22. Jahrgang | Nummer 1 | 7. Januar 2019

Antworten

Amos Oz, nunmehr fehlende Stimme der Vernunft – „Ich sehe Menschen, die viel Mühe darauf verwenden, mehr Geld zu verdienen, als sie brauchen. Die sich Dinge kaufen, die sie nicht wirklich haben wollen, um Menschen zu beeindrucken, die sie nicht mögen“, haben Sie Ihre Wahrnehmungen einst gebündelt. Nun hat sich daran bislang kaum etwas verändert, jedenfalls sofern man in der Ersten Welt lebt und dort nicht zu den Unterprivilegierten gehört. Als prägnante Zustandsbeschreibung des manipulierten Menschen hin zum Konsumenten als dessen Daseins-Bestimmung werden Ihre Worte wohl leider noch lange Gültigkeit haben.

Xi Jinping, Präsident Chinas – In einer Rede in der Großen Halle des Volkes in Peking haben Sie laut Xinhua erklärt, eine friedliche Wiedervereinigung mit Taiwan erreichen zu wollen, allerdings auch „keinen Raum für separatistische Aktivitäten“ lassen zu wollen. „Wir geben kein Versprechen ab, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten, und behalten uns die Möglichkeit vor, alle erforderlichen Mittel zu ergreifen“, haben Sie ihre Friedensbotschaft gekrönt. Wir sind beruhigt, dass Sie auch im Fernen Osten keine Langeweile aufkommen lassen werden.

Prokopis Pavlopoulos, griechischer Staatspräsident – Zum Dank dafür, dass sie Dutzenden Griechen, die vor den verheerenden Waldbränden des Vorjahrs ins Mittelmeer geflüchtet waren, das Leben retteten, haben Sie drei Migranten spontan eingebürgert. Anders als jene Kommentatoren, die das lediglich als populistische Geste qualifizieren, vermögen wir an einem solchen humanitären Ausnahme-Akt nichts auszusetzen. Was allerdings bleibt, ist das Dilemma, dass die Bemühungen derjenigen nichtstaatlichen Kräfte wiederum als Straftaten kriminalisiert werden, die ihrerseits im Mittelmeer treibende Flüchtlinge zu retten bemüht sind. Allein 2018 jedenfalls sind laut UNO-Statistik zweitausendzweihundertundzweiundsechzig (in Zahlen: 2262) Flüchtlinge bei ihrem Versuch ertrunken, Europa per Boot zu erreichen . . .

Donald Trump, kein Wiedergänger Münchhausens – Kurz vor der Frohen Botschaft, nämlich am 23. Dezember, erreichte uns via Washington Post diese: Während Ihrer bis dahin erst 700 Tage währenden Amtszeit seien 7546 Ihrer Aussagen entweder irreführend oder schlichtweg falsch gewesen.
Nicht dass US-Präsidenten nicht auch schon vor Ihnen gelogen hätten wie gedruckt. Der 37. von denen trat nicht zuletzt deswegen zurück. Aber bei keinem von denen wäre irgendjemand auf die Idee gekommen, minutiös mitzuzählen.
Dazu provozierte erst das schier ubiquitäre Vorkommen von Halbwahrheiten, Fake News und glatten Lügen in allem, was Sie äußern. Sie dürften sich damit nachdrücklich zum künftigen Paradebeispiel für die praktische Erläuterung des zweiten Grundgesetzes der Engelsschen Dialektik empfohlen haben, in dem vom Umschlag der Quantität in eine andere Qualität die Rede ist.
Im Vergleich zu Ihnen war Münchhausen jedenfalls die inkarnierte Wahrhaftigkeit.

Donald Trump zum Zweiten, Präsidentendarsteller – Mit schwer zu übertreffender Offenherzigkeit haben Sie wieder einmal „Klarsprech“ geleistet. Am Rande einer Kabinettsitzung haben Sie vor Journalisten im Weißen Haus erklärt: „Europa ist mir egal. Ich bin nicht von Europäern gewählt, sondern von Amerikanern.“ Und: „Wenn ich in Europa beliebt wäre, würde ich meine Arbeit nicht machen.“ Dass Sie verbergen würden, mit wem man es bei Ihnen zu tun hat, kann man Ihnen ganz gewiss nicht vorwerfen. Und die zumindest in den USA noch immer obwaltenden Zustimmungsraten für Ihr Tun und Lassen belegen auch wieder einmal die Erfahrung: Ist der Ruf erst ruiniert, regiert es sich ganz ungeniert.

Ursula von der Leyen, beratungsaffine – Gleich einem Füllhorn für die Gesegneten schüttet Ihr Haus bis zu 150 Millionen Euro jährlich nur für Berater aus. Das ist einem Bericht des Bundesrechnungshofes zu entnehmen. Doch es heißt ja: „If you think it’s expensive to hire a professional to do the job, wait until you hire an amateur.“ Da sind wir aber froh, dass Ihr Haus ausschließlich ausgewiesene Fachleute anheuert!

Harald Martenstein, immer mindestens einen Finger in irgendeiner Wunde – Vor einiger Zeit säte der frühere Tennis-Crack Wind, als er sagte, dass seine Kollegin Serena Williams die beste Spielerin aller Zeiten sei, bei den Männern aber nur so was wie die Nummer 700, und erntete einen Shitstorm. Ihre Auffassung dazu formulierten Sie so: „Wenn Frauen und Männer im Sport ungefähr gleich gut sind, könnte man natürlich die unterschiedlichen Ligen abschaffen, man könnte im Schwergewicht Boxerinnen und Boxer gegeneinander antreten lassen. Aber das werden sie nicht machen, weil im Grunde jeder weiß, dass es irre wäre und im Boxen sogar lebensgefährlich. Jeder weiß es. Aber wenn du es sagst, kriegst du Ärger. Diese Gesellschaft hat einen Dachschaden, und es regnet in die Gehirne.“ Angesichts der allgemeinen Verbreitung des Phänomens ist zu befürchten, dass letztere in den betreffenden Kreisen schon weitgehend unter Wasser stehen …

Wolfram Cremer, Professor für Öffentliches Recht und Europarecht an der Ruhr-Universität Bochum – Die Tatsache, dass die November-Briefe des Kraftfahrzeug-Bundesamtes an Halter durch Hersteller-Betrug in Verschiss geratener Diesel zwecks Umtauschempfehlung nur drei deutsche Automobilhersteller erwähne und ausschließlich diese als Ansprechpartner ausweise, kollidiere mit europäischem und deutschem Recht, lautet das Fazit, das Sie in ein einem Gutachten ziehen. Demnach, so gibt Sie die Welt wieder, verstößt das KBA-Schreiben gegen Europarecht, weil die Nichtnennung von Umtauschaktionen der anderen Hersteller aus der EU diskriminierend sei und damit den Regeln der Warenverkehrsfreiheit entgegenstehe. Gleiches gelte, weil das Schreiben nicht die zweite Möglichkeit für Dieselhalter nenne: nämlich die Autos nachrüsten zu lassen. Das diskriminiere die Hersteller entsprechender Katalysatoren.
Wir können da nur perplex staunen – denn darauf wären wir ohne ein akademisches Gutachten nie gekommen. Nun ist über die Kosten dieses Gutachtens nichts verlautbart worden. Trotzdem: Wie gut, dass wir außer Politbeamten noch Gelehrte haben.