von Thomas Behlert
Über die Tiere der Welt müsste eigentlich auch alles gesagt und geschrieben sein, doch dann findet ein verschworfelter Wissenschaftler irgendwo tief im letzten noch verbliebenen Dschungel ein Vieh mit unerhörtem Federfell oder länglich kurzem Horn, und schon muss die Evolution wieder umgeschrieben werden. Wenn die Menschheit allerdings so weitermacht, ist es mit der Artenvielfalt sowieso bald Essig, und wir können froh sein, dass es Menschen wie Alfred Brehm gab. Dessen dicke Bücher holte ich wieder aus dem Schrank der Tochter, der man die Bände für die Schule gab, die sie aber nie benutzt hat, und las voller Vergnügen die oft wie ein Roman oder wie eine spannende Tiergeschichte angelegten Texte über die Fauna der Weltkugel.
Und wer brachte mich auf die Idee? Die Brüder Thomas und Jürgen Roth mit ihrem ersten gemeinsamen Buch „Kritik der Vögel“. Sie zitieren ausgiebig manch‘ Passage von Alfred Brehm in ihrem ironischen, mit federnder (Federn=Vögel, sic!) Hand geschriebenen Werk. Das ist allerdings kein ganz echtes Tierbuch, denn es fehlen die ernsten Fotos, die detailgenauen Zeichnungen, die bei vielen anderen wissenschaftlichen Büchern zum Hauptaugenmerk gehören. Für „Kritik der Vögel“ ließen die Roths den großen Meister humorvoller Bücher und lustiger Gedichte, F.W. Bernstein, feine bis zärtliche Bilder anfertigen. Und Herr Bernstein passt richtig gut zum Team, denn er beschäftigte sich selbst schon mit den gefiederten Helden der Lüfte, wie die Strophe „Vogelkunde“ aus seinem neuen Büchlein „Frische Gedichte“ beweist: „Ein Mauersegler? Kann nicht sein: / Sind schon weg. Dann wird es ein / Adler sein? / Kein Adler! / Dann ein Haubenspecht? / Mir ist jeder Vogel recht. / Auch für den Spatz / hat‘s Platz. / Mauersegler wär gelogen: / Ist schon fotteflogen.“
Den promovierten Germanist Jürgen Roth kennt man, denn er schreibt über wichtige Themen, Fußball, Bier und Formel 1, gute Bücher und für große Zeitungen (junge Welt) ordentliche Texte, veröffentlichte als Hörbuch den gestammelten Unsinn vom Bayernmann Stoiber und lobte das Frankenland in den höchsten Tönen. Gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Thomas, der ansonsten als promovierter Historiker im Rheinland wirkt, beschäftigte er sich schon früh mit Amsel, Drossel, Fink und Star und all den anderen Luftikussen. Sie gingen in den Schulferien, mit dem Fernglas bewaffnet, in die Natur hinaus, um Wasservögel bei Brut und Spiel zu beobachten, ließen sich im Morgengrauen den Graureiher nicht entgehen, wie er heran schwebte, und bestaunten im nahen Wald doch tatsächlich noch Waldohreulen.
Bis zu diesem Buch sammelten die Roths alles, was mit den Vögeln zu tun hat. Da kommen allerdings nicht nur frohe Botschaften und bejahende Texte, nein, es stapelten sich kritische Zeitungsartikel. Und auch hier wird fleißig zitiert, denn es muss weitergetragen werden, dass es mittlerweile „fiese Enten“ gibt und ein Ornithologe alle Vögel als „Opportunisten“ über einen Kamm schert. Vögel begehen Futterdiebstahl und die einstmals als Friedenstifter bezeichneten Tauben sind nur noch fliegende Ratten. Mit herrlich viel Ironie und ausgefeilten Sätzen beschimpfen die Brüder die Greif- und Raubvögel, die oft nur aus Lust am Töten handelten und gar nicht der Protektion genannter Tierschützer bedürften. Doch bekommen diese fliegenden Mordbuben schöne Sätze verpasst, die den Lesespaß verstärken. Hier eines dieser Meisterwerke: „Ein wendiger, zupackender Jäger, der mit seinem kantigen Schädel, der gelbleuchtenden Iris und dem scharfen, kühlen Blick noch stärker Eindruck macht als der manchmal allzu lässig wirkende Bussard oder die ein bisschen zu schöngeistig auftretenden Falken, ein Greif, der zwar den Menschen nicht in Schreckstarre versetzt, sich aber auf dem Land, in Dörfern, Fluren und Wäldern, einen beträchtlichen Ruf erarbeitet hat.“ Es geht um den Habicht.
Neben den bestens bekannten Vögeln, wie: Kranich, Meise, Dohle, Nachtigall und Eisvogel, verschiedenen Laufvögeln und dem Pinguin, der nicht durch die Lüfte sondern „durchs Wasser fliegt“, erwähnen die Kenner gerne Piepmätze, die putzige Namen tragen oder bisher selten in der Literatur untergebracht wurden. Dazu zählt die Heckenbraunelle, die einfach nur existiert, keine besondere Brutpflege durchführt, keine tollen Eier legt, sich nur sehr ängstlich durch die Landschaft bewegt und also kaum gesehen wird. Für den Kuckuck ist sie somit der passende Wirtsvogel, da sie frisst, sich paart, brütet, fliegt und ansonsten auf Ästen sitzt. Alles in allem ziemlich langweilig und unter den Singvögeln der größte „Vollidiot“.
Gerne und voller Inbrunst beschäftigen sich die Vogelfreunde Roth desweiteren mit dem Kea, dem Zilpzalp, dem Rotrückenwürger und dem Halsbandsittich.
„Kritik der Vögel“, Untertitel: „Klare Urteile über Kleiber, Adler, Spatz und Specht“, ist ein ganz hervorragendes Buch, das allen Nichtvogelkennern ans Herz gelegt werden muss, denn hier lernen sie dazu und wissen am Ende mehr als manch’ Ornitho…Dingsda.
Jürgen Roth & Thomas Roth, Kritik der Vögel, Blumenbar (Aufbau Verlag) Berlin 2017, 332 Seiten, 24,00 Euro.
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