21. Jahrgang | Nummer 19 | 10. September 2018

US Space Force – Einstieg in den Rüstungswettlauf im All?

von Jerry Sommer

Donald Trump setzt auf militärische Stärke – auch im All. Der US-Präsident möchte eine eigenständige Teilstreitkraft für den Weltraum bilden – eine Space Force. Diese soll den anderen fünf US-Teilstreitkräften – der Luftwaffe, dem Heer, der Marine, dem Marinecorps und der Küstenwache – gleichgestellt werden. Das Ziel hat Trump erklärt: „Es reicht nicht, über eine bloße amerikanische Präsenz im Weltraum zu verfügen, wir müssen eine amerikanische Vorherrschaft im All haben.“ Für den Trump-Vorstoß spielen auch persönliche Motive eine Rolle, glaubt der Rüstungsexperte Michael O’Hanlon von der Washingtoner Denkfabrik Brookings Institution: „Alle Präsidenten haben einen Hang zur Eitelkeit – und Präsident Trump vielleicht noch mehr als andere. Die Gründung einer neuen militärischen Teilstreitkraft mit seiner Präsidentschaft zu assoziieren, ist sicher sehr verlockend“.
Schon heute sind die USA im Weltraum dominant. Zurzeit beschäftigen sich allerdings 60 verschiedene Kommandostellen und Einrichtungen des US-Militärs mit dem Weltraum. Einige sind bei der US Army und der US Navy angesiedelt, andere bei den US-Geheimdiensten. Doch der überwiegende Teil gehört zur US Air Force. Bei ihr sind allein 36.000 Personen für den Bereich Weltraum zuständig – bei der US Army hingegen nur etwa 4000.
Schon seit längerem sind im US-Kongress viele Republikaner und Demokraten unzufrieden mit der gegenwärtigen Organisation der militärischen Weltraumaktivitäten des Landes. Einige haben sich deshalb – wie Trump – für eine eigenständige US Space Force eingesetzt. „Sie argumentieren, dass der Weltraum in einer so großen Organisation wie der Luftwaffe nur ein Nischendasein führt. Und dass das durch eine eigenständige Welttraum-Streitkraft überwunden werden kann,“ so O’Hanlon.
Weitgehende Übereinstimmung herrscht in den USA darüber, dass mehr getan werden müsse, um den technologischen Fortschritten von potenziellen Gegnern wie Russland und China im Weltraum etwas entgegenzusetzen. Moskau und Peking verfügten schon seit langem über Raketen, mit denen sie US-Satelliten abschießen könnten. Neue Bedrohungen seien hinzugekommen, heißt es in Washington, auf die man reagieren müsse: Elektronische Störmanöver, Laserwaffen, manövrierbare Satelliten und anderes würden von Russland und China entwickelt.
Allerdings: Solche Waffen besitzen die USA schon seit langem. Mit einer seegestützten Raketenabwehrwaffe haben die USA schon vor einiger Zeit einen eigenen Satelliten abgeschossen. Der US-Kongress hat sich dieses Jahr zudem dafür ausgesprochen, bis 2022 Anti-Raketenwaffen zu entwickeln, die im Weltraum stationiert werden sollen. Mit diesen können ebenfalls Satelliten bekämpft werden. Die USA sind auch technisch in der Lage, Satelliten durch sogenanntes Jamming elektronisch zu stören und damit funktionsunfähig zu machen. Außerdem betreibt das Land offenbar mehrere geheime Weltraumprojekte. Eines davon beschreibt Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik: „Es gibt einen kleinen Mini-Space-Shuttle der USA X-37B, der ab und zu von der Luftwaffe in den Weltraum gebracht wird und dem man nachsagt, dass er an Satelliten heranmanövrieren kann. Was er dann da macht, wissen wir nicht“.
Nach anfänglichen Vorbehalten hat sich auch das Pentagon inzwischen für eigenständige Weltraum-Streitkräfte ausgesprochen. Es hat entschieden, noch dieses Jahr ein vereinigtes Weltraum-Kommando aufzustellen – etwa vergleichbar mit solchen Regionalkommandos wie dem für Europa (EUCOM) oder für Afrika (AFRICOM). Im neuen Weltraum-Kommando sollen die bisherigen Weltraumeinheiten der Teilstreitkräfte zusammengefasst werden – ob allerdings alle oder nur ein Teil von diesen, ist noch offen. Die US-Regierung will jedoch ab 2019 jährlich nur die vergleichsweise kleine Summe von zwei Milliarden Dollar zusätzlich für dieses neue Kommando beantragen.
Die Entscheidung über Trumps Vorhaben liegt letzten Endes aber beim Kongress. Und dort gibt es ebenfalls Widerstand – genauso wie in der Luftwaffe und bei Experten. Der Hauptkritikpunkt: Die Umorganisation werde unnötigerweise zu bürokratischen Grabenkämpfen führen sowie Arbeitskraft, Zeit und Geld vergeuden. Das könne vermieden werden, wenn die militärischen Weltraumaktivitäten im Verantwortungsbereich der Luftwaffe blieben. Bisher gibt es nämlich ein Weltraumkommando als Unterabteilung innerhalb der US Air Force.
Sicherheitsexperte O’Hanlon befürwortet zwar, dass die USA stärker als bisher militärisch auf die wachsenden Anti-Satellitenfähigkeiten Russlands und Chinas reagieren, doch aus militärischen Gründen ist er gegen eine eigenständige Weltraum-Teilstreitkraft: „Unter Kriegsbedingungen werden Satelliten immer gefährdet sein. Deshalb braucht man verschiedene Alternativen – vor allem auf Flugzeugen und anderen luftgestützten Systemen, um die Aufklärung, Kommunikation und anderes gewährleisten zu können. Das spricht für mehr Integration statt einer Trennung der Weltraum- und der Luftraumaktivitäten.“
Die Debatte in den USA konzentriert sich gegenwärtig auf die Frage der Organisation der militärischen Fähigkeiten und Aktivitäten im Weltraum. Das Ziel wird relativ allgemein mit „Dominanz“ beschrieben. Aber mit welchen militärischen Mitteln diese erreicht werden soll, wird nicht definiert. Die Gefahr besteht, dass die USA als erstes Land Waffen im Weltraum stationieren. Götz Neuneck warnt vor den wahrscheinlichen Folgen: „Die außenpolitischen Probleme sind natürlich, dass, angesichts dieser massiven Rhetorik von Trump, Russland und China auch argumentieren werden; wir wollen […] so etwas haben.“ Die Gefahr eines Wettrüstens im All werde größer.
Der russische Präsident Putin hat dem US-Präsidenten bei dem jüngsten Gipfel in Helsinki vorgeschlagen, Gespräche über die Nicht-Stationierung von Waffen im Weltraum zu beginnen. Schon vor Jahren haben Russland und China gemeinsam in den Vereinten Nationen einen entsprechenden Vertragsentwurf eingebracht. Zwei Drittel der UN-Mitgliedsstaaten befürworten solch einen Vertrag. Doch die US-Regierungen verweigerten sich bisher jeglichen Verhandlungen. Laura Grego von der rüstungskritischen US-Wissenschaftler-Organisation Union of Concerned Scientists fordert, dass die USA endlich eigene Rüstungskontrollvorschläge auf den Tisch legen: „Das wäre in unserem eigenen Interesse. Denn diejenigen, die sagen: ‚Wir wollen unsere militärische Handlungsfreiheit nicht einschränken.‘ – die irren sich. Wenn man keinerlei Begrenzungen vereinbart, wird der Weltraum durch die Stationierung von Waffen zunehmend militarisiert. Und dadurch wird unsere Handlungsfreiheit noch mehr eingeschränkt werden.“
Sicherheit im All könne nicht mit militärischen Mitteln erreicht werden, sondern nur durch internationale Abkommen, betont Grego weiter. Sie tritt für ein Verbot von Waffensystemen im Weltraum ein, die Satelliten bedrohen. Ein solches Verbot sei auch überprüfbar. Sie schlägt außerdem vor, einen Mindestabstand zu Satelliten anderer Staaten zu vereinbaren.
Doch solche Rüstungskontrollüberlegungen spielen in der aktuellen Debatte um das Space-Force-Projekt von Präsident Trump bisher keine Rolle. Die gegenwärtige Diskussion gibt vielmehr denjenigen Rückenwind, die eine Stationierung von US-Waffen im Weltraum befürworten.
Die EU-Staaten halten sich bisher zurück. Dabei sollten sie ebenfalls Position beziehen. Denn eine friedliche Nutzung des Weltraums sei auch in ihrem Interesse, sagt Götz Neuneck. „Es wäre ein Schritt vorwärts, wenn die EU ein neues Konzept für eine europäische Weltraumpolitik erarbeitet, die mehr oder weniger klar die Aussage macht: Wir wollen basierend auf dem Weltraumvertrag von 1967 keine Waffen im Weltraum haben, und wir treten dafür ein, dass es ein internationales Verbot gibt und damit auch die internationale Stabilität gestärkt wird.“
Sicher scheint, dass die Weltraumaktivitäten des Pentagon umorganisiert werden. Ob am Ende allerdings die von Donald Trump angekündigte eigenständige Weltraum-Teilstreitkraft stehen wird und ob US- Waffensysteme im Weltraum stationiert werden – das ist noch keineswegs sicher.

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag des Autors für die Senderreihe „Streitkräfte und Strategien“ (NDR-Info, 25.8.2018).