von Septentrionalis
Mäuse im Sinne von Zaster, Kohle, Schrott oder ganz prosaisch Geld waren, soweit es die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der beiden christlichen Großkirchen in Deutschland anbetrifft, schon hin und wieder Gegenstand kritischer und damit zwangsläufig höchst antiklerikaler Betrachtungen in diesem Magazin. Gerade hat der oberste katholische Kirchenfürst hierzulande und Vorsteher der katholischen Diözese München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, in die politische Diskussion auf eine Weise eingegriffen, die Veranlassung gibt, das Thema ein weiteres Mal aufs Tapet zu heben.
Der Kardinal erläuterte dem SPIEGEL in einem Interview, was aus Hirtensicht im Lande sozialpolitisch Sache zu sein hat. Auf die Frage „Müssen Vermögen höher besteuert werden?“ antwortete er dabei – man ist versucht zu sagen, ganz im Sinne seines wirkungsmächtigen Namensvetters: „Absolut. Wenn die Vermögensverteilung immer ungleicher wird, dann kann der Staat nicht so tun, als ob ihn das nichts anginge. Im Sinne der Gerechtigkeit müssen Vermögen und Erbschaften, aber auch der Kapitalverkehr stärker besteuert werden.“
Nun soll dem Kardinal in der Sache auch keineswegs widersprochen werden. Trotzdem ist man doch ein wenig verblüfft. Das sagt nämlich der Spitzenvertreter einer Organisation, die seit zwei Jahrtausenden überhaupt keine Steuer zahlt und ihre Einnahmen von den Kirchenschäfchen vom Staat beitreiben lässt. Letzteres hat schon deswegen ein Geschmäckle, weil das erst seit Nazi-Zeiten so ist – als bis heute sakrosankter Ausfluss des Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 zwischen dem damaligen Hausherrn im Vatikan, Pius XI., und den braunen Paladinen. Zum Geschmäckle hinzu kommt jedoch noch dieses: Die staatlich eingezogenen Kirchensteuern gehen zu 100 Prozent, frei von jeglicher Einkommensteuer, an die Amtskirchen, weil der Fiskus sie komplett als steuerlich abzugsfähige Sonderausgaben anerkennt.
In Zahlen: Im Jahre 2010 etwa betrug das Kirchensteueraufkommen etwa neun Milliarden Euro, wovon 3,8 Milliarden praktisch geschenkte Einkommensteuern waren, auf die der Staat verzichtete. Da muss eine arme Oma lange für stricken …
Doch zurück zu Kardinal Marx. Dessen klares Bekenntnis zur Gerechtigkeit im Hinblick auf Vermögen löst eine gewisse Irritation auch deshalb aus, weil da ein besorgter Hirte sprach, der selbst in einem Palais residiert, das auf einen Verkehrswert von immerhin 120 Millionen Euro taxiert wird. Und zwar nicht von irgendwelchen dubiosen Kirchenkritikern, sondern von der Diözese selbst. Die ist im Übrigen die reichste im durchaus nicht armen deutschen Kirchenland. Schon wenn man alle Kirchen und sakralen Gebäude wegen des schwer zu schätzenden Wertes mit nur je einem Euro bewertet und das Vermögen der 750 bayerischen Pfarreien und Stiftungen nicht mitrechnet, kommt für München/Freising ein Diözesan-Vermögen von rund sechs Milliarden Euro zusammen. „Jetzt konkurriert München mit der US-Metropole Chicago um den Titel der reichsten Diözese der Welt“, glaubte die DIE ZEIT schon vor einer Weile zu wissen.
Auch was die laufenden Einnahmen anbetrifft, kann eher von einem mächtigen Strom denn von einem Rinnsal gesprochen werden. Die gut 1.200 Beschäftigten der Diözese vom Kardinal über die Priester bis zur „sonstigen Mitarbeiterin im pastoralen Dienst“ konnten sich 2015 über Kirchensteuereinnahmen von 545 Millionen Euro freuen. Neben einigen sonstigen Einnahmen schusterte auch der bayerische Freistaat noch mal 86 Millionen Euro zu, so dass der Gesamtetat 735 Millionen Euro betrug.
Dass kirchliche Mitarbeiter auf den unteren Hierarchiestufen dem Niedriglohnsektor weit näher stehen als dem gehobenen Management, ist allerdings bekannt. Dafür verdient ein Kardinal in Deutschland – regional unterschiedlich – zwischen 9.000 und gut 12.000 Euro monatlich.
Neigte man zur Polemik, könnte einen vor diesem Hintergrund durchaus die Frage ankommen: Hand aufs Herz, Monsignore Marx, sind unsittlich hoch vielleicht immer nur die Vermögen und Einkommen der anderen?
Und es bleibt ja nicht beim Gehalt. Das ist nur so eine Art Grundsicherung. Als Kardinal wohnt man darüber hinaus mietfrei und hat einen stattlichen Dienstwagen der S-Klasse oder einen 7-er BMW nebst Chauffeur zur Verfügung. Selbstredend ist auch für Altersversorgung und Krankenversicherung zum Nulltarif gesorgt. Da parliert es sich dann natürlich besonders locker über soziale Kälte und Ungerechtigkeit. Und da fliegen einem auch solche Gedanken zu, wie der folgende, den Kardinal Marx ebenfalls dem SPIEGEL offenbarte: „Reichtum kann Menschen einengen, er kann sie hindern, ihren Weg in die Freiheit und zu Gott zu finden.“
Der möge seinen Hirten davor bewahren, in diese üble Falle zu tappen. Aber er könnte ihn zugleich mal dazu anhalten, sein Augenmerk etwas stärker auf den eigenen Laden zu richten, bevor er den Rest der Welt berät.
Nicht unpikant: Kardinal Reinhard Marx gehört als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz zu den engen Beratern von Papst Franziskus und koordiniert den Wirtschaftsrat des Vatikans.
Das päpstliche Motto?
„Arme Kirche für die Armen!“
Schlagwörter: Geld, Kardinal, Kirchen, Konkordat, Papst, Reinhard Marx, Septentrionalis, Steuern