21. Jahrgang | Nummer 11 | 21. Mai 2018

Antworten

Erich Kästner, Klarsichtiger – „Was immer geschieht: Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken“, haben Sie Ihre Mitmenschen und Nachfahren einst gewarnt. Lassen wir alle jene Fälle beiseite, die die Vergeblichkeit Ihrer Warnung seither belegt haben und verweisen nur auf eine tagesaktuelle: Trump und Netanjahu sprechen allen Ernstes und mit biblischem Pathos davon, dass die nun verfolgte Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem in der Lage sei, eine „echte Möglichkeit für Frieden“ (Trump) zu schaffen und gar ein Beitrag zur „Förderung des Friedens“ (Netanjahu) zu leisten. Es braucht nicht einmal den Hinweis auf die ersten Todesopfer unter den protestierenden Palästinensern, um darzustellen, wie tief all jene schon im Kakao stecken, die solches ohne Abscheu und Ekel hinnehmen oder sogar solidarisch verbreiten. Das auch jene Hamas-Granden, die ihre Leute für solche – noch so berechtigten – Proteste eiskalt ins Feuer schicken, um per neuer Märtyrer ihrerseits nicht viel mehr zu erreichen und vielleicht sogar zu wollen, als ihre eigene Macht über Gaza zu zementieren, gehört zum allobwaltenden Zynismus, den Kästner als politisches Prinzip einst im Auge hatte.

Elmar Brok, CDU-Außenpolitiker – Sie haben Israel aufgefordert, die kürzlich so spektakulär präsentierten Beweisunterlagen für das iranische Unterlaufen des Atomabkommens der IAEA weiterzuleiten, was bisher nicht erfolgt sei. „Nur die Atomenergiebehörde kann unparteiisch und unabhängig ermitteln, ob Teheran sein militärisches Atomprogramm nach 2009 fortgesetzt hat. Solange Israel sich dagegen sperrt, weckt es den Verdacht, dass es nicht über neue oder substantielle Belege verfügt“, kommentieren Sie das in der Tat nicht eben überzeugende Gebaren Netanjahus, die 55.000 gedruckte Seiten und 183 Daten-CDs, die der Mossad im Januar 2016 aus einem iranischen Lagerhaus entwendet haben soll, ausgerechnet jener Behörde vorzuenthalten, die im Auftrag der internationalen Gemeinschaft mit der Überwachung aller atomaren aktueller Entwicklungen und Abkommen beauftragt ist.

Martin Schulz, Kurzzeit-Messias der SPD – Lange nichts gehört von Ihnen, wie das halt so das Schicksal der Hinterbänkler im Bundestag ist. Damit sind Sie aber zumindest mal bei der Mehrheit, wovon nach der letzten Bundestagswahl ja nicht die Rede sein konnte. Das ist aber für einen, der immer strebend sich bemüht, keine Dauerlösung. Deren Morgenröte irrlichtert aber bereits am Firmament: Johannes Kahrs, der Sprecher des zwar konservativen, aber durchaus nicht einflusslosen sogenannten Seeheimer Kreises, forderte jetzt, Sie als ehemaliger EU-Parlamentschef sollten Spitzenkandidat der SPD bei der Europawahl 2019 werden. Da können Sie sich fast schon wieder wie Cicero fühlen: „Fang nie an aufzuhören, hör nie auf anzufangen.“

Carles Puigdemont, Einlenkender – Nach einer ziemlich langen Denkpause sind Sie nun zu dem Entschluss gekommen, den sich immer weiter verhärtenden Konflikt um die Unabhängigkeit Kataloniens dadurch zu entschärfen, dass Sie trotz noch immer großen Zuspruchs bei Ihren zahlreichen Anhängern nicht länger daran festhalten, neuerlich Regionalpräsident in Barcelona werden zu wollen. Nun wird sich freilich erst zeigen müssen, ob dieser Schritt den gewünschten Erfolg einer Entspannung zwischen der Zentralregierung in Madrid und Katalonien nach sich ziehen wird. Eine Vorleistung zu einer friedfertigen Einigung haben Sie jedenfalls mit diesem Schritt vollzogen.
Man stelle sich vor, wie viel Unheil und Leid zum Beispiel. Syrien hätte erspart bleiben können, hätte Baschar al Assad spätestens beim Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges sein Amt zugunsten einer – wie auch immer gearteten – Koalitionsregierung zur Verfügung gestellt.

Victor Orbán, Ansager – Passenderweise am diesjährigen „Herrentag“ ließen Sie sich zum dritten Mal in Folge zum ungarischen Ministerpräsidenten wählen. Gratulálok! Den staunenden Untertanen verkündeten Sie zugleich ein wahrhaft revolutionäres Regierungsprogramm: Die Ungarinnen sollen mehr Kinder gebären, Autobahnen braucht das Land, natürlich Kernkraft. Und eine „neue ungarische Armee”, was auch immer das sein soll. Die Nachbarn bräuchten sich vor dieser aber nicht zu fürchten, erklärten Sie in Richtung derzeitiger Inhaber heiliger historischer ungarischer Erde.. Die verbale Beruhigungspille verbanden Sie allerdings mit einer deutlichen Ansage: „Wer mit uns kooperiert, der schneidet gut ab.”
Uns kommen solche Sprüche sehr vertraut vor.

Katrin Sass, ewiglich Verfolgte – Endlich wissen wir, wer an ihrem Elend schuld ist: der Lehrkörper der Rostocker Schauspielschule, die Sie in den 1970er Jahren gezwungenermaßen besuchen mussten. „Ich war […] voller Angst vor Russisch, Politischer Ökonomie und Marxismus-Leninismus“, erklärten Sie dem ZEIT-Magazin. Mit 19 hätte Sie daher angefangen Cola zu trinken. Dann Bier. Das kann es aber nicht gewesen sein, wir kennen das Rostocker Bier aus den Zeiten der finsteren roten Diktatur. Offensichtlich hatten die Rostocker Russen-Knechte Ihnen die Cola mit einer erheblichen Wodka-Beimischung verabreicht. Das tötet auf lange Sicht den Verstand. Woher sollten Sie armes Zonen-Kind auch wissen, wie echte Cola zu schmecken hat?
Neugierig sind wir jetzt auf Ihre nächste Geschichte: Wer steckt hinter dem Verschwinden der Dunja Hausmann aus „Weißensee“, der bedeutendsten Fernsehserie aller Zeiten? BILD meint, da wäre bewusst reduziert worden…

FAZ, gnadenlos Analytische – „Künstliche Intelligenz ist eine Riesenchance für Deutschland“ haben Sie einen ausführlichen Text zum inkriminierten Thema überschrieben. Wiewohl in summa freilich nicht so gemeint, assoziiert zumindest dieser Titel etwas, das man sich in Anbetracht von (nicht nur) hierzulande und in dort in allen Sphären obwaltenden Mangels „analoger“ Intelligenz, besser gesagt: Dummheit, in der Tat nur wünschen kann.

Tim Renner, etwa Einsichtiger? – Dass Sie sich in Ihrer Eigenschaft als ehemaliger Kultur-Staatssekretär des Berliner Senats als grandiose Fehlbesetzung bewiesen haben, der nicht zuletzt die Berliner Volksbühne zum Opfer gefallen ist, hat Sie nicht gehindert, für die SPD zur letzten Bundestagswahl anzutreten, wenigstens erfolglos. In einem bemerkenswerten Akt personeller Treue sind Sie nunmehr von Ihrem unbeirrten Dauergönner Michael Müller für ein Mandat des Europaparlaments vorgeschlagen worden, was gar sehr an die Refrainzeile des schönen Wiener Chansons erinnert, die da lautet: „Ich hätt’ schon längst ein böses End genommen, aber der Novak läßt mich nicht verkommen!“ Doch gemach, hier nun ist auf den bemerkenswerten Umstand hinzuweisen, dass Sie von dieser Offerte Abstand zu nehmen gedenken. Wir sind indes sicher, dass „Novak“ Sie trotzdem nicht verkommen lässt.

Botnik, amerikanischer IT-Künstler – Sie haben jüngst Computer mit Textbausteinen aus 200 Grimmschen Märchen gefüttert und per Algorithmus nun eine nagelneue Erzählung schreiben lassen. „Die Prinzessin und der Fuchs“ hat den gelesenen Umfang von 15 Minuten, erfüllt alle Ansprüche an Stil und Ton Grimmscher Hervorbringungen und ist – dank Ihrer einfühlsamen Programmierung – sogar weniger grausam als die Originale. Dass es von solchen Erfolgen nur noch ein Katzensprung sein wird, um unsere künftige Literatur von Rechnern schreiben zu lassen, sei ähnlich erschaudernd angemerkt wie die auch andersartig zu erwartende Entseelung von Kunst und Literatur als lediglich technische Produktionsergebnisse. Die Bourgeoisie hat sich, wie wir heute wissen, mit dem Proletariat keineswegs ihren Totengräber geschaffen, wie Marx dies einst wähnte. Dass sich die Menschen mit der Entwicklung der künstlichen Intelligenz den ihren schafft, ist da viel wahrscheinlicher.

Georg Friedrich Lichtenberg, unbefriedigt Wissbegieriger – „Ich möchte was darum geben, genau zu wissen, für wen eigentlich die Taten getan worden sind, von denen man öffentlich sagt, sie wären für das Vaterland getan worden“, haben Sie schon im 18. Jahrhundert gefragt und eine erschöpfende Antwort wohl nie erhalten. Daran sich bis heute so gut wie nichts geändert. Wer sich auf Volk und Vaterland oder auf die Nation beruft, darf auch heute auf hinreichend viele vaterländische Lemminge hoffen, die sich dafür abschlachten lassen.