von Arndt Peltner, Oakland
Am 20. Mai dieses Jahres wurde Donald Trump ganz offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der National Rifle Association, der NRA, erklärt. Die NRA ist die lautstärkste Waffenlobby in den USA, mit einem ausländischen Korrespondenten wollten sie nicht sprechen. „Kein Interesse“, war die knappe Antwort auf mehrmalige Anfragen. In Washington heißt es, die NRA sei eine der drei wichtigsten Lobbygruppen überhaupt. Mit ihren mehr als fünf Millionen Mitgliedern und der finanzstarken Waffenindustrie im Hintergrund ist die Organisation zu einem politischen Powerhouse in den USA geworden. Ohne die NRA läuft nichts in Washington, wie das auch kürzlich der Sprecher des Senats, der Republikaner Mitch McConnell eingestand. Auf die Frage, warum der Senat die Nominierung des von Barack Obama vorgeschlagenen Verfassungsrichters Merrick Garland blockiert, antwortete McConnell: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die noch aktuelle republikanische Mehrheit im US-Senat einen Kandidaten unterstützt, der von der National Rifle Association abgelehnt wird.“
Gegründet 1871 als eine Vereinigung von Sportschützen und eine Organisation zur Verteidigung des Grundrechts auf Waffenbesitz, sieht sich die NRA heute als die älteste Bürgerrechtsgruppe in den USA. Seit Mitte der 1970er Jahre mischt die NRA die politische Landschaft in Washington und den Bundesstaaten auf. Sie unterstützt und bekämpft Kandidaten, abhängig davon, wie er oder sie zum Grundrecht auf Waffenbesitz, dem „Second Amendment“, in der amerikanischen Verfassung steht. Und dieses Grundrecht sieht so aus: Da eine wohlgeordnete Miliz für die Sicherheit eines freien Staates notwendig ist, darf das Recht des Volkes, Waffen zu besitzen und zu tragen, nicht beeinträchtigt werden. Und genau dieser Satz spaltet die amerikanische Nation.
Die einen sehen darin ein allgemeines und umfassendes Grundrecht auf Waffenbesitz ohne jegliche Beschränkung. Andere, wie Billie Weiss, eine der bekanntesten Befürworterinnen von „Gun Control“ in den USA erklärt dagegen: „Die Gründungsväter gehörten einer Miliz an, sie hatten Musketen, sie stopften Schwarzpulver hinein und drückten einmal ab, und das flog dann überallhin. Heute haben wir eine andere Technologie, es gibt sogar schon Waffen, die man sich daheim am 3D-Drucker ausdrucken kann.“
Die Unterstützung für Donald Trump durch die NRA kam etwas überraschend, denn Trump war nicht immer für den unregulierten Zugriff auf Schusswaffen in den USA. In seinem Buch „The America we deserve“, veröffentlicht im Jahr 2000, schrieb Trump: „Ich lehne Waffenkontrolle grundsätzlich ab, aber ich unterstütze das Verbot von Sturmgewehren und ich unterstütze eine etwas längere Wartezeit, um eine Waffe zu erwerben.“ Damals überlegte der Milliardär, ob er als Drittkandidat gegen George W. Bush und Al Gore antreten sollte. Mit dieser Haltung wollte er im demokratischen und Independent Lager punkten. Doch davon will Trump 16 Jahre später und nun der Kandidat der Republikaner nichts mehr wissen. Im März dieses Jahres erklärte er dann in einem Interview: „Ich unterstütze das nicht mehr. Ich unterstütze das Verbot von Sturmgewehren nicht mehr.“ Trumps Kehrtwende, oder Flip-Flopping, wie man in den USA sagt, überrascht, denn Sturmgewehre, wie sie in Orlando, in Aurora, in Newtown oder auch in San Bernardino genutzt wurden, wurden in den letzten Jahren zum Lieblingsgerät für Amokläufer und Terroristen. Allein in den letzten zehn Jahren kam es zu 14 solcher Taten, die Hälfte davon seit Juni 2015.
Eigentlich müssten die Sturmgewehre, verboten sein. Zumindest waren sie das zehn Jahre lang. 1994 unterschrieb der damalige Präsident Bill Clinton ein Gesetz, das den Verkauf dieser Schusswaffen illegal machte. Doch zehn Jahre später, nun unter Präsident George W. Bush, konnte sich der US Kongress nicht darauf einigen, das Verbot für diese Art von Waffen zu verlängern. Die NRA machte Druck auf republikanische Abgeordnete mit dem Argument, dass das Verbot von Sturmgewehren kaum Auswirkungen auf die Mordrate in den USA hätte. Von daher mache es auch keinen Sinn Sturmgewehre generell zu verbieten. Die Republikaner im Kongress und Senat unterstützten die Sichtweise der NRA und blockierten eine Verlängerung des Verkaufsverbots.Die Schlacht war verloren, aber der Kampf um ein erneutes Verbot der Sturmgewehre ging weiter, die notwendigen Mehrheiten kamen jedoch nicht zustande.
Die Demokraten im Kongress wollten die Aufhebung des Verbots nicht akzeptieren. Bushs Nachfolger Barack Obama versuchte erneut einen Vorstoß, doch auch er erhielt keine Mehrheiten im Kongress. Ganz deutlich wurde dies im März 2013, wenige Monate nach den tödlichen Schüssen in der Sandy Hook Grundschule in Newtown, Connecticut. 20 Kinder im Alter von sechs und sieben Jahren und sechs Erwachsene wurden beim Amoklauf des 20jährigen Adam Lanza getötet. Viele Befürworter von strengeren Waffengesetzen hofften nach dem Blutbad an der Sandy Hook Grundschule auf eine Umkehr, auf ein klares Zeichen der Politik, dass so etwas nicht mehr passieren wird. Wer ist noch sicher in den USA, wenn noch nicht einmal Kleinkinder vor Amokläufern geschützt werden können, fragten sich viele?
Doch es kam anders. In einer Anhörung im Senat argumentierte der texanische Senator Ted Cruz gegen seine demokratische Kollegin, Dianne Feinstein, dass ein Verbot bestimmter Waffen genauso gegen das in der Verfassung verankerte Grundrecht auf Waffen verstoßen würde, wie das Verbot einzelner Bücher gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit.Nach diesen Aussagen, hätte eigentlich Ted Cruz der Kandidat der NRA sein müssen. Er hatte immerhin bewiesen, dass er sich in Washington mit Worten und Taten für das vermeintliche Grundrecht auf Waffenbesitz einsetzt, über dessen Auslegung in den USA seit Jahrzehnten gestritten wird. Doch die Waffenlobby setzte spät im Rennen, als fast alles schon entschieden war, auf den New Yorker Milliardär Donald Trump. Der hat eigentlich nur einen Plan zu Verbesserung der inneren Sicherheit, mehr Waffen sind die Lösung…und das kommt an bei der National Rifle Association. Sowieso sieht die NRA ihre bewaffneten Mitglieder als einen wichtigen Teil im „Krieg gegen den Terror“. Gleich mehrere Werbespots wurden in den vergangenen Monaten geschaltet. Mit einer Knarre in der Hand ist ein Amerikaner bereit, einen Anschlag zu vereiteln, sein Land gegen angreifende Terroristen zu verteidigen. Ein unsinniger Gedanke, doch die NRA verkauft dies als wichtiges Argument für den Waffenbesitz in den USA.
Nach der Schießerei vom 2. Dezember 2015 im kalifornischen San Bernardino, bei der 14 Menschen starben und 22 zum Teil schwer verletzt wurden, brannte erneut eine heftige Debatte in den USA über den Zugang zu Waffen aus. Und das Thema war fortan eines der wichtigen Themen im Wahlkampf ums Weiße Haus. Präsident Obama nahm am 7. Januar an einem Town Hall Meeting mit geladenen Gästen teil, live übertragen von CNN. Einer der Gäste bei dieser Diskussionsrunde mit dem Präsidenten war Kris Jacob, der Vize-Präsident der American Firearms Retailers Association und Besitzer zweier Gun-Stores, einer in San Rafael, Kalifornien, der andere in Gardnerville, Nevada. Jacob, ein Befürworter des Second Amendment ist Ende 40, drahtig, redegewandt und offen für eine Debatte über Waffen. „51 Prozent unserer Kunden sind Frauen. Sie sagen mir alle das gleiche, um 2.30 Uhr in der Nacht, wenn jemand in dein Haus einbricht, da denkt man nicht daran, wen man bei der letzten Wahl gewählt hat. Du denkst daran, wie man das Problem lösen kann. Entweder man hat das Werkzeug dafür und weiß wie man damit umgeht, oder eben nicht.“ Kris Jacob kommt in diesem Gespräch über Waffen in den USA, die er gerne als „Werkzeug“ umschreibt immer wieder auf seine Rolle zu sprechen. Für ihn, der Tausende von Gun Stores in den USA vertritt, geht es vor allem um den sicheren Umgang mit Knarren. Jacob sieht das Problem nicht, dass es in den USA zu viele Waffen gibt: „Zuallererst würde ich darauf hinweisen, dass die Vereinigten Staaten nicht das einzige Land sind, in dem unglückliche, traurige und sehr tragische Zwischenfälle passieren, in denen mehrere Personen durch gefährliche Waffen getötet werden. Es passiert überall. Es gibt wohl eine größere Häufigkeit. Das Werkzeug und der Zugang dazu in den USA wird manchmal als der Grund des Problems genannt. Aber Verkehrsunfälle, Kettensägenunfälle, Unfälle mit anderen Werkzeugen, die wir für nützlich halten, sind für weitaus mehr Tote im Jahr in den USA und anderswo verantwortlich als Waffen.“ Das ist das Argument, das man immer wieder in der Debatte um die Waffengewalt in den USA hört. „Not guns kill people, people kill people.“ Von mehr Waffengesetzen hält Jacob nichts. 33.000 Waffengesetze in den Vereinigten Staaten seien genug, so der Vize-Präsident der AFRA.
Laura Cutilletta sieht das ganz anders. Sie ist die Hauptanwältin am „Law Center To Prevent Gun Violence“, einer Organisation, die sich nach einer blutigen Schießerei in San Francisco 1993 gründete. „Die Rate der durch Schusswaffen Getöteten ist in den letzten Jahrzehnten im ganzen Land gefallen. In Kalifornien ist das sogar noch schneller passiert als im Rest des Landes. Kalifornien ist der Bundesstaat mit den strengsten Waffengesetzen in den USA. Wir haben die Gesetze in Kalifornien über die letzten 30 Jahre dokumentiert und es übertrifft jeden anderen Bundesstaat. Wir glauben Waffengesetze machen einen Unterschied. Aber es ist sehr schwer sie durchzubekommen.“ Kris Jacob spricht von 33.000 Waffengesetzen in den USA. Laura Cutilletta von Gesetzesinitiativen auf lokaler und bundesstaatlicher Ebene. Doch niemand hat den Überblick, was, wo und wie genau funktioniert. Der schnelle Ruf nach mehr, nach strengeren Gesetzen ist nicht wirklich die Lösung in den USA, wie Billie Weiss, Gewaltpräventionsexpertin an der UCLA erklärt. Erst einmal müsste man genauer hinsehen, Daten sammeln und auswerten. Doch selbst das verhindert die NRA. „Wir haben keinen Plan, ob die Waffengesetze überhaupt befolgt werden, denn wir können keine Nachforschungen dahingehend machen, ob etwas läuft oder nicht. Die NRA droht offen, Gelder im Gesundheitsministerium CDC streichen zu lassen, wenn über die Auswirkungen von Waffen geforscht wird. Und das, weil mit Zahlen bewiesen wurde, dass der Grund für vieles die Waffen sind.“ Laura Cutilletta kennt diese Drohungen. Sie selbst versteht nicht, warum die Waffenlobby sogar die allgemeinen Background Checks für Waffenkäufer blockiert: „40 Prozent der Waffen, die in diesem Land verkauft werden, werden ohne Background Check verkauft. In Kalifornien sind solche Checks verpflichtend, aber die meisten Bundesstaaten und auch die Bundesregierung verlangen diese nicht, solange man nicht von einem lizensierten Waffenhändler kauft. Es wäre ein erster Schritt, der sicherlich niemanden davon abhalten wird, eine Waffe zu besorgen. Es wird immer Wege geben, um an eine Knarre zu kommen, genauso wie man an Drogen oder anderes kommt. Aber, dagegen zu sein ist ungefähr so wie wenn man sagt, wir brauchen keine Stop-Schilder, denn einige beachten sie nicht.“ Dieses Argument hat der Präsident der NRA, Wayne LaPierre, oft genug gehört. Seine Meinung hat er deshalb aber nicht geändert: „Es gibt nur zwei Gründe, warum die Regierung diese Registrierung von Waffenbesitzern verlangt; um sie zu besteuern oder um sie ihnen wegzunehmen. Kein Waffenbesitzer, kein rational denkender Amerikaner glaubt, dass das einen Effekt auf die Gewaltkriminalität und ihre Rechte hat. Es wird niemanden sicherer machen.“
Im Idealfall geht alles in eine riesige Datenbank ein, in der jede Seriennummer mit einem Besitzernamen verbunden ist. Doch diese Art der Datensammlung und Datenabgleichung wird erst seit den späten 1990er Jahren durchgeführt. Dabei geht es um Waffenneukäufe. Ein Bruchteil der geschätzten 350 Millionen Knarren, die in den USA im Umlauf sind. Wie viele es genau gibt, das weiß niemand, auch diese Datenerhebung in den USA wird von der NRA blockiert.
Für Billie Weiss helfen Background Checks, aber täuschen darüber hinweg, dass die Täter in den meisten Schießereien weder vorbestraft noch durch mentale Störungen auffällig waren. Sie fielen bei den legalen Waffenkäufen gar nicht auf. Weiss sieht das Problem anders: „Wir haben eine Menge wütender Leute hier, wie man das in diesem Wahlkampf auch sehen kann. Wirklich, eine Menge aufgebrachter Menschen. Und eine Waffe zur Hand, macht aus einem Argument ein tödliches Ereignis.“ Bessere und allgemeine Kontrollen im ganzen Land, ein Verbot von bestimmten Waffentypen und Munition, eine veränderte Waffenkultur, das sind die schlichten Grundforderungen der Anti-Gun-Befürworter in den USA.
Doch Kris Jacob widerspricht dem, weniger Waffen würden nicht unbedingt das eigentliche Ziel erreichen: „Es ist interessant, denn in Großbritannien und auch in Deutschland gibt es einen riesigen Grad an Kontrolle beim Waffenkauf, es ist fast 100prozentig unmöglich eine Schusswaffe zu erwerben. Es sollte also eigentlich keine Morde mit Schusswaffen in diesen Ländern geben. Also, man könnte sagen, wir ziehen alle Waffen ein und es gibt keine Waffenkriminalität mehr. Wenn das stimmte, dann wären die bewaffneten Einbrüche in UK, seitdem dort Handfeuerwaffen verboten wurden, gleich Null. Aber ist es nicht. Man kann also dieses Problem nicht mit Gesetzen lösen.“ Jacob führt dabei auch das Beispiel Florida an, dort wurden vor mehreren Jahren immer wieder Touristen überfallen und ermordet. Der Staat Florida änderte seine Gesetze und erlaubte den Bürgern eine Schusswaffe zu tragen. Für Jacob ist das eine Lösung des Problems: „Wenn du einem was antun willst, dann sei auf eine deutliche Antwort vorbereitet. Die da heißt, die Person könnte eine Waffe haben und diese auch zur Selbstverteidigung einsetzen.“
Welche Auswirkungen die Blockadehaltung und der Einfluss der NRA auf Kongressabgeordnete im fernen Washington hat, spürt man auch in einer Stadt wie Oakland, die seit Jahren mit einer hohen Mord- und Gewaltrate zu kämpfen hat. Der Alltag in Oakland bedeutet pro Jahr etwa einhundert Morde, mal mehr, mal weniger. Ein Erfolg ist es, wenn am Ende des Jahres die Rate im zweistelligen Bereich bleibt. Hinzu kommen Hunderte weitere Schießereien, und bewaffnete Überfälle. Annie Campbell-Washington ist die stellvertretende Bürgermeisterin von Oakland. Eines ihrer Hauptthemen ist die Reduzierung der Straßengewalt in der Stadt. „Oakland hat einige sehr rigide Waffengesetze, es ist sogar illegal in Oakland Waffen zu verkaufen. Wir haben also keine Gun Stores in der Stadt, wo man welche erwerben könnte. Aber leider hält das keine Waffen ab. Wir haben einen riesigen illegalen Handel und wir haben eine der höchsten Raten an Gewaltverbrechen mit Schusswaffen im Land. Wir sind zu einem Land geworden, in dem viele Leute nicht mehr wissen, wie man eine Streiterei ohne Gewalt lösen kann. Es ist ein kulturelles Problem in unserm Land.“ Die Maßnahmen, die hier vor Ort ergriffen werden können, sind wenige, denn die NRA schaut auch genau hin, wie auf lokaler Ebene versucht wird, die Waffenflut unter Kontrolle zu bekommen. „Vor kurzem haben zwei Stadträte und ich an Gesetzen gearbeitet“, erklärt Campbell-Washington. „Wir haben so größere Magazine für Schusswaffen verboten und wir haben Sicherheitsbestimmungen für Besitzer verabschiedet. Es ist nun verpflichtend, dass Waffenbesitzer, wenn sie ihre Knarren im Auto lassen, sie in einer Lockbox im Kofferraum wegschliessen müssen. Eigentlich ganz klar, dass beim Autoaufbrechen nicht auch noch eine Waffe geklaut wird. Das gilt auch daheim, wer ein Schießeisen hat, muss es in seinem Zuhause wegsperren, damit zum Beispiel keine Kinder damit rumspielen und versehentlich jemanden erschießen, was leider zu oft in unserem Land passiert.“
Doch selbst diese durchaus sinnvollen lokalen Beschränkungen im Waffenbesitz sind der NRA ein Dorn im Auge. „Diese Gesetze wurden in Oakland verabschiedet. Wir haben allerdings Briefe der NRA erhalten, als wir die Beratungen dazu hatten, die uns von einer Umsetzung abrieten und es notfalls vor Gericht klären lassen würden. Bislang haben sie jedoch nichts dergleichen gemacht. In anderen Städten, wie Los Angeles, wo ähnliche Gesetze bezügliche größerer Magazine verabschiedet wurden, hat die NRA geklagt. Wir müssen also abwarten, ob sie das auch hier in Oakland vorhaben.“
Carmine Vicino, Mitte 50, lebt und arbeitet in San Francisco. Er wurde hier geboren, wuchs hier auf, ist fest verankert in der italienisch-amerikanischen Gemeinde der Stadt. Er ist stolzer Waffenbesitzer, gleich zwei Knarren liegen in seinem Haus auf dem Tisch. Seine Frau wollte keine Schusswaffe im Haus haben, solange die Kinder noch klein sind. Als sie zum Studieren in eine andere Stadt zogen, bewaffnete sich Vicino umgehend.„Zu wissen, dass man sie hat, falls man sie braucht, erfüllt den Zweck. Es beruhigt etwas.“ Vicino lebt in einem sicheren Teil der Stadt, Überfälle sind hier eine Seltenheit. Aber er glaubt, es sei besser, wenn er bewaffnet ist. Das ist auch das Bild, das die NRA verbreitet, das aber nicht der Realität entspricht, so Billie Weiss: „Eine Waffe im Haus wird ganz selten zur Selbstverteidigung genutzt, viel öfter wird sie von jemandem im Haus gegen einen anderen im Haus genutzt. 22 Prozent der Polizisten, die getötet werden, sterben durch ihre eigene Pistole. Also, nur eine Waffe zu haben, macht einen nicht sicherer.“ Auch Laura Cutiletta sieht die Angstkampagne der NRA und ihrer Befürworter wie Donald Trump: „Leuten Angst einflößen und ihnen sagen, dass sie ständig in Gefahr sind, dass man bewaffnet sein sollte, auch wenn man in der Kirche ist, bei Starbucks, in einer Bar, kauf dir lieber eine Knarre. Auch wenn das nicht stimmt, dass mehr Waffen uns sicherer machen, das ist ihre Sprache, denn sie vertreten eine Industrie, der sie dienen.“
Die letzten Jahre und dieser Wahlkampf zeigen erneut den tiefen Graben auf, der sich beim Thema Waffenbesitz durch die USA zieht. Keine Amokläufe an Schulen, an Universitäten, in Kindergärten, in Kinos, in Kirchen, auf Weihnachtsfeiern, in Tanzclubs haben bislang zu einer Annäherung der beiden Seiten geführt. Für Laura Cutilletta zählen jedoch die kleinen Erfolge: „Ich weiß nicht, ob es da ein Ende gibt, an dem wir wirklich waffenfrei sein werden. Aber früher war da nur eine Macht vor Ort und das war die NRA, die Waffen Lobby. Und das war’s. Nur davon hörte man in den Medien, nur davon hörten die Abgeordneten im Kongress. Doch nun gibt es ein paar neue Kräfte.“ Cutilletta sieht eine wachsende Anti-Gun-Bewegung in den USA, die, so die Hoffnung der Anwältin, in naher Zukunft mehr erreichen wird. Es kann eigentlich nur besser werden.
Jedes Jahr werden in den USA zwischen 12.000 und 15.000 Menschen mit Schusswaffen ermordet. Noch einmal so viele Amerikaner begehen mit Guns Selbstmord. Hinzu kommen etwa 20.000 zum Teil Schwerverletzte durch Schusswunden. Und dennoch beharrt die Waffenlobby auf einem Grundrecht, über das sich die Nation offen streitet. Das geht so weit, dass die republikanische Mehrheit im Kongress nach den Terroranschlägen von Paris und Orlando sogar eine Gesetzesinitiative blockierte, die vorsah Personen auf der „No-Fly“-Liste den Waffenkauf zu verbieten. Auf dieser Liste stehen Namen von Terrorverdächtigen aus dem In- und Ausland. Nach dem Ende des Vorwahlkampfes wird die NRA nun alles daran setzen, dass nicht die erklärte Waffen-Gegnerin Hillary Clinton, sondern ihr Kandidat Donald Trump ins Weiße Haus einziehen wird. Mit der Angst vor Meuchelmördern, Vergewaltigern und Terroristen wird um die Wählerstimmen gebuhlt. Für Billie Weiss steht fest, falls das Undenkbare eintreffen sollte, und Trump die Wahl im November gewinnt, bleibt nur eines: „Wir ziehen alle weg. Mein Vater war Kanadier…ich informiere mich gerade, ob ich die doppelte Staatsbürgerschaft habe.“
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