von Renate Hoffmann
Ehe sie davonfliegen, die Gastvögel, und unsere Breiten endgültig verlassen, weil es bald ungemütlich werden will (ihr evolutionsbedingter Erhaltungstrieb ahnt die Entwicklung der Großwetterlage frühzeitig). Ehe man sie in geordnetem Flug am Himmel ziehen sieht; oder die geschwätzigen Stare, ihren Abflug ordnend, in den Stadtbäumen lärmen hört, als stünden an der Straße sprechende, singende Linden – sollte man sich Trost suchen.
Zum Beispiel in der Betrachtung eines Gemäldes, auf dem es zwitschert, schnarrt, trällert, kräht, gurrt, kollert, kreischt und schnattert; auf dem es flattert, schwimmt, taucht und stolziert. Ein ornithologisches Treffen, zu dem sich die Vogelwelt aus aller Herren Länder eingefunden hat. Zweifellos verließ sie im Jahr 1628 ein universelles Handbuch der Vogelkunde, um sich in idyllischer Landschaft – einem flämischen Waldgebiet, wie man zu wissen glaubt – miteinander bekannt zu machen.
Greifvögel und Schwäne, Straußen und Kronenkraniche, Ara und Flamingo. Dass der Pfau kein Rad schlägt, kein Rad schlagen kann, liegt am großen Gedränge und an einem amerikanischen Truthahn, der sich, benachbart, ungeziemend spreizt. – Die Luft rauscht vom Flügelschlag der Nachzügler, derweil unten im Gewässer Enten gemächlich gründeln, und Möwen sich am Fischreichtum gütlich tun (sie sind schon am Tag zuvor angekommen). Sogar der Große Paradiesvogel (Paradiesaea apoda) ist aus Neuguinea eingeflogen. Noch schwebt er über den Wolken, mit seinem seidenfeinen Schweif kokettierend. Er sucht den geeigneten Landeplatz. Als Repräsentant einer fernen Insel, darf er höhere Aufmerksamkeit erwarten. Man will gesehen werden. Den arroganten Haushahn, der auf dürrem Aste plustert, kennt doch jeder.
Sieh da – am Uferrand, in bescheidener Zurückhaltung, ein kaum noch bekannter, um 1690 ausgerotteter Bewohner der Insel Mauritius. Der Dodo (Raphus cucullatus). Selbst der Reiher neben ihm staunt. Doch die Inselrepublik bewahrte dem Friedfertigen ehrendes Andenken, und nahm ihn ins Staatswappen auf. – Irritiert, aber neugierig betrachtet der Kasuar (Casuarius casuarius) die bunte Gesellschaft. Wie konnte er nur hierher finden, der scheue, flugunfähige Patron aus Neuguinea? Er bevorzugt das Leben in der Nacht. Die Helligkeit des Tages und das Gewimmel befremden ihn. Waldvögel schwirren, der Dompfaff mittendrin, Lerche, Buchfink und natürlich Spatzen, die Kosmopoliten. – Busch und Baum und ferne Hügelketten. Die Wiesen blühen in Fülle und erinnern den „Blumenbrueghel“
Roelant Savery (1576 oder 1578-1639), der Niederländer, ob seines Könnens als Maler von Königen geschätzt und in Dienst genommen, schuf diesen heiteren, lebensfrohen und auch wissenschaftlich interessanten Blick auf die Natur.
Nun sieht man mit betrübtem Sinn / Storch und Star von dannen zieh’n, / Schwalben flügeln hinterdrein / und Kraniche im Großverein. // Es sind dies so gewisse Zeichen, / dass die warmen Tage weichen / und eventuallitee / fällt bei Miesbach erster Schnee. // Doch ein niederländ’scher Maler / malte für dreihundert Taler / zur Ermutigung ein Bild / mit bunten Vögeln, zahm und wild. / Und das Schönste an dem Treiben, / die hau’n nicht ab, die werden bleiben.
Roelant Savery: Landschaft mit Vögeln 1628, Öl auf Kupfer, Gemäldegalerie Kunsthistorisches Museum Wien.
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