von Wolfgang Schlott
Die doppelte Biografie von Eduard („Edu“) Wald aus der Feder eines Mitte der 1930er Jahre geläuterten Kommunisten, den die Nazis zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilten, und aus der Perspektive seines Sohnes Peter, stellt in der jüngeren Publikationsgeschichte der Doppelbiografie ein gewisses Novum dar. Im Gegensatz zu der Außenperspektive der meisten Biografien über berühmte oder berüchtigte Persönlichkeiten aus der Sicht von Publizisten und/oder Schriftstellern oder Schriftstellerinnen schreibt Peter Wald aus einer wechselnden Perspektive, in der das politische Engagement des Vaters, die relativierende und distanzierte Einschätzung der Vaterfigur und die immer wieder korrigierte Bewertung seiner eigenen Haltung kombiniert werden.
In seinem Vorwort, das die Überschrift „Mein Vater“ trägt, dokumentiert er zunächst die zufällige Rettung des biografisch angelegten Tagebuchs, das Edu Wald im Zuchthaus Sonnenburg zwischen 1942 und 1943 schrieb. Wald, 1905 in Kiel in einer religiös-besessenen Familie geboren, nahm in den frühen 1920er Jahren Kontakt zur KPD auf. Bald verstärkten sich seine Zweifel an der politischen Redlichkeit der von Moskau aus gesteuerten Kaderpartei. Ungeachtet dessen ging er nach 1933 für die KPD in den Untergrund und wurde 1936 von der Gestapo verhaftet. Während seines Zuchthausaufenthalts verstärkte sich sein Misstrauen gegenüber den ebenfalls dort inhaftierten Kommunisten, ein Gesinnungswandel, der nach 1945 in seiner engagierten Arbeit im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) zum Ausdruck kam.
Der erste Teil seiner Biografie endete somit auf „halbem Wege“ und mündete in den „ganzen Weg“, auf dem es darum ging, „die Distanz zwischen Vater und Sohn, so weit wie möglich zu verringern.“ Die Annäherung bei der Bewertung von Handlungen und Positionen wie auch die gegenseitige Ergänzung von Informationen geben der Publikation eine übersichtliche Struktur. Im ersten Teil übernimmt Peter Wald die Rolle des ergänzenden Erzählers, dessen Textteil kursiv gesetzt ist. Im zweiten Teil ist es Edu Wald, der einige Textabschnitte (ebenfalls kursiv gesetzt) ergänzt und aufgrund seiner bitteren Erfahrungen mit dem kommunistischen Parteiapparat sicherlich auch Korrekturen in den Ausführungen seines Sohnes vorgenommen hat. Besonders aufschlussreich für die Nachkriegsgeschichte von KPD und SPD dürfte dabei der Bericht über den Bruch zwischen beiden Parteien im Vorfeld von deren Zwangsvereinigung in der sowjetischen Besatzungszone sein. Dass in diesem Kontext auch der Chefredakteur der Berliner Zeitung, Rudolf Herrnstadt, eine gewisse Rolle spielte, überrascht insofern, als dieser in publizistischer Hinsicht für ein Demokratieverständnis innerhalb der KPD und nach 1948 auch im Rahmen der SED und deren Zentralorgan Neues Deutschland eintrat und dafür von der Ulbricht-Clique nach 1953 auf üble Weise kalt gestellt wurde. Der damals in Sachen Parteidisziplin noch unerfahrene Peter Wald, für kurze Zeit im Umfeld von Herrnstadt tätig, flüchtete von Berlin nach Hannover, als er dem damals noch für den sowjetischen GRU (Militärischer Geheimdienst der Sowjetunion) Tätigen eine Liste aller Freunde und Genossen seines Vaters (als angeblicher Spion der Amerikaner „entlarvt“) zur Verfügung stellen sollte. Umso erfreulicher ist es, dass Peter und Eduard Wald die publizistischen Aktivitäten von Rudolf Herrnstadt im Vorfeld des Juni-Aufstands 1953 würdigen und damit auch an die leidenschaftlichen und zugleich objektivierenden Aussagen von Irina Liebmann in ihrem Buch über ihren Vater („‘Wäre es schön? Es wäre schön!‘ Mein Vater Rudolf Herrnstadt“) anknüpfen.
Abgesehen von solchen Aussagen sind Walds Ausführungen über die Kaltstellung der Gewerkschaft in Ostdeutschland und deren bis 1953 sporadisch bestehenden Beziehungen zum DGB, die in der BRD verhinderte Aufklärung über die Verbrechen der Nazis wie auch über die konkrete Arbeit des DGB für die Rechte der Arbeitnehmer für die Aufarbeitung der Geschichte der Gewerkschaften von besonderem Wert. Eduard Wald, 1978 in Bonn gestorben, wie auch Peter Wald, bis 1983 als zuletzt leitender Redakteur der Abteilung Naher- und Mittlerer Osten der Deutschen Welle tätig, haben mit dieser Publikation, betreut vom Verleger Helmut Donat, einen anschaulichen Beitrag zum langen Marsch von Sozialisten auf dem Weg in eine Demokratie geleistet, deren Bestand immer wieder gegen die Macht der Konzerne verteidigt werden muss.
Eduard und Peter Wald: Auf halbem und auf ganzem Wege. Der lange Marsch eines deutschen Sozialisten zur Demokratie (1905-1978), Donat-Verlag, Bremen 2014, 208 Seiten, 14,80 Euro.
Schlagwörter: DGB, Eduard Wald, KPD, Nachkriegsgeschichte, Peter Wald, Wolfgang Schlott