von Frank-Rainer Schurich
„Ein Brand ist die Entzündung von Gegenständen, die zur Verbrennung nicht vorgesehen sind.“ Diese ästhetische Definition der russischen Schriftstellerin Tatjana Tolstaja aus der Erzählung „Schlafe ruhig, mein Söhnchen“, in der DDR 1989 veröffentlicht, trifft genau den Kern. Es sei angemerkt, dass die Autorin eine Enkelin des berühmten Alexej Nikolajewitsch Tolstoi ist, der die Trilogie „Der Leidensweg“ und die Romanbiografie „Peter der Große“ verfasste.
In der Fachsprache der Kriminalistik gibt es aber solche geschmeidige Begriffsbestimmungen nicht. Eine Brandstiftung ist nach einem „Kriminalistik Lexikon“ von 1984 „das vorsätzliche oder fahrlässige Inbrandsetzen von Gegenständen in der Weise, dass der Brand sich auch nach Entfernung der Zündmittel selbstständig auszubreiten vermag“.
Kaum zu glauben ist, dass sich bei aller Tragik und den vielen Leidenswegen kuriose, wundersame und skurrile Geschichten um derartige Ereignisse ranken.
Zu den ziemlich dummen Dieben zählten die Männer, die im Oktober 2002 im Greifswalder Stadthafen mit einem Schweißbrenner versucht hatten, einen Außenbordmotor zu stehlen. Plötzlich stand das ganze Boot in Flammen, denn durch die Schweißarbeiten beschädigten sie eine elektrische Leitung – Kurzschluss. Das Feuer griff noch auf ein weiteres Boot und auf den gesamten Liegeplatz über.
Eine brennende Kerze fiel im März 2013 in einem Fachwerkhaus in Lüchow-Dannenberg einfach um und zündete die alten Holzbalken des Hauses an. Aber nicht nur diese entflammten, sondern auch 220 Cannabispflanzen, wodurch die anrückende Feuerwehr im beißenden Qualm einen süßlichen Marihuanaduft wahrnehmen konnte. Gegen die gesamte Familie, eine Ehepaar mit zwei strafmündigen Söhnen, wurde wegen Herstellung und Anbau von Betäubungsmitteln ermittelt.
Ein 39-jähriger Mann in Bremen verursachte 2015 durch ein gemütliches Bad im Kerzenschein einen Brand und einen Schaden von mehr als von mehr als 20.000 Euro. Ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Brandstiftung folgte umgehend.
Was war geschehen? In der Badewanne der Freundin zündete er auf einem Holzregal, auf dem sich mehrere Spraydosen und Parfümflaschen tummelten, mehrere Teelichter an. Nach einiger Zeit bemerkte er, dass sich ein Deo-Spray ebenfalls entzündet hatte. Er versuchte, den Brand mit Wasser zu löschen, was das Unglück noch verstärkte, denn es wurde eine exothermische Reaktion ausgelöst – ein chemischer Prozess, bei dem viel Wärme entsteht. Die nahestehenden Sprays und Parfümflaschen flogen bei dieser Explosion mit Gewalt durch die Luft. Die Badezimmertür wurde aus der Verankerung gerissen, die angrenzende Küchenwand und die Gastherme um mehrere Zentimeter verschoben, und ein Teil der Decke stürzte ein. Während das Bad total verwüstet wurde, überlebte der Übeltäter wie durch ein Wunder nahezu unverletzt. Die Wohnung der Freundin wurde jedoch von einem Statiker für unbewohnbar erklärt.
Ein Jahr später, am Silvesterabend 2016, rauchte ein 73-jähriger Mann in Neustrelitz auf einer Krankenhaustoilette – und verursachte eine Explosion. Als Aschenbecher nutzte er eine Cremedose, die er sorglos auf einen Stuhl abstellte. Kurz darauf fing der Stuhl Feuer. Bei dem darauffolgenden Brand explodierte eine Sprayflasche. Der Raucher erlitt Verbrennungen zweiten Grades am Bein, ein neuer Krankenhausleidensweg begann.
Tragisch dagegen war, dass in Neuseeland 2002 durch Desinfektionsmittel zwei Patienten auf dem OP-Tisch in Brand gerieten, aber zum Glück nur mit leichten Verletzungen davon gekommen waren. Einem 24 Jahre alten Mann sollte unter Vollnarkose der Blinddarm entfernt werden. Dabei ging er in Flammen auf, das Feuer musste mit mehreren Eimern Wasser gelöscht werden. Und eine junge Frau hatte unmittelbar vor der Geburt ihres Kindes im Kreißsaal Feuer gefangen. Sie erlitt leichte Verbrennungen, aber das Baby war ja noch geschützt im Mutterleib, so dass es unverletzt blieb.
Prominente sind zuweilen Opfer von Brandanschlägen. Dem ehemaligen Diana-Butler Paul Burrell galt im Dezember 2002 ein Anschlag auf den Blumenladen seiner Frau Maria, bei dem zwar niemand verletzt, das Geschäft aber schwer beschädigt wurde. Burrell war im Januar 2001 Diebstahl von adligen Gütern der Prinzessin vorgeworfen und daraufhin von Scotland Yard verhaftet worden. Nachdem das Verfahren im Old Bailey, am Zentralen Strafgerichtshof in London, gegen ihn eingestellt wurde (wohl nach einer Intervention der Queen), bekam er zahlreiche Drohanrufe: „Wir kriegen dich und deine Familie!“ Burrell konnte seine Geschichte nach Ende des Prozesses aber gut vermarkten; für ungefähr 300.000 Pfund verkaufte er sie an den Mirror. Ob er nach dem Brandanschlag eine neue Story auf den Markt warf?
Auch Tiere sind als Brandstifter dingfest gemacht worden. So sperrte November 2016 eine Frau in Neuruppin ihren Hund in der Küche ein. Der pfiffige Kerl hatte nichts weiter zu tun, als den Küchenherd einzuschalten. Die Besitzerin bemerkte bei ihrer Rückkehr eine starke Rauchentwicklung, so dass Ärgeres verhindert werden konnte. Der Sachschaden betrug aber circa 1000 Euro.
Zwei mysteriöse Brände auf dem Lande Anfang der 1950er Jahre veranlassten Max Frei, den damaligen Leiter des Wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich (Schweiz), Tierexperimente durchzuführen. In beiden Fällen glaubte man nicht so recht an Selbstentzündung oder Brandstiftung. Eine Lösung der Fälle kam in Sicht, als man an den Tatorten hinter einer hölzernen Wandverkleidung Mäusenester fand – mit Überresten teilweise angebrannter Zündhölzer. Nun war im Experiment die Frage zu beantworten, ob Mäuse Streichholzköpfe, deren Zündmasse organische zuckerartige Verbindungen enthält, so benagen können, dass diese sich entfachten.
Ein Holzkäfig mit Drahtgeflechtüberzug wurde mit Wäschefetzen beschickt, zwei weiße Mäuse darin mit Streichhölzern der aufgefundenen Sorte gefüttert. Während die überzüchteten weißen Versuchsmäuse die Streichholzköpfe zwar annagten, aber keine Entzündung verursachten, ging die zweite Mannschaft, zwei graue Hausmäuse, kräftiger zu Werke: Die Zündholzschachtel samt Inhalt fackelte infolge Benagens der Streichholzköpfe ab! Das reaktionsschnelle Tier konnte sich aber mit angesengten Schnurrbarthaaren in die Ecke des Käfigs flüchten, was die Erklärung dafür war, dass man an beiden Brandorten keine toten Tiere fand.
Was lehrt uns das alles? Man sollte keine Streichhölzer hinter Wandverkleidungen werfen, beim Diebstahl von Außenbordmotoren nicht zum Schweißgerät greifen und nie bewusst oder unbewusst Gegenstände anzünden, die nicht zur Verbrennung vorgesehen sind. „Wohltätig ist des Feuers Macht, / Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht …“, dichtete schon Friedrich Schiller in der Ballade „Das Lied von der Glocke“.
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