von F.-B. Habel
Renate Holland-Moritz, die in der vergangenen Woche nach relativ kurzem Krankenlager mit 82 Jahren starb, wurde von denen, die ihre lustvoll formulierten Sottisen zu spüren bekamen, als bösartig angesehen, von denen, die sie näher kannten, als Seele von Mensch, die sich für die einsetzte, denen es schlecht ging, und die sich für den Erhalt eines Restes von Kultur engagierte. Für sie zählte Solidarität. So sah sie auch ihre Mitgliedschaft in der Kurt Tucholsky-Gesellschaft an. „Um mitzuarbeiten, geht es mir nicht mehr gut genug, aber als einfaches Mitglied möchte ich die Gesellschaft mit meinem Mitgliedsbeitrag unterstützen“, sagte sie mir, als sie vor etwa zehn Jahren eintrat. Bei Pressevorführungen und bei einem Festivalbesuch in Moskau hatte ich die verehrte Kino-Eule schon vor rund 30 Jahren kennengelernt und sie heimlich zu meinem Vorbild erkoren. Nur in meinen besten Momenten gelang es mir, der Boshaftigkeit ihrer Verrisse nahezukommen. Das Loben (auch sie hat es ausgiebig gepflegt) fiel da schon leichter.
Vielleicht bin ich der Holland-Moritz sogar schon vor über 50 Jahren erstmals begegnet, als ich im Theater der Freundschaft das Stück „Ein schrecklicher Tag“ sah. Ich war dort Mitglied der Zielgruppe, und RHM eben die junge Kritikerin. Ganz zufrieden schien sie nicht zu sein: „Im vielseitigen Programm unseres verdienstvollen Kinder- und Jugendtheaters ist ‚Ein schrecklicher Tag‘ nicht mehr als eine Max-und-Moritz-Geschichte aus der heutigen Sowjetgesellschaft, gesehen durch die Brille von Arnold und Bach“, urteilte sie milde und spitz zugleich in der Weltbühne 21/1965. In der Weltbühne? Ja, heute ist fast vergessen, dass die Autorin, die durch den Eulenspiegel berühmt wurde, für wenige Jahre regelmäßig für die Weltbühne schrieb. Hintergrund war ein Streit mit einer Eulenspiegel-Redakteurin, die „gern reinmeckert“ (und damit ist ihr Name angedeutet). „Entweder geht sie oder ich!“, stellte sie den Chefredakteur vor die Alternative. Die andere war jedoch fest angestellt und schwer rauszuschmeißen. Die bereits beliebte „Kino-Eule“ ging zur Weltbühne, wo sie unter anderem eine eigene Rubrik erhielt. In „Querweltein spaziert“ schoss sie vor allem gegen bundesrepublikanische Verhältnisse, nahm beispielsweise für einen Pfarrer Partei, der wegen Grabschändung belangt wurde, als er von einem Grabstein ein Hakenkreuz entfernte. Auch mit ihrem angestammten Gebiet hatte sie am Rande zu tun, als sie auf die Verurteilung eines Bremer Porno-Filmers einging. Ansonsten war das Gebiet der Filmkritik schon besetzt, aber wenn Carl Andrießen verhindert war, besprach RHM Filme ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Über das DEFA-Singspiel „Geliebte weiße Maus“ schrieb sie in der Weltbühne 23/1964: „Reizend ist die natürlich-frische Karin Schröder. Rolf Herricht sollte jedoch nicht allzusehr auf seine Fernsehpopularität bauen. In diesem Film bewies er jedenfalls nicht, daß er die starke Komiker-Persönlichkeit ist, die auch über eine belanglose Fabel hinwegtrösten kann.“ Wenige Jahre später verhalf die „gereifte“ Komiker-Persönlichkeit Herricht RHM zu ihrem größten Kino-Erfolg in „Der Mann, der nach der Oma kam“, in dem ihr damaliger Mann Lothar Kusche eine ihrer Erzählungen zu einem witzigen Drehbuch formte. Sie war inzwischen längst wieder zum Eulenspiegel zurückgekehrt.
Presseartikel, auch Kritiken, sind an den Moment gebunden, werden manchmal noch zitiert und meist vergessen. Renate Holland-Moritz hat uns aber viele Bücher hinterlassen (auch mit Rezensionen), und die kann man noch oft mit Freude zur Hand nehmen.
Schlagwörter: Die Weltbühne, F.-B. Habel, Renate Holland-Moritz