von Erhard Weinholz
Orden und Ehrenzeichen gab es in der DDR zuhauf; zuletzt wurde noch der Ehrentitel Held der DDR kreiert. Marschall der DDR, Held der DDR, das kam mir damals vor wie das Gehabe eines kleinen Fürsten, der Versailles kopiert. Jetzt gibt es als Verdienstorden auf Bundesebene nur noch das Bundesverdienstkreuz in seinen schwer zu überschauenden acht oder neun Stufen, die sich in den oberen Klassen zudem äußerlich kaum unterscheiden. Man kann so einer ausgezeichneten Persönlichkeit ja nicht an den Orden fassen und sagen: Ach, zeijense ma, wat hammensen da für ne Stufe? Also: Neue Orden braucht das Land. Vielleicht sogar solche ganz neuer Art. Muss man denn immer nur diejenigen dekorieren, die ohnehin schon Erfolg haben? Der tragikumwitterte Ehrentitel Kämpfer auf verlorenem Posten wird manchen sicherlich ebenso willkommen sein wie der Orden für vergebliche Bemühungen in vier Klassen: für beharrliche, bemerkenswerte, bedeutende und schließlich für bahnbrechende Bemühungen dieser Art. Es ist allerdings nicht so leicht zu erkennen, welche Bemühungen tatsächlich vergebens sind; das Bundespräsidialamt würde sich wohl oder übel mit Grundfragen unseres Seins befassen müssen.
Partnervermittlung ist ein mühsames und anscheinend nicht in jedem Falle einträgliches Geschäft. Vor ein paar Wochen habe ich in einem Bauschuttcontainer vier prall gefüllte Aktenordner gefunden: die Materialien eines solchen Vermittlungsunternehmens und allerlei aus der Privatökonomie seines Betreibers, zumeist Konto-Auszüge, alles aus den letztvergangenen neunziger Jahren. Genau zu erkennen war allerdings nicht, welche Rolle Karl-Heinz K. und seine polnische Ehefrau in diesem Unternehmen gespielt haben. Auf alle Fälle wurden in Osteuropa, vor allem in Polen, mehrmals Annoncen aufgegeben, in denen ein gut aussehender Geschäftsmann, 34/1,88, eine Ehefrau sucht.
Es kamen im Laufe der Zeit an die zweihundert Zuschriften, fast alle mit beigelegtem Foto: Viel Lächeln ist zu sehen, viel schicke Kleidung, manchmal ein Kind, manchmal ein Auto. Die meisten der Frauen sind um die 30; erfüllt haben werden sich wohl nur die wenigstens ihrer Träume. Denn im Prospekt einer ähnlichen Firma, der in einem der Ordner gleich vorn eingeheftet war, heißt es, die treuen, sparsamen und bescheidenen Damen aus Osteuropa seien sogar für Männer zu haben, die weder reich noch schön sind. Reich geworden sind auch Karl-Heinz K. und seine Frau mit diesem Unternehmen nicht: 1996 standen sie, beide vorzeitig berentet, bei den Banken mit gut einem halben Jahreseinkommen in der Kreide. Überweisungsaufträge werden nicht ausgeführt, die Telekom droht mehrmals mit Kündigung, die Strafzinsen sind enorm. Trotz alledem haben sie sich 1996 beim extra-Markt zum Weihnachtsfest für nicht ganz 60 DM ein bisschen was geleistet: Wermutwein, Likör, Schokolade, einiges an Fleisch, statt Butter allerdings nur Margarine. Und die Moral von der Geschicht’? Ist mir jedenfalls nicht deutlich geworden.
Quatsch aus der Presse habe ich neulich auf den letzten Seiten eines Buches gelesen, das im führenden österreichischen Literaturverlag, dem Salzburger Residenz-Verlag, erschienen ist. Mit Auszügen aus Rezensionen wird dort für X. Y.s Roman Der ABler geworben: Das Buch eigne sich gut als Einstiegsdroge in X. Y.s Werk; es festige, so ein anderer Rezensent, ihren Ruf als erstrangige Prosa-Autorin und übertreffe ihn; es zeige, wie es in einer dritten Besprechung heißt, mit bösem Humor und großem Tempo […], wie der Stoffwechsel der Gesellschaft funktioniert und wie auch Geschichte und Geschichten zum Stoff werden. Geschichte wird zum Stoff – darauf muss man erst einmal kommen. Und wo ist das alles erschienen, im Zillertaler Echo, in der Allgäuer Käsezeitung, im St.-Blödians-Blatt? Nein, in der FAZ, der Welt und der NZZ. In sogenannten Qualitätszeitungen also. Doch ob das von Kulturverfall zeugt, ist nicht so ohne weiteres zu sagen; vielleicht waren sie früher auch nicht besser.
Rache des Ostens: Westler veräppeln, DDR-Gräuelmärchen erzählen – mal sehen, was die so alles schlucken. Zum Beispiel: Bahnreisen, die über den Heimatbezirk hinausführten, waren bei der Polizei zu beantragen, in doppelter Ausfertigung und mit Lichtbild (das andere Exemplar ging ans MfS). Wer in den Westen reisen wollte, musste bei der Stasi eine Gewissensprüfung absolvieren und siebenhundertzwanzig Fragen in einer Stunde durch Ankreuzen beantworten. Wenn man Pech hatte, wurde man gleich dabehalten. Richtig beerdigt, auch das sollten wir nicht vergessen, hat man in der DDR nur Funktionäre und Parteiveteranen; alle anderen wurden in leere Zementsäcke gesteckt und der Müllverbrennung zugeführt. Und wovon hat man gelebt in diesem Lande? „Von Abfälle, Abfälle vonne Russenkaserne. Bloß de Kommenisten, die hamm wat Besseres jekricht. Bei uns in Kleen-Pampelsdorf hatten wa ja ooch zwee von die Sorte: Der eene hat in Knast jesessn, und der andere konnt nich lesen und nich schreim. Dit warn de Kommenisten bei uns!“ Gerhard Löwenthal (ZDF): Tja, meine sehr geehrten Damen und Herren, so ging es zu im … höhöhö … ersten deutschen Arbeiter- und Bauern-Paradies!
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