22. Jahrgang | Nummer 8 | 15. April 2019

Fontane-Spurensuche mit Überraschungen

von Manfred Orlick

Spötter sagen „Goethe war überall“. Jedenfalls stolpert man allerorten über seinen Namen, zumindest wenn man in Thüringen unterwegs ist. Für unzählige Plätze, Straßen, Schulen, Wanderwege oder Parkanlagen musste er als Namensgeber herhalten. Ist man dagegen in Brandenburg oder Berlin auf Achse, kommt man an Theodor Fontane nicht vorbei.
Im Fontane-Jubiläumsjahr hat sich Roland Lampe auf die Spurensuche nach dem märkischen Dichter im Brandenburger und Berliner Alltag gemacht, mit einer überraschenden Vielzahl von Entdeckungen, die sogar den Geheimrat in den Schatten stellt. Zur Übersicht hat er seine „Fontane-Funde“ in verschiedene Kapitel unterteilt. Den Auftakt machen „Straßen und Plätze“. Wer sich durch Brandenburg oder Berlin bewegt, wird unweigerlich durch eine Fontanestraße fahren oder einen Fontane-Platz überqueren. Sei es in seiner Geburtsstadt Neuruppin, in Prenzlau, Angermünde, Strausberg oder Rathenow. Selbst Orte wie Hennigsdorf, die Fontane vermutlich nie betreten hat, schmücken sich mit einer Fontane-Straße.
Nicht weniger zahlreich sind Schulen, Buchhandlungen, Gaststätten, Hotels, Pensionen, Einkaufszentren oder einfach ein Imbiss, die Fontanes Namen tragen. Selbst Kindertagesstätten oder Seniorenpflegeheime bedienten sich des berühmten Namens. Da macht die Benennung einer Apotheke schon etwas mehr Sinn; hatte Fontane doch, bevor er Schriftsteller wurde, mit dem des Apothekers einen „richtigen“ Beruf erlernt. So gibt es Fontane-Apotheken wie Sand in der märkischen Heide. Wie viele es wirklich sind, konnte selbst der eifrige Autor nicht ausfindig machen.
Zu Lebzeiten wurde Fontane nicht gerade mit Ehrungen überhäuft und was die Auflagen seiner Bücher betraf, so erzielte er erst mit seinen späten Romanen Achtungserfolge. Erst im 20. Jahrhundert wurde er wiederentdeckt und Denkmäler, Büsten, Brunnen und Tafeln schossen wie Pilze aus der Erde. Dazu kamen Preise, Auszeichnungen, Freundeskreise und wissenschaftliche Einrichtungen, die seitdem seinen Namen tragen. Natürlich hat auch die Tourismusbranche den Dichter entdeckt – mit namensgebenden Wanderwegen oder Ausflugschiffen.
Doch damit ist die Fontane-Okkupation längst nicht ausgeschöpft – so erhielt 2003 eine neue Fischart aus dem Großen Stechlinsee den Namen Fontanemaräne, die in verschiedenen Gaststätten auch auf der Speisekarte steht. Lampe beschließt seine Erkundungen mit dem Fontane-Familien-Grab auf dem Friedhof II der Französisch-Reformierten Gemeinde an der Liesenstraße in Berlin. In unmittelbarer Nähe des Grabes gibt es eine Bank, auf der man ausruhen, nachdenken und Zwiesprache halten kann … und oh Wunder … die Bank hat noch keinen Namen.
Mit zahlreichen eigenen Farbfotos hat Lampe das Sammelsurium seiner Fontane-Fundstücke festgehalten und die Reiseberichte mit vielen biografischen Fakten gespickt. Anregungen zur persönlichen Fontane-Entdeckung gibt es also zuhauf. Vielleicht spürt man etwas bisher völlig Unbekanntes auf. Als Hallenser werde ich allerdings gleich vor der Haustür fündig – schließlich gibt es in der Saalestadt eine Fontanestraße. Nicht in einem gründerzeitlichen Stadtviertel – dessen Straßen blieben Goethe, Schiller, Lessing & Co. vorbehalten. Nein, die Fontanestraße im Stadtteil Halle-Neustadt säumen Wohnblöcke aus DDR-Zeiten.

Roland Lampe: Fontane allerorten – Eine Spurensuche in Berlin und Brandenburg, Verlag für Berlin-Brandenburg, Berlin 2019, 120 Seiten, 12,00 Euro.