von Holger Politt, Warschau
Ohne Zweifel darf Polens Außenpolitik den Besuch des US-amerikanischen Staatspräsidenten als Erfolg verbuchen. Dass Donald Trump unmittelbar vor dem Hamburger G20-Treffen Warschau einen ersten Besuch abstatten würde, hatten die meisten Beobachter gar nicht erwartet. In erster Linie darf sich Jarosław Kaczyński freuen, denn der hatte gleich nach dem Brexit-Referendum im Juni 2016 getönt, von nun an werde Polen der treueste Verbündete der USA in der Europäischen Union sein. Trumps überraschender Wahlsieg im November 2016 nährte diese Hoffnung zusätzlich, denn gewisse nationalkonservative Parallelen sind gar nicht zu übersehen.
Trumps trotziges „America first“ wird bei den Regierenden an der Weichsel als die volle Bestätigung des eigenen Wegs verstanden, dem durch angeblich falsch laufende EU-Integration in Bedrängnis geratenen Polentum kräftig unter die Arme zu greifen. Denn während Trump mit seiner Politik „Amerika“ wieder groß machen möchte, wollen Kaczyński und dessen Leute mit der ihrigen der nationalen Identität absoluten Vorrang einräumen.
Trump habe, so hieß es schnell aus Warschau, den Platz seiner Rede an das polnische Volk mit Bedacht gewählt – das am 1. August 1989 eingeweihte Denkmal für den Warschauer Aufstand von 1944. Hier nun hielt der US-Präsident seine feierliche Rede:
Es sei eine große Ehre, an diesem Platz stehen und eine Rede an das polnische Volk halten zu dürfen, das nun in einem sicheren, starken und freien Land lebe, wie es sich viele Generationen erträumt hätten. Polen sei zweihundert Jahre lang ein Spielball fremder Machtinteressen gewesen, sei für viele Jahrzehnte von der Landkarte verschwunden, doch habe niemand den Stolz der Polen brechen können. Außerdem zähle Polen zu den ältesten Verbündeten der USA, weshalb Trump Polen von hier aus umso bereitwilliger als ein Beispiel herausstellen wolle für diejenigen Völker, die den Mut hätten, unsere Zivilisation zu verteidigen. 1920 habe Polen in dem sogenannten Wunder an der Weichsel die Rote Armee aufgehalten, die sich damals angeschickt habe, Europa zu erobern. Und 1939 sei das Land zwischen die Mühlsteine geraten – von Westen habe Nazideutschland angegriffen, vom Osten aus die Sowjetunion. Unter der doppelten Okkupation habe Polen unbeschreibliches Leid erfahren: Katyn, den Holocaust, das Warschauer Ghetto, die Zerstörung der Hauptstadt, den Verlust von einem Fünftel der Bevölkerung. Fast völlig ausgelöscht worden sei infolge des systematischen Vorgehens der Nazideutschen der jüdische Bevölkerungsteil. Im Sommer 1944 hätten sich die deutsche Wehrmacht und die Rote Armee an die blutige Niederschlagung des Warschauer Aufstands gemacht. In der Hölle auf Erden, die ihnen bereitet worden sei, hätten die Polen Vaterland und Freiheit verteidigt. Das Denkmal erinnere an den Opfertod von mehr als 150.000 Menschen auf polnischer Seite, während drüben auf der anderen Weichselseite die Rote Armee gestanden habe, abwartend und zuschauend, wie die Nazis die Stadt brutal dem Erdboden gleichgemacht, wie sie Kinder, Frauen und Männer brutal umgebracht hätten. Das Ziel sei es gewesen, das polnische Volk auszulöschen, doch sei es nicht gelungen, den Mut und die Stärke zu besiegen, die den polnischen Charakter auszeichneten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg, so Trump in feierlich-kämpferischer Stimmung weiter, habe Polen während der mehr als vier Jahrzehnte kommunistischer Herrschaft sich einer brutalen Kampagne ausgesetzt gesehen, deren Ziel die Beseitigung von Freiheit, Glauben, eigener Geschichte, eigener Identität gewesen sei. Doch habe niemand den polnischen Geist brechen können; und als am 2. Juni 1979 Papst Johannes Paul II. in Warschau unter freiem Himmel vor zwei Millionen Menschen eine Messe gehalten habe, sei jedem Kommunisten in Warschau klargeworden, dass das Unterdrückungssystem bald fallen würde. Drei Worte hätten genügt: Wir wollen Gott.
Ein starkes Polen sei ein Segen für die Völker Europas, ein starkes Europa sei ein Segen für den Westen und für die ganze Welt. Auf diesem Kontinent, so Trump im Brustton der Überzeugung, werde das Gespenst des Kommunismus nie wieder auferstehen. Doch gebe es eine neue Bedrohung für den Westen und die freie Welt – die des radikalen islamistischen Terrorismus. Bei seinem historischen Treffen in Saudi Arabien mit den Führern aus mehr als fünfzig moslemischen Ländern habe er auf diese Gefahr hingewiesen und daran appelliert, ihr gemeinsam die Stirn zu bieten.
Wir im Westen seien die freieste und beste Völkergemeinschaft, die jemals bestanden habe. Das Beispiel Polens aber lehre uns, dass Geld alleine zur Verteidigung des Westens nicht ausreiche, sondern dass dafür der Wille nötig sei, auch unter schwierigen Bedingungen standzuhalten. Das sei die heutige Frage – ob der Westen den Willen aufbringen werde, standhalten zu wollen.
Soweit Donald Trump im Juli 2017 in Warschau. Die Rede, die er hielt, hätte in der unmissverständlichen Tonlage auch in Warschauer Amtsstuben geschrieben werden können.
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