21. Jahrgang | Nummer 20 | 24. September 2018

Antworten

Kevin Kühnert, Juso-Chef – Ihrem Tweet über den „Sturz“ Hans-Georg Maaßens treppauf war zunächst kaum etwas hinzuzufügen: „Ich war heute 11 Stunden in Chemnitz. Zuhören, AntifaschistInnen den Rücken stärken, die letzten Wochen besser verstehen. Nach diesem Tag ist mein Verständnis für das, was zeitgleich in Berlin passiert ist, bei unter Null. Ich finde es rational nicht mehr erklärbar. Wahnsinn.“ Nicht nur Sie waren fassungslos. Mit Lichtgeschwindigkeit verbreitete sich Sarkasmus im Netz und im Lande: „Noch zwei Fehltritte und Maaßen ist Bundeskanzler.“ Ihre Parteivorsitzende sah ihren Fehler widerstrebend ein. Welche Folgen diese Einsicht hatte, war bei Redaktionsschluss noch nicht abzusehen.

Herta Müller, diktaturerfahrene Literaturnobelpreisträgerin – In einem Gespräch mit der Märkischen Allgemeinen Zeitung nach Ihrer Meinung zum Vokabular der Rechtsxtremen – „Lügenpesse“… – befragt, platzte Ihnen der Kragen: „Diese Vokabular ist schäbig, grenzenlos infam und traurig. Ich hoffe, es läuft sich tot. Ich hoffe, dass diese Hetzer mit ihren Ansichten so einen Überdruss erzeugen, dass man sie nicht mehr zur Kenntnis nimmt, dass sie müde werden und aufgeben.“ Die Hoffnung ist das eine, Ihr Rat an die Medien das andere: „Wir sollten nicht ständig über die reden. Es wird proportional zu viel über sie geredet. Für die gibt es kein Gut und Böse, für die ist nur wichtig, dass über sie gesprochen wird. Selbst, wenn sie kritisiert werden, profitieren sie ja davon. Das ist das Erfolgsprinzip von Herrn Gauland, das ist schäbig.“ Verehrte Herta Müller, auch wir fühlen uns angesprochen… Danke!

Götz Aly, Preisgekrönter – Man muss in dieser Rubrik schon einige Jährchen zurückblättern, um ein Beispiel dafür zu finden, dass wir mit Ihnen mal nicht auf gleicher Welle lagen. Was aber auch damals unserer Wertschätzung für Sie als streitbaren Zeitgenossen, der, wo immer nötig, gegen den Strich bürstet, keinen Abbruch tat. Am 19. November werden Sie den Geschwister-Scholl-Preis in Empfang nehmen. Dotiert mit 10.000 Euro, wird er gemeinsam vergeben vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels – Landesverband Bayern und der Stadt München. Geehrt wird damit jährlich ein Buch, „das von geistiger Unabhängigkeit zeugt und geeignet ist, bürgerliche Freiheit, moralischen, intellektuellen und ästhetischen Mut zu fördern und dem verantwortlichen Gegenwartsbewusstsein wichtige Impulse zu geben“. In Ihrem Fall geht es um Ihren 2017 erschienenen Titel „Europa gegen die Juden: 1880 – 1945“.
Wir gratulieren der Jury zu ihrer Preisträgerfindung, aus vollem Herzen aber vor allem Ihnen zu dieser höchst angemessenen Ehrung.

Burghart Klaußner, hoch geschätzter Mime („Das weiße Band“) – Als nunmehr auch frisch gebackener Romancier haben Sie sogleich eine Erfahrung weitergegeben und zwar – damit Missverständnisse erst gar nicht aufkommen – in Gestalt einer Handlungsanweisung: „Also Leute, schreibt!“ Zögerliche „Warum um Gottes Willen denn das nun auch noch?“-Frager beschieden Sie ebenso knapp: „Weil es euch wach macht.“
Da sprechen Sie uns aus dem Herzen. Und wenn gar noch das Lesen hinzutritt, mit dem von Carl Larsson formulierten Kollateralschaden („Wenn man alles gelesen und alles wieder vergessen hat – was dann übrigbleibt, das ist Bildung.“), ist Polen (hier als Metapher für alle Länder mit signifikantem Aufploppen der Rechtskonservativen und der rechts davon lautstark Krakelenden) vielleicht doch noch nicht gänzlich verloren.

Burkard Dregger, Berliner CDU-Grande – Nimmt man Sie medial wahr, machten Sie bislang eigentlich einen angenehm sachlichen und unprätentiösen Eindruck, was für Funktionsträger egal welcher Partei keineswegs selbstverständlich ist. Nun aber haben auch Sie das Wasser nicht halten können: „Wir könnten die Landesregierung sofort übernehmen“, haben Sie in einem Zeitungsinterview forsch erklärt. „Wir könnten jeden einzelnen Senatsposten doppelt besetzen, und zwar deutlich besser als jetzt.“ Betrachtet man allerdings das von Ihnen verantwortete Desaster bei der jüngsten Fraktionsvorstandswahl –Spitzenleute Ihrer Partei sprachen von „vielen Schwerverletzten“ –, sind das reichlich ambitionierte Aussagen, mit denen Sie offenbar die übliche Rolle eines Politlautsprechers übernommen haben. Same procedure as in every party…

Verwaltungsgerichte in Köln und Aachen, Spätkarnevalisten – Sie haben eine Beschwerde gegen die Räumung des Hambacher Forstes zurückgewiesen, in dem sich Aktivisten gegen dessen Abbaggerung durch den Energiekonzern RWE auch mittels Besetzungsaktionen zu wehren versuchten. Urdeutsch sind die Begründungen Ihrer Amtsentscheidungen: Für die rund 50 Baumhäuser der Protestler fehlten Baugenehmigungen, zudem mangele es an Brandschutz! In gewissem Sinne macht Ihre Gesetzestreue Mut, rücken Sie doch das Verbot der Kriegführung in den Bereich der Wahrscheinlichkeit, denn wer sollte in solchem Falle den Brandschutz gewährleisten.

Weltgesundheitsorganisation, entlarvende – Mitleidlos schlagen Sie Russland-Verächtern ein traditionelles Beweismittel für die kulturelle Unterlegenheit der Russen aus der Hand, indem Sie statistisch belegen, dass in Deutschland mit 11 Litern reinen Alkohols pro Kopf aller über 15-Jährigen mehr gesoffen wird als eben in Russland, wo man „nur” noch auf 10,1 Liter kommt, und dies bei abnehmender Tendenz. Aufatmen lässt einen hierzulande, dass die Germanen mit ihrem Wert wenigstens kein Spitzenreiter der europäischen Trinker-Liga sind; Litauen weiß das mit 15,2 Litern zu verhindern; aber noch ist auch alkoholisch nicht aller Tage Abend.

Marcelo, brasilianischer Superkicker – Nun bestätigen auch Sie die Richtigkeit jenes Klischees, dass Reiche einfach nicht genug kriegen können und in ihrer Gier ohne jede Not – im Gegenteil! – lieber kriminell werden, als auf nur einen Cent an möglichem Profit zu verzichten. Wie ihr bisheriger Kollege bei Real Madrid Christiano Ronaldo, wie Lionel Messi von Barca oder Ex-Real-Trainer José Mourinho sind Sie wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig zu einer Haftstrafe verurteilt worden, auf Bewährung selbstredend, denn sonst könnten Sie ja nicht weiter exorbitant verdienen. Den an den Fiskus zurückzuzahlenden Betrag begleichen Leute wie Sie mit Sicherheit aus der Portokasse.