19. Jahrgang | Nummer 21 | 10. Oktober 2016

Vom Ledereimer zur Feuerwehr

von Dieter Naumann

In früheren Zeiten kam es immer wieder zu verheerenden Bränden in Städten und Gemeinden auf Rügen. Allein Bergen wurde zwischen 1445 und 1726 von insgesamt sieben Bränden heimgesucht, so 1445 mit Zerstörung des Klosters, Teilen der Kirche und einem Großteil des Ortes, und 1538, als 55 Wohnhäuser und Nebengebäude am Markt und in der Königsstraße in Asche gelegt wurden. Die Gründe lagen unter anderem in der Bauweise der Häuser mit ihren anfangs schornsteinlosen Stroh- oder Rohrdächern, später in der fehlenden oder ungenügenden Wartung der Feuerungsanlagen und Schornsteine, den engen Gassen, ungenügenden Wasservorräten und dem fehlenden organisierten Feuerlöschwesen.
Recht früh wurden die Bewohner durch Nachtwächter alarmiert, später gaben die Kirchenglocken Feueralarm (Sturmläuten), dann kamen grell tönende Feuerhörner zum Einsatz. Trotzdem konnten die Bewohner außer dem nackten Leben meist lediglich einige Habseligkeiten retten, mussten ansonsten aber ohnmächtig zusehen, wie ihre Häuser abbrannten. Es bedeutete schon einen Fortschritt, dass in vielen Orten jede Familie über einen meist mit Tran ausgeschmierten Ledereimer zum Wasserschöpfen und einen Feuerhaken verfügen musste. Wer damit nicht am Brandort erschien, hatte mit Strafe zu rechnen.
Die schwedische Regierung erließ Anfang des 18. Jahrhunderts einige Verordnungen zur Feuersicherheit in den Städten. So waren die Schornsteine und Feuerstätten alljährlich zu besichtigen, Feuerspritzen, Wasserfässer und Leitern zu beschaffen und alle Strohdächer innerhalb eines halben Jahres in den Städten zu beseitigen. 1769 wurde in Zirkow auf Veranlassung der schwedischen Regierung die „Brand-Assekuranz-Societät“ ins Leben gerufen, bei der man sich gegen Brand versichern konnte. Anfangs gehörten der Societät nur ländliche Gemeinden an, erst 1800 öffnete sie sich auch den Städten Bergen und Garz sowie den Flecken Gingst und Sagard.
Es gab auch eine Reihe privater Initiativen zur Brandbekämpfung. So regte Pastor Johann Gottlieb Picht 1756 in Gingst den Kauf einer kleinen Feuerspritze an. 1836 kamen bei einem Brand dann schon eine größere Spritze und so genannte Feuerküfen von den Gutshöfen, das waren große Holzfässer auf Pferdewagen, zum Einsatz. Die erste freiwillige Feuerwehr wurde 1897 in Binz gegründet, sie verfügte bald auch über die erste mechanische Drehleiter und das erste motorisierte Feuerwehrauto auf Rügen, 1899 folgten Putbus, 1900 Göhren und Garz, Altenkirchen 1901 und so weiter.
Einige Episoden aus der Rügenliteratur illustrieren Bildung und Einsätze der Freiwilligen Wehren.
1900 wurden die Mitglieder der 1899 gegründeten Putbuser Wehr eingekleidet, wobei aus Geldgründen auf die geplanten Pickelhauben verzichtet werden musste. 1903 wurde alle Mitglieder mit abgelegten Mänteln der königlichen Landgendarmerie Berlin ausgestattet. Ein Mantel kostete noch vier Mark, die Wehr musste bei der örtlichen Darlehnskasse extra einen Kredit aufnehmen. Das Rügensche Kreis- und Anzeigeblatt berichtete am 13. Januar 1905: In den nächsten Tagen werde in Putbus von den passiven Mitgliedern der Wehr wieder der Beitrag von 5 Mark eingezogen. „Oftmals sieht der Bote kein freundliches Gesicht, wiewohl der geringe Beitrag einem Institut gilt, das der Allgemeinheit dient. Außerdem hat die passive Mitgliedschaft ja auch noch den Vorteil, dass passive Mitglieder im Falle eines Brandes nur in ganz dringenden Fällen Hülfe zu leisten brauchen.“
Ausführlich informierte das Blatt am 11. August 1906, dass Seine Durchlaucht der Fürst zu Putbus der Freiwilligen Feuerwehr „den in letzter Zeit vielfach bekannt gewordenen Handlöschapparat ‚Minimax‘“ geschenkt habe. „Selbiger soll nach erfolgter Erprobung während der Spielzeit im Fürstlichen Schauspielhause angebracht werden… Während die seit längerer Zeit gebrauchten Handlöschapparate, wie Spareimer, Löschdosen, Löschpulver und Löschgranaten erfordern, dicht an den Brandherd herangebracht zu werden, ist dies bei ‚Minimax‘ nicht nötig […] Dabei ist seine Konstruktion und Verwendung so einfach, daß er von einem Kinde gehandhabt werden kann.“
Kurios erscheint aus heutiger Sicht die Mitteilung in der Chronik der Freiwilligen Feuerwehr von Putbus, dass die Kameraden Fritz Anders und Albert Köpke sich verpflichteten, die Geräte der Feuerwehr für eine jährliche Entschädigung von 20 Mark zu putzen. Für jedes größere Reinemachen (nach jedem Ausrücken putzen, schmieren und wachsen) wurden für die Spritze 1,50 Mark, den Mannschaftswagen 1,50 Mark und den Wasserwagen 0,75 Mark extra gezahlt.
In Garz begann man nach den großen Brandkatastrophen im 18. und 19. Jahrhundert über ein verbessertes Feuerlöschwesen und vorbeugende Maßnahmen nachzudenken. Jetzt wurden die Häuser nicht mehr aus Fachwerk mit Weidengeflecht und Lehmbewurf gebaut, sondern mit massiven Fronten. Außerdem wurde die Bürgerschaft entweder als „Spritzenbürger“ oder „Wasserfüller“ zum Feuerlöschdienst verpflichtet, sogar eine Handdruckspritze wurde angeschafft, 1850 verfügte man bereits über zwei Spritzen, fünf Schläuche, sechs Feuereimer, elf Bütten, sechs Feuerhaken, acht Feuerkufen und eine große Leiter. Jeder Spritze waren 36 Mann als Spritzenbürger und 16 Mann als Wasserfüller zugeteilt.
1903 war das Gründungsjahr der Freiwilligen Feuerwehr von Saßnitz und Crampas, damals mit 25 Mitgliedern im Hotel Bellevue. Noch 1896 hatte das Rügensche Kreis- und Anzeigeblatt über die Ergebnisse einer Kontrolle berichtet: „Viele vorgeschriebene kleinere Geräthe fehlten ganz, die größeren waren in mangelhaftem Zustande und einzelne Geräthe an einem schwer zugänglichen Orte aufbewahrt.“
Während des Zweiten Weltkrieges mussten Sassnitzer Frauen die Männer auf den Feuerlöschfahrzeugen ersetzen. „Wenn Frau Peters am Steuer saß, wollte keiner der Männer einsteigen“, wird in einer Episode berichtet. „Sie nahm die Kurven auf nur zwei Rädern.“
Die Geburtsstunde der Freiwilligen Feuerwehr von Sellin bildete die Gründungsversammlung im Februar 1906. 1899 war in der Selliner Wilhelmstraße die Möllersche Konditorei abgebrannt. Der Gemeindevorsteher hatte sogar mit Reitern um Hilfe in den Nachbardörfern ersucht – vergebens. Zur Abhilfe bei künftigen Bränden wurde deshalb angeordnet, dass sich alle Grundstücksbesitzer mit einem Feuerhaken von fünf Metern Länge, einem Eimer, einer Leiter und einer gut verschlossenen Laterne auszurüsten hätten. 1905 beschließt die Selliner Gemeindevertretung den Bau eines Spritzenhauses mit zwei beheizbaren Arrestzellen, einer Remise für den Wasser- und Sprengwagen und einem Steigerturm mit Vorrichtung zum Trocknen der Schläuche.
Im Gründungsstatut der Feuerwehr von Sagard im Jahre 1911 hieß es unter anderem: „Jedes Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr hat im Dienst ehrenhaftes, männliches Betragen, insbesondere Nüchternheit, Pünktlichkeit, Ruhe, Ausdauer, Gehorsam, Mut und Besonnenheit zu zeigen.“ Tabakrauchen, Schreien und Lärmen während des Dienstes waren verboten. Unentschuldigtes Fehlen bei einer Übung kostete 25 Pfennig Strafe, Verspätung 10 Pfennig, wer eine Übung zu früh verließ musste gar 50 Pfennig zahlen. „Unehrenhafte Handlungen“ oder „unanständiges“ Betragen konnten zum Ausschluss aus der damals 20 Mitglieder umfassenden Wehr führen.
1912 wurde die Freiwillige Feuerwehr von Poseritz gegründet, deren 16 Kameraden nur über eine Handspritze verfügten, eine Motorspritze wurde erst 1920 angeschafft. Die Kameraden waren anfangs auf Pferde angewiesen, um zum Brandort zu kommen. Es wird berichtet, dass der Spritzenwagen 1921 nach einem Blitzeinschlag ausrückte. Den Kameraden fehlten aber die Pferde. Als die Tiere endlich gesattelt waren, wusste niemand mehr, wo die Spritze hingefahren war. Um den Brandort zu orten, musste ein Radfahrer vorgeschickt werden.
Über die Feier zum einjährigen Geburtstag der Kasnevitzer Feuerwehr berichtete das Rügensche Kreis- und Anzeigeblatt im Februar 1912. Die Feierlichkeiten fanden im Vereinslokal („Schröderʼs Gasthof“) statt und wurden mit einem Kaiserhoch eröffnet. Nach dem Verlesen eines Telegramms des Kreisbrandmeisters „folgte ein von Fräulein Schröder sehr wirkungsvoll vorgetragener Prolog, der Einakter ‚Der Hauptmann von der Feuerwehr‘, von Mitgliedern der Wehr sehr hübsch dargestellt und noch einige Couplets und lebende Bilder aus dem Feuerwehrberuf.“
Auslöser für die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr von Seedorf im Jahre 1929 war ein nächtlicher Brand im Nachbarort Neuensien. Die Wehren in den umliegenden Dörfern mussten durch reitende Boten alarmiert werden, weil es im Fernsprechamt Sellin keine Nachtschicht gab. Endlich herangeführt, fror die Lanckener Spritze ein, die Selliner Spritze wurde durch einen Kolbenbruch manövrierunfähig. Dumm gelaufen.