21. Jahrgang | Nummer 4 | 12. Febuar 2018

Antworten

Joe Kaeser, Siemens-Chef mit multiplen Fähigkeiten – Auf der nach oben offenen Unbeliebtheitsskala deutscher Spitzenmanager gelten Sie als Überflieger, seit Sie die Streichung von weltweit 7000 Arbeitsplätzen – fast 1000 davon allein in Berlin – angekündigt haben. Natürlich mit entsprechender Begründung: wegen fehlender Nachfrage in der Kraftwerks- und Antriebstechnik.
Am Rande des Weltwirtschaftsgipfels in Davos hatte die amtierende Oberdumpfbacke des Westens, Donald, the Trump, zu einem Abendessen geladen. Unter den Gästen auch Sie, platziert unmittelbar neben der abartigen Föhnwelle. Offensichtlich hat der Mann eine Aura, die aufs Hirn schlägt, denn Sie säuselten ihm ins Ohr: „Weil Sie so erfolgreich mit der Steuerreform waren, haben wir entschieden, die nächste Generation von Gasturbinen in den Vereinigten Staaten zu entwickeln.“
„Gasturbinen – ausgerechnet“, nörgelte die ansonsten pathologisch wirtschaftsnahe FAZ: „Genau das Produkt, für das Siemens in Deutschland gerade Fabriken schließt und Mitarbeiter entlässt.“ Und Matthias Nass von der Zeit lamentierte: „Warum nur müssen sich die Mächtigen in der Wirtschaft den noch Mächtigeren in der Politik oft so hemmungslos an den Hals schmeißen?“ Die Antwort könnte ganz einfach auf der Hand liegen, und Hannes Wader hätte dann zu Diagnose und Therapie schon vor Jahrzehnten das passende Stück dafür abgeliefert: die Arschkriecherballade.

Harald Martenstein, unser selbstkritisches permanentes SGD* – Sie kaufen „sogar bei Amazon. Es spart Zeit. Erstaunlicherweise wird die Zeit nicht mehr, indem man Zeit spart. Früher habe ich drei Tage dem Kauf von Weihnachtsgeschenken geopfert, habe von Hand gespült, Briefe geschrieben statt Mails, war also oft zum Briefkasten unterwegs, ich war gestresst und immer in Eile. Heute tue ich all dies in viel geringerem Umfang, aber ich bin immer noch gestresst und in Eile. Offenbar verbringe ich die gesparte Zeit mit anderen Dingen, aber womit nur?“ Wahrscheinlich mit Reflexionen darüber, dass Sie mit Ihrem individuellen Verhalten Teil der Probleme sind, deren Existenz Sie schon immer bedauert haben. Doch damit sind Sie ja Mainstream: „Die meisten Leute richten ihr Verhalten an dem aus, was sie für ihre Bedürfnisse halten, moralische Appelle nützen gar nichts. Man hat vielleicht ein schlechtes Gewissen, das ist alles. Man versucht, kein allzu großer Schurke zu sein, das ist schon viel. Nicht einmal die Religionen haben es geschafft, die Menschen zu ändern, die Ideologen schon gar nicht. Die Gläubigen sündigen, die Patrioten bemogeln ihr Vaterland bei der Steuer, linke Politiker schicken ihre Kinder auf Privatschulen.“ Und Amazon gewinnt immer wieder!

* – schlechtes Gewissen vom Dienst

Josef Ackermann, Ehemaliger – Den besten Ruf hatten Sie ganz sicher nicht, als Sie vor noch gar nicht so langer Zeit Chef der Deutschen Bank waren. Mit Blick auf heutiges Gebaren Ihrer Nachfolger muss man Ihnen allerdings so etwas wie Anstand – sofern man Bankern einen solchen attestieren kann – zubilligen. Als vor zehn Jahren die Bankenkrise das ganze Finanz- und Wirtschaftssystem nicht nur Deutschlands erschütterte, haben Sie erklärt, mit Rücksicht auf diese Situation auf Bonuszahlungen zu verzichten; ein Beispiel, dem die anderen Mitglieder des Bankenvorstandes seinerzeit gefolgt sind. Auf ähnliche Ideen kommen die heutigen Großkopferten dieses Geldhauses nicht einmal im Ansatz. Trotzdem die Deutsche Bank 2017 zum dritten Mal in Folge Verluste zu verzeichnen hat, genehmigte die Führung (auch sich) eine Ausschüttung von Boni in der Höhe von über einer Milliarde (!) Euro.
Um Brecht ein wenig zu aktualisieren: Was ist der Einbruch in eine Bank gegen deren Übernahme und Plünderung!

Henrik Urdal, Direktor des Osloer Friedensforschungsinstituts – Sie haben jüngst der Onlinezeitung Nettavisen bestätigt, dass Trump – zum dritten Mal in Folge übrigens!? – „für den Friedensnobelpreis nominiert ist“. Die Begründung sei die gleiche wie im Vorjahr: sein Grundsatz „Frieden durch Stärke“. Wer ihn vorgeschlagen habe, sei jedoch vertraulich. Wir hätten da allerdings so eine Ahnung …

Elsa Koester, Klarsichtige – „Die aktuellen feministischen Kämpfe sind damit doppelt revolutionär: Einerseits bringen sie durch die Verweigerung weiblicher Unterwerfung und männlicher Herrschaft das Patriarchat zum Einsturz. Andererseits mischen sie durch die Verweigerung patriarchaler Arbeitsteilung den Kapitalismus auf. Wer dieses revolutionäre Potenzial verkennt, ist anachronistischer Romantiker. Wer es den Feministinnen abspricht und #MeToo als bürgerlichen Klatsch klein redet, ist konterrevolutionär“, haben Sie in Ihrer ND-Kolumne mit dem Selbstbewusstsein eines sehr jungen Menschen befunden.
So machen Sie dem überaus berechtigten Ansinnen nach wirklicher Gleichberechtigung in der gesellschaftlichen Partizipation gewiss viele Freunde und Verbündete; wer will schon gern „anachronistischer Romantiker“ oder gar „konterrevolutionär“ sein?

Justin Trudeau, kanadischer Premier und hyperultrasensibel, linguistisch – Sie haben sich bisher auch dahingehend verdient gemacht, den Frauen jenen Respekt zukommen zu lassen, den die Auffassung von der Gleichberechtigung der Geschlechter erheischt. Wie das aber so ist, wenn man ausdrücklich Gutes tun will – es geht offenbar nur selten ohne Überspitzungen ab, die dem eigentlichen Anliegen dadurch abträglich sind, dass sie es zum Beispiel lächerlich machen. So etwa, als Sie dieser Tage jemanden gesprächsweise darüber belehrten, dass Sie nicht mehr den Begriff mankind für Menscheit benutzen, da er auf dem Teilbegriff man, also Mann gründe. Vielmehr hielten Sie es für zwingend, nun von peoplekind, also Menschenheit zu sprechen. Mannomann! Respektive Menschomensch! Warum nur mussten wir so lange auf solcherart subtile Korrektheit warten?