21. Jahrgang | Nummer 17 | 13. August 2018

Antworten

Christian Hacke, laut Welt am Sonntag „einer der renommiertesten Politikwissenschaftler der Bundesrepublik“ – Jetzt also auch Sie: Deutschland müsse Kernwaffenmacht werden! Angesichts der spastischen Sicherheitspolitik Donald Trumps und seiner Attitüde, die Bundesrepublik als „Intimfeind Nummer eins“ zu behandeln, sowie aufgrund weiterer sicherheitspolitischer Imponderabilien befanden Sie: „Deutschland kann sich im Extremfall nur auf sich selbst verlassen.“ Dazu ein Argument, das wir so noch nicht gehört haben: „Auch der Ausstieg aus der Atomenergie“ habe „Moral, gesellschaftspolitische Verankerung und Verteidigungsfähigkeit der Streitkräfte nachhaltig geschwächt“. Es „droht Deutschland im Nuklearzeitalter des 21. Jahrhunderts Schutzlosigkeit“. Doch Sie sind nicht nur Diagnostiker, sondern auch Therapeut, denn Sie wissen Abhilfe: deutsche Atomwaffen! Dann wäre auch die Krim nicht annektiert worden. Und im „Übrigen würde eine neue demokratische Nuklearmacht Deutschland die Sicherheit des Westens stärken“. Wow!
Zu den Gründen, die gegen solche sicherheitspolitischen Kopfgeburten sprechen, ist auch dieses Magazin schon ausführlich geworden – siehe etwa Ausgabe 2/2017. Nun hat sich dankenswerterweise der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, den Kritikern angeschlossen – unter anderem mit folgenden Bemerkungen: „Es gibt Züge beim Schachspiel, durch die man sich – unfreiwillig – selbst schachmatt setzt. Eine Debatte über eine deutsche Nuklearbewaffnung zu eröffnen wäre ein solch verhängnisvoller Zug. […] Wenn Deutschland jetzt aus dem Status einer Nichtnuklearmacht ausbrechen würde, was sollte dann zum Beispiel die Türkei oder Polen hindern, diesem Schritt zu folgen? […] Russland würde und müsste einen solchen deutschen Schritt zwangsläufig als eklatante Bedrohung bewerten und militärische Gegenmaßnahmen ergreifen. Wir würden uns damit noch weiter von der dauerhaften Friedensordnung für ganz Europa entfernen […].“

Marie Jana Körbelova, Außenministerin a. D. – Sie sind eine in Prag gebürtige Jüdin. Ihr Vater war nach dem Zweiten Weltkrieg tschechischer Botschafter in Belgrad und Sie besaßen einen Ring, den Tito einst Ihrer Mutter schenkte. Dass Ihre Großeltern sowie viele andere Verwandte im Holocaust ermordet worden waren, erfuhren Sie 1997 aus der Zeitung. Da waren Sie 59 Jahre alt.
Sicher nicht Ihre gesamte Meinung über Donald Trump, aber doch ein signifikanter Teil davon lautet: „Er ist der am wenigsten demokratische Präsident in der Geschichte der modernen USA. Weil er die Gewaltenteilung nicht respektiert, wenn er einen Richter aufgrund dessen mexikanischer Abstammung beschimpft. Oder wenn er die Presse als ,Feind des Volkes‘ beschreibt. Aber ich glaube, ein Faschist ist Trump nicht.“ Und Sie begründen: „Weil er, um das zu kriegen, was er will, keine Gewalt einsetzt.“
Da wollen wir in unser aller Interesse mal hoffen, dass Sie damit richtig liegen, Frau Albright. Eine Frage hätten wir aber doch: Welche Schlussfolgerung sollten wir eigentlich daraus ziehen, dass die USA 1999, also zu Ihrer Amtszeit als Außenministerin, völkerrechtswidrig Belgrad bombardierten, vulgo Gewalt einsetzten, um zu kriegen, was sie wollten?

Ursula von der Leyen, bei höheren Bundeswehrdienstgraden wenig beliebt – Für hochsommerliche Hundstage, wie sie in diesem Jahr von einem Temperaturhoch zum nächsten eilen, empfehlen Gesundheitsexperten reichlichen Flüssigkeitskonsum, leichte Kost und das unbedingte Tragen von Kopfbedeckungen im Freien.
Sie gaben auch in diesen Extremtagen Interviews. Dabei kamen Sie auf die Sondersitzung beim jüngsten NATO-Gipfel in Brüssel zu sprechen. Die war zusammengetrommelt worden, weil der cholerische Oberlehrer aus Washington die begriffsstutzigen NATO-Hilfsschüler von Kanada bis Westeuropa zuvor wieder so zusammengefaltet hatte, dass die sich versichern mussten, weiterhin am Unterricht teilnehmen zu dürfen. Und wie klang das bei Ihnen?
Sie sprachen von „der nun fast schon legendären Sondersitzung“. Legendär? Hä?
„Das war im Endeffekt […] eine der Sternstunden der NATO.“ Sternstunde? Ja, geht’s noch?
Da hätte der kanadische Premierminister „unglaublich überzeugend dargelegt […], warum es in kanadischem Interesse sei, Soldaten an der lettischen Grenze zu haben“.
Werte Frau von der Leyen, bitte werten Sie unseren Hinweis als Ausdruck unserer Besorgnis: Eine Mutter von sieben Kindern sollte die Empfehlungen der Gesundheitsexperten für Hundstage nicht leichtsinnig in den Wind schlagen!

Robert Mugabe, Politzombie Simbabwes – 30 Jahre lang waren Sie Präsident Ihres Landes. Nach dem Befreiungskampf 1987 noch ehrenhaft an die Macht gekommen, die sie anfangs scheinbar klug einsetzten, haben Sie Simbabwe seither nicht nur heruntergewirtschaftet, sondern auch eine dynastische Diktatur errichtet, die kontinental bestenfalls noch mit der langen Herrschaft Mobutos in Zaire/Kongo vergleichbar war. Im Vorjahr vom Thron gestoßen, erklären Sie, gestützt auf Ihre 94-jährige Lebensweisheit, nicht für die stimmen zu können, die sie „schikaniert“ und „illegal die Macht übernommen haben“. Schwer zu überbietende Pointe Ihrer Einlassung war der Satz: „Lassen wir die Stimme des Volkes entscheiden.“ Eben diese Stimme haben Sie 30 Jahre lang stets selbst formuliert, was nunmehr wohl Ihren Nachfolgern vorbehalten sein wird.

Hun Sen, seit 33 Jahren starker Mann Kambodschas – Augenzeugen berichten, dass Sie einst mit zitternden Händen ein Schreiben des vormaligen Königs Norodom Sihanouk entgegennahmen. Lang ist’s her. Nicht nur, dass Sihanouk Sie später „strong man“ nannte und resignierend Ihre Überlegenheit anerkennen musste. Sie haben auch jegliche andere Konkurrenz an die Wand gedrückt. Nach dem jüngsten Wahlsieg Ihrer Kambodschanischen (ehemals: Revolutionären) Volkspartei, die sämtliche 125 Parlamentssitze beansprucht, kündigten Sie an, den Weltrekord im nicht-royalen Dauerregieren zu brechen. Den hält bisher Kameruns Präsident Paul Biya (85) mit 43 Jahren zunächst als Regierungs-, danach als Staatschef. 66-jährig brüsteten Sie sich gerade: „Ich bin jetzt 33 Jahre an der Macht, fast 34 Jahre. Zählen Sie fünf Jahre dazu, und es werden 39 Jahre sein. Dann addieren Sie nochmals fünf Jahre und es werden 44 Jahre, und das ist Weltspitze – Hun Sen bricht den Rekord!“ Müssen frühere Revolutionäre immer so selbstherrlich enden? Im Deutschen heißt es allerdings: „Hochmut kommt vor dem Fall.“

Maria Butina, Russin in USA-Haft – In U-Haft genommen wurden Sie als angebliche Spionin für Moskau. Da in diesem Metier mit der öffentlichen Präsentation von Beweisen in der Regel gegeizt wird, ist schwer zu entscheiden, ob was dran ist oder ob Sie nur in die Mühlen der Beziehung zwischen den USA und Russland, die „nie schlechter [war], als sie es jetzt ist“ (Trump beim Treffen mit Putin in Helsinki) geraten sind. Sollten Sie allerdings im Gefolge des Spionagevorwurfs nun einige weitere Jährchen in den USA verbringen (was wir, denen die Unschuldsvermutung als hohes Gut gilt, Ihnen keinesfalls wünschen), könnten Sie zumindest in dieser Zeit zu Hause kein Unheil anrichten. Denn in Moskau engagierten Sie sich, wie in hiesigen Gazetten zu lesen war, vor allem für das Recht der Russen auf eigene Handfeuerwaffen, als Vorsitzende des erst regionalen, dann allrussischen Verbandes „Recht auf Waffe“ …

Gerd Ruge, außergewöhnlich Redlicher – Ein Journalist, mit dem jedermann reden kann, sind Sie allzeit geblieben. Eben weil Sie zuhören, etwas erfahren wollen. In aller Welt unterwegs, mit den Größen ebenso vertraut wie den sogenannten kleinen Leuten. Alle und alles haben Sie allzeit ernst genommen und redlich wiedergegeben – die Welt und die Leute. Selbst oder gerade in den Hochzeiten des Kalten Krieges sind Sie unbeirrt sachlich und im Wortsinne merkwürdig unideologisch geblieben. Selten geworden, doch für Gerd Ruge wohl selbstverständlich. Glückwunsch zum 90sten!

Dieter Zetsche, olympischer Zyniker – Während von jedem Politiker selbst höchsten Ranges bei Skandalen in seinem Verantwortungsbereich umgehend der Rücktritt verlangt wird, haben Sie sich von den Vorwürfen wegen des Einbaus illegaler Abschalteinrichtungen in Daimlers Diesel-Produkten nicht allzu sehr behelligen lassen. Was die „Denke“ von Leuten wie Ihnen angeht, haben Sie indes gerade erst einen weiteren aufschlussreichen Einblick gewährt. „Frauen sind das neue China!“, haben Sie angemerkt und damit gemeint, dass das weibliche Käuferpotenzial ähnlich wichtig ist wie der Riesenmarkt im Reich der Mitte. So eben denken Kapitalisten: Alles wird zur Ware und Menschen sind – selbst in ihrer einfachen geschlechtlichen Unterteilung – simple Konsumenten und damit das einzige, was Menschen überhaupt interessant macht; ob man da von Riesenvölkern wie dem chinesischen spricht oder von Frauen, was macht’s? Es ist in der Tat schwer, sich bei Kenntnisnahme derart fröhlicher Zynismen nicht zu ekeln.

Michael Cohen, ehemaliger Anwalt Donald Trumps – Lange Zeit des derzeitigen Präsidenten Justiziar, hat Sie Ihr späterer Nachfolger Rudy Giuliani noch im Mai dieses Jahres einen „ehrlichen, ehrenhaften Anwalt“ genannt. Seit Sie als von Trump Geschasster nun angekündigt haben, über des Präsidenten vielfältige Machenschaften auszupacken, ist Giuliani allerdings anderer Meinung. „Er hat sein Leben lang gelogen“, erklärte er soeben via CNN, und: „Er ist von Natur aus ein pathologischer Lügner.“ Wir versteigen uns aus der Ferne nicht zu abschließendem Urteil über Giuliani oder Sie, finden es aber interessant, wie es jemand, der „sein Leben lang gelogen“ hat, zum Anwalt Trumps hat bringen können …

Zoe Carew, genderistische Jung-Pionierin – Gerade mal sieben Jahre alt, hast Du (wir dürfen doch „Du“ sagen, oder?) Dich bei der New Zealand Transport Agency per mütterlich verfasster E-Mail über ein Verkehrsschild echauffiert, das auf Arbeiten an Stromleitungen hinweist und Autofahrern gebietet, Rücksicht auf die Linemen zu nehmen, die dort zugange sind. Mit aller Empörtheit, zu der eine Siebenjährige fähig ist, findest Du das „falsch und ungerecht“, da auch Frauen an solchen Stromtrassen arbeiten. Die NZTA ist umgehend in sich gegangen und will fortan neutral auf die Line Crew hinweisen. Was den Kampf gegen den Sexismus angeht, hat die Welt in Dir, liebe Zoe, jedenfalls eine – wenn auch sehr junge – Pionierin erster Güte gewonnen.

Kita St. Katharina, Dormagen-Hackenbroich – Aus Sorge, die neuen Datenschutzregelungen verletzen zu können, haben Sie im Erinnerungsbuch Ihrer Einrichtung die Gesichter aller Kinder, Erzieher und anderer Erwachsener geschwärzt – lediglich jenes Kind, dem die Mappe ausgehändigt wird, darf sich selbst ungeschwärzt betrachten. Nun kann man infolge der nahezu hysterischen Debatte um jenen Datenschutz, der in unserem Alltag so massenhaft und skrupellos unterlaufen wird, wenn es nur irgendjemandem von Nutzen ist, für alle möglichen Konsequenzen Verständnis haben, mit denen man Problemen aus dem Weg gehen will, Ihre Praxis allerdings ist ein schönes Beispiel dafür, zu welchem Schwachsinn Fundamentalismus führt. Wir sind indes nicht sicher, ob sich das – wie anderer Schwachsinn auch – nicht durchsetzt und wir bald beispielsweise zeitgeschichtliche fotografische Dokumentationen zur An- und Einsicht bekommen und dabei komplett schwarzsehen.

Postbank, unüberbietbar kundenfreundlich – Wie andere Geldinstitute dünnen Sie das Netz für finanzielle Transaktionen nutzbarer Postämter nach Kräften aus. Aber dabei lassen Sie es immerhin nicht bewenden, sondern beweisen etwas, was man schwarzen Humor nennen könnte. Einem Brief an die Kunden einer Anfang August in Berlin dichtzumachenden Filiale fügen Sie einen Flyer bei, auf dessen Frontseite in gediegener Druckschrift prangt: „meine für-mich-da bank“. Dass die nun anderthalb Kilometer weiter entfernt vom bisherigen, wirklich kundenfreundlichen Standort liegt, gehört vermutlich zum Gratis-Service. Bewegung ist schließlich gesund.