Anne Will, personifiziertes Kontinuum – Bereits die kurze Zeit Ihres Wiederauftauchens auf dem sonntäglichen ARD-Sendeplatz nach dem Tatort hat uns restlos davon überzeugt, dass da ein Moderator, der über journalistische Kompetenz und Biss wie drei Meter Feldweg verfügte, durch jemanden ausgetauscht wurde, bei dem beides allenfalls anderthalb Meter weiter reicht. Dem Fass den Boden ausgeschlagen hat auf diesem Weg zur Erkenntnis Ihre Sendung „Wann steuern Sie um, Frau Merkel?“ vom 28. Februar, bei der Sie die Bundeskanzlerin allein auf der Couch hatten.
Das hätte die Chance geboten, nach Beantwortung der Eingangsfrage – Angela Merkel will nicht umsteuern, weil sie eine EU-europäische Lösung der Flüchtlingskrise für den einzig richtigen Weg hält – substanzielle Fragen zu debattieren, zum Beispiel: „Wie soll die Integration von mindestens über einer Million Flüchtlingen in Deutschland in den nächsten Jahren konkret bewerkstelligt werden und wo sollen die dafür benötigten Milliarden (siehe auch Antwort Bodo Ramelow) herkommen? Wie will man künftig mit EU-Partnern umgehen, die zwar gern alles mitnehmen, was Brüssel nicht nur finanziell zu bieten hat, Lastenteilung in der Flüchtlingsfrage aber verweigern? Welchen Anteil an der Lösung der Flüchtlingskrise müssten die USA schultern, deren „Wir bomben den Gegner in die Steinzeit“-Attitüde zwar schon in Indochina gescheitert war, aber jetzt die Flüchtlingsströme aus Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien erst so richtig losgetreten hat? Statt dessen, Frau Will, in nicht einmal sonderlich originellen Variationen nur immer wieder dieselbe (Eingangs-) Frage bis zum augenscheinlichen Gipfel Ihrer investigativen Phantasie: Ob die Kanzlerin denn zurücktrete, wenn auch die nächsten EU-Gipfel keinen Fortschritt in Richtung einer gemeinsamen Lösung brächten. (Merkel: „Dann müsste ich ja erst recht weiter machen.“) Und dann war die Sendung vorbei.
Aber wir haben einen Trost, wenn schon nicht für uns, so doch für Sie: Bei Jauch hat die ARD-Obrigkeit vier Jahre gebraucht, um ihren Besetzungsflop zu korrigieren. Wir sehen keine Veranlassung für irgendwelchen Optimismus, dass es dieses Mal schneller gehen könnte …
Bodo Ramelow, Empfangener – „Linke unter sich“, schrieben die Gazetten nach Ihrer jetzigen Privataudienz beim Papst. Der hatte bereits bei seinem ersten Zusammentreffen mit Medienvertretern im März 2013 gestoßseufzt: „Ach, wie möchte ich eine arme Kirche für die Armen!“ Wollen Sie Ihrem Bruder im Geiste auf dem Weg zu diesem Ziel nicht helfen? Allein das Erzbistum Paderborn – manche werden sich erinnern: dort ließ sich ein amtierender Bischof seine Amts- und Wohnkemenate „vergolden“, für 30 Millionen Euro, aus der Portokasse – nennt Milliarden-Werte sein eigen. Darunter allein 3,6 Milliarden an Finanzanlagen. Selbst wer das große Einmaleins beherrscht dürfte Mühe haben, den Reichtum aller 27 Diözesen in Deutschland zu addieren. Wie wäre es also, wenn die Katholische Kirche in den nächsten fünf Jahren (nur) 25 Prozent sämtlicher Kosten für Flüchtlingsintegration im Lande übernähme? Auch bei 50 Prozent wäre zwar anschließend immer noch nicht richtig Armut angesagt, aber immerhin … Also, lieber Bodo Ramelow, schicken Sie dem Heiligen Vater eine E-Mail, bedanken Sie sich für den netten Empfang, den (starken?) Kaffee und den leckeren (selbst gebackenen?) Kuchen und dann – kommen Sie zur Sache!
Erika Steinbach, Fleisch gewordener Blondinenwitz unterhalb jeglicher geschmacklichen und anderen Gürtellinien – Ihr xenophober, an Volksverhetzung grenzender Tweet, das Foto eines blondgelockten, von dunkelhäutigen Menschen umringten Kleinkindes mit der Frage zu versehen „Woher kommst du denn?“ und das Ganze unter die Überschrift „Deutschland 2030“ zu stellen, veranlasste FDP-Chef Christian Lindner, ganz öffentlich eine strikte Obergrenze zu fordern – für Dummheit. Dass Sie allerdings menschenrechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind und offenbar auch bleiben werden, lässt zur Gewissheit werden, dass sie nicht wenigen Funktionsträgern beider Parteien aus tiefster Seele sprechen. Dass es allerdings überhaupt zu weit kommen konnte, ist dem Sachverhalt zu danken, dass in deutschen Landen nach 1945 zig-Millionen Flüchtlinge integriert worden sind, auch wenn die im allgemeinen westdeutschen Sprachgebrauch seinerzeit Heimatvertriebene hießen. Soweit Ihre Entgleisungen nicht bereits Ausdruck von Alterssenilität sind, gehören sie also quasi zu den Spätfolgen der damaligen Willkommenskultur. Mit dergleichen werden wir auch künftig zu rechnen haben und damit leben müssen, wie uns jüngst erst eine Knallcharge der nächsten Generation vorgeführt hat, der türkisch stämmige Mitbürger Akif Pirinçci. Da behaupten wir mal: „Wir schaffen das.“
Heiko Sakurai, scharfsinniger Karikaturist – Mit wenigen Feder- und Malstrichen gelingt es Ihnen, politische Sachverhalte treffend zu charakterisieren, zum Kern dessen zu kommen, was Politiker (leider auch Journalisten) gern hinter Euphemismen und Wortblasen verstecken. Ihre Karikaturen zur Lage ersetzen das Studium zahlreicher Kommentare. Ein Blick (gut manchmal auch zwei, um die Sprechblasen Ihrer Protagonisten zu lesen) – und man sieht in die Abgründe, ahnt Komplexität und manchmal kann man dabei sogar lachen. Das ist große Kunst!
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