wechmar hat sich nach der deutschen Vereinigung sehr rührig mit dafür engagiert, das arg verfallene Landhaus von Hans Adam von Studnitz wieder instand zu setzen. Letzterer war Hofmarschall im Residenzschloss Friedenstein in Gotha und lebenslanger Junggeselle. Er schuf sich 1720 in Wechmar ein Refugium, in dem man die Korken knallen lassen konnte, ohne dass es gleich bis Gotha zu hören gewesen wäre.
Die DDR-Zeit jedoch ist auch diesem Anwesen sehr schlecht bekommen. Heute hingegen kann man den Rokokosaal im Obergeschoss wieder in alter Pracht bewundern. Offizielle Öffnungszeiten hat das Haus in der Hohenkirchenstraße 13 nicht. Dort hat der Thüringer Trachtenverband seinen Sitz, dessen Chef Knut Kreuch, seit 2006 Oberbürgermeister von Gotha, vor Jahren den Mut hatte, die Ruine für einen Euro zu erwerben und dann das Abenteuer der Reanimierung in Angriff zu nehmen.
Wir drückten einfach die Klinke. Die Haustür war unverschlossen, und Eva Kowalewski, die Hüterin des Ganzen, gewährte uns nicht nur sehr freundlich Einlass, sondern führte uns auch sehr sachkundig durchs Gemäuer.
Eine Spende hernach, in eines der gut sichtbar platzierten betreffenden Behältnisse, verstand sich von selbst.
Nächster Zwischenstopp – Arnstadt. Die „Neue Kirche“ des Ortes, seit 1835 mit dem Beinamen Johann-Sebastian-Bach-Kirche versehen, wurde zwischen 1676 und 1683 als barocker Saalbau mit umlaufender, dreigeschossiger Empore errichtet. (Der Vorgängerbau, die Sankt-Bonifatius-Kirche, war 1581 abgebrannt.) 1703 stellte Johann Friedrich Wender auf der dritten Empore eine Orgel mit zwei Manualen und 21 Registern fertig, die von Bach geprüft und abgenommen wurde. Der damals erst 18-Jährige machte einen solchen Eindruck, dass er sogleich als Organist verpflichtet wurde und bis 1707 blieb. Seit 1985 sitzt Bach (in Bronze) in Arnstadt – auf dem Markt, und zwar ganz und gar nicht in Denkmalspose, sondern als entspannt-lockerer junger Mann. Geschaffen von Bernd Göbel, einem Hallenser Künstler, anlässlich von Bachs 300. Geburtstag.
Natürlich hat Arnstadt auch ein Bach-Haus, in der Kohlgasse 7. Das Haus war 45 Jahre im Besitz der Familie, wurde in unseren Tagen durch engagierte Bürger vor dem Abriss gerettet und ist insofern ein Solitär, als in keiner anderen Stadt noch irgendein Haus erhalten ist, in dem Bach ein- und ausging.
Weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt geworden ist die Puppenstubenwelt „Mon plaisir“ im Schlossmuseum von Arnstadt. Geschaffen von der Fürstin Auguste Dorothea von Schwarzburg-Arnstadt waren diese repräsentativen Kunstkammerobjekte zwar nie wirklich zum Spielen gedacht, aber als bühnengleiche Abbilder verschiedener Lebenswelten in einer kleinen spätbarocken Residenzstadt sind sie für Liebhaber eine Augenweide. Wer jedoch gleich uns an einem Montag dort aufschlägt, ist gut beraten, schon früher an einem anderen Wochentage einmal dort gewesen zu sein, denn Montag ist – Schließtag!
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt: Ebenfalls in Arnstadt war natürlich auch Luther. 1506 im Franziskanerkloster der Oberkirche des Ortes. Als junger Mönch, von dem noch niemand ahnte, dass er elf Jahre später die katholische Welt aus den Angeln heben würde.
Wir nahmen nunmehr endgültig Kurs auf die thüringische Landeshauptstadt Erfurt.
Wird fortgesetzt.