von Ulrich Busch
Würde man heute eine Liste mit den populärsten ökonomischen Ideen, Einfällen und Lösungsvorschlägen zusammenstellen, so wäre der Wunsch nach einem bedingungslosen Grundeinkommen ganz sicher darunter. Wahrscheinlich würde er sogar ganz oben auf der Liste stehen. Obwohl die Utopie vom „guten Leben ohne Arbeit“ keineswegs neu ist, vielmehr seit Jahrhunderten durch die Köpfe geistert, sei es als Kindermärchen vom „Schlaraffenland“, als Legende vom „verlorenen Paradies“, als Lügen- und Narrengeschichte, als plebejische Sozialutopie oder als Satire vom „Recht auf Faulheit“ (Paul Lafargue), so populär wie heute war diese Wunschtraum-Idee noch nie. Parteien haben sie in ihre Programme aufgenommen, zum Beispiel die Piraten. Andere liebäugeln zumindest partiell immer wieder mit ihr, so DIE LINKE und zuvor schon die Grünen. Es gibt auch eine Bürgerinitiative, die aktiv dafür wirbt. In der Schweiz fand kürzlich eine Volksabstimmung über die Einführung eines Grundeinkommens statt. Aber ohne Erfolg. Finnland startet gerade den Versuch, ein solches Modell auf niedrigem Niveau zu testen. Selbst prominente Ökonomen nehmen sich dieses Themas an, zuletzt Anthony B. Atkinson (2016: „Ungleichheit“). Seine Vorstellung über die Höhe des Zahlbetrages dürfte jedoch viele enttäuscht haben.
Theoretisch gelten verteilungsfokussierte Ansätze zur Gestaltung einer Wirtschaftsordnung ohnehin nicht viel. Karl Marx hat sie bekanntlich als „vulgärökonomisch“ abqualifiziert. Wohl nicht zu Unrecht, das aber sei hier nur am Rande vermerkt. Gemessen an dem unermüdlichen Einsatz der Befürworter eines existenzsichernden Grundeinkommens für alle und jeden, ohne Bedürftigkeitsprüfung und Arbeitspflicht, sind die praktischen Erfolge, die bisher auf diesem Gebiet erzielt worden sind, eher mager. Fragt man, woran dies wohl liegen mag und warum die praktische Umsetzung dieser Idee bis jetzt so wenig Erfolg hat, so stößt man auf das Problem ihrer Finanzierbarkeit. Auch wenn dies für viele Anhänger eines bedingungslosen Grundeinkommens überhaupt kein Problem zu sein scheint („Geld kann man drucken!“), so kommt diese Frage in unserer Gesellschaftsordnung doch einer Hürde gleich, woran jeder Vorschlag scheitert, wenn dafür keine befriedigende Lösung vorgelegt wird. Da nützen auch alle Beteuerungen des emanzipatorischen Potenzials, das einem Grundeinkommen innewohnt, oder eines vermeintlichen „Rechts auf Teilhabe“ nichts. Auch die beste Idee bedarf zu ihrer Umsetzung einer soliden Finanzierung!
Während sich alle bisher dazu angestellten ökonometrischen Modellüberlegungen und Berechnungen als ungenügend erwiesen, kommt die Rettung jetzt aus einer ganz anderen Ecke: von der Geldtheorie. In kritischer Reflexion der Funktionsprobleme unseres Geldsystems und als geldpolitische Reaktion auf dessen Versagen in der letzten Banken- und Finanzkrise basteln Bürgerrechtler, Juristen, Journalisten, Mathematiker, Soziologen und auch einige Ökonomen seit längerem an einem „Geldsystem der Zukunft“, dem Vollgeldkonzept. Hierunter wird eine Geldordnung verstanden, worin der Unterschied zwischen Zentralbankgeld und Geschäftsbankengeld aufgehoben ist. Alles zirkulierende Geld würde vom Staat emittiert werden und wäre vollwertiges gesetzliches Zahlungsmittel oder kurz: Vollgeld. Damit wäre das Geldsystem, jedenfalls in der Vorstellung seiner Erfinder, nicht nur frei von den Mängeln, die dem gegenwärtigen Kreditgeldsystem anhaften. Es würde zudem auch noch die Finanzierung eines bedingungslosen Grundeinkommens in komfortabler Höhe sicherstellen. Wie das genau funktionieren soll, kann hier nicht dargestellt werden. Dazu bedarf es einer eigenen Publikation. Soviel sei aber verraten: Durch Umbuchungen auf Zentralbankkonten und durch die Zentralisierung der Geldschöpfungsgewinne der Banken, der sogenannten Seigniorage, beim Staat sollen mehrere Billionen Euro (!) gewonnen werden, woraus man jeder Bürgerin und jedem Bürger ein bedingungsloses Grundeinkommen zahlen kann. Darüber hinaus lässt sich davon auch noch, sozusagen als Nebeneffekt, die seit der letzten Krise aus dem Ruder gelaufene Staatsverschuldung reduzieren oder sogar gänzlich zurückzahlen. Vollgeld wäre ein „Geld ohne Schuld“ (Jürgen Kremer), seine Einführung würde Schluss machen mit der heute überall anzutreffenden Kredit- und Schuldenwirtschaft. – Wenn das keine tolle Idee ist, dann weiß ich wirklich nicht, was man noch erfinden muss, um bei den Menschen, vor allem bei denen, die auf ein Grundeinkommen hoffen, Eindruck zu machen!
Es soll dahingestellt bleiben, ob dieses ordoliberale Geld- und Wirtschaftsmodell in der Praxis wirklich so funktioniert. Tatsache ist aber, dass es keine Wirkung ohne Nebenwirkungen gibt. Diese würden hier in einer spürbaren Reduktion der Geldmenge und damit in einem Rückgang des Kreditvolumens bestehen. Nun sind Kredite, insbesondere Investitionskredite, eine Grundvoraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Innovativität. Beides würde folglich unter den Bedingungen einer Vollgeldzirkulation zurückgehen, ein Effekt, der aber vermutlich auch schon durch die bloße Einführung eines Grundeinkommens eintreten würde. Jetzt wäre er doppelt gegeben und die Stagnation der Wirtschaft würde zum Normalzustand werden. Aber auch das wäre in den Augen der Grundeinkommens- und Vollgeldprotagonisten kein wirklicher Negativeffekt. Ganz im Gegenteil: Mit der richtigen Ideologie lässt sich auch das als Vorzug verkaufen. Die Argumente dafür liefert die seit einigen Jahren überall in Mode gekommene Theorie des Postwachstums. Diese geht davon aus, dass das Wirtschaftswachstum aufgrund von immer evidenter hervortretenden ökologischen Grenzen des Ressourcenverbrauchs und unbeherrschbaren externen Effekten der industriellen Produktion gestoppt werden müsse. Statt Produktivitätszuwachs und Effizienzsteigerung seien die Reduktion der Produktion, Konsumverweigerung und Suffizienz gefragt. Es geht hier also nicht um ein anderes, qualitatives oder ökologisch nachhaltiges Wachstum, sondern um überhaupt kein Wachstum mehr. Nur in einer Wirtschaft des statischen Gleichgewichts, einer steady-state economy, könne die Menschheit, so die Postwachstumsvertreter, überleben. Alles andere endet in einer ökologischen, ökonomischen und sozialen Katastrophe, in einem globalen Kollaps apokalyptischen Ausmaßes.
Damit schließt sich der Kreis: Bedingungsloses Grundeinkommen, Vollgeld und Postwachstum sind die Komponenten eines alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftskonzepts, wie es heute in ist und als alternative Zukunftslösung lautstark propagiert wird. Da diese drei Ideen sich wechselseitig bedingen und komplettieren sowie als Verteilungskonzept, Geldsystem und Produktionsmodell einander entsprechen, bilden sie die „alternative Triade“ unserer Zeit.
Schlagwörter: bedingungsloses Grundeinkommen, Postwachstum, Schlaraffenland, Ulrich Busch, Vollgeld, Wirtschaftspolitik