19. Jahrgang | Nummer 9 | 25. April 2016

Imaginäre emotionale Momente in einer Berliner Altbauwohnung

von Pearl Ann Ziegfeld

Es ist der 31. März 2016, ca. 22.40 Uhr.
Mutti setzt sich zum Professor auf die Couch.

Was siehst Du gerade?
Ne Quatschsendung?

Was soll das denn?
Was macht der denn da?
Muss das jetzt wirklich sein?
Hat der keine Ahnung, wie sensibel das ist?
Gerade jetzt.

Oh nein!
Oh nein!
Das sagt er nicht.
Das kann er nicht gesagt haben!
Das kann er mir nicht antun!
Oh Gott, was für ein Dreck!
Morgen brennt die Luft!
Bloß, weil so ein Hanswurst –
Wer ist das überhaupt?
nichts von Politik versteht!

Ich soll mich nicht aufregen?
Hast Du nicht gehört, was der gerade alles gesagt hat?
Das war doch das Allerletzte!
Das war Fäkalsprache!
Das soll Satire sein?
Was ist denn daran lustig?
Der Recep ist so was von sensibel.
Das gibt ein Desaster!
Seine Botschaft hängt ohnehin schon Tag und Nacht vor der Glotze.

Wir schaffen das schon?
Ja, Vielleicht.
Nein, wir müssen das schaffen.
Ich lasse mir meine schöne Politik
doch nicht von so einem Niemand versauen.
Was denkt der sich eigentlich?
Das hat mich Monate gekostet
und dann will der mir das,
mit so einem Scheiß,
innerhalb von 3 Minuten kaputtmachen?

Ich muss denken, denken, denken.

Mutti zückt das Handy.

Peter,
Hast Du das gerade gesehen?
Ja, genau.
Du wirst Dich sofort um den Sender kümmern.
Nein, sofort.
Die sollen sich was einfallen lassen.
Und zwar pronto.

Frank,
ruf den Botschafter an!
Zerr ihn weg vom Fernseher.
Hol ihn meinetwegen aus dem Bett. Egal.
Ja, persönlich.
Beruhige ihn.
Sag ihm, wir kriegen das in den Griff.
Welche Sprachregelung?
Aber ich bitte Dich,
bewusste Ehrverletzung.
Was denn sonst?
So was geht gar nicht.
In meinem Land geht so was gar nicht.
Alles klar?
Und ich rede mit Recep.
Oder mit Ahmet.
Wir müssen in dieser Sache Einigkeit demonstrieren.

Entschuldige.
Ich habe Dich akustisch grad nicht verstanden.
Ah ja.
Welcher Paragraph?
103?
Und was steht da?
Hervorragend!
Dann hänge ich noch einen Satz zur Meinungsfreiheit an.
Das müssen die Türken verstehen.
Das ist Innenpolitik.
Danach das gemeinsame Statement an die Presse.
Wie bitte?
Paragraph 104 a?
Wir müssen was entscheiden?
Dieser elende Schmierenkomödiant.
Dieser Wichser.
Dieser Ziegenf*****