von F.-B. Habel
Es war eine bewegende Stunde, als Volker Kühn vor einem Jahr auf der Dresdner Tagung der Kurt Tucholsky-Gesellschaft die Ehrenmitgliedschaft verliehen wurde. Der Geehrte, der gemeinsam mit seiner Frau, der Schauspielerin Katherina Lange, an die Elbe gekommen war, dankte mit einer Rede, in der er noch einmal die Arbeit des Satirikers im Allgemeinen und der Tucholskys im Besonderen würdigte. Er spöttelte über den Begriff Kleinkunst, der wohl das Gegenteil von „Großkunst“ sein solle. Das Sprechen fiel ihm schwer, denn ein Jahr zuvor – ihm war in Mainz gerade der „Stern der Satire“ verliehen worden – hatte ihn ein Schlaganfall aufs Krankenlager geworfen. In Dresden aber schien es, als sollte er wieder der Alte werden, der kämpferische Kabarettist, der die Gegenwart aufs Korn nimmt, weil er aus der Vergangenheit gelernt hat. Nun ist er am 20. September im 82. Lebensjahr von uns gegangen.
Was wir mit Volker Kühn verloren haben, ist kaum zu ermessen. Seine satirische Laufbahn begann der bei Osnabrück aufgewachsene Spötter, als er von 1963 an zehn Jahre lang für den Hessischen Rundfunk satirische Sendungen verantwortete. Ab 1973 war er der Mann im Hintergrund bei Dieter Hildebrandts ZDF-Reihe „Notizen aus der Provinz“, bis die Sendung 1979 aus politischem Kalkül eingestellt wurde. Daneben schrieb Kühn Texte für Lore Lorentz, Hanns Dieter Hüsch, Jürgen von Manger und Wolfgang Neuss, mit dem er befreundet war. Als Wahlberliner gründete er gemeinsam mit Volker Ludwig das „Reichskabarett“, drehte Filmdokumentationen, produzierte Hör-Editionen, schrieb Kabarett-Revuen und Musicals, wovon „Marlene“ mit Judy Winter besonderer Erfolg zuteilwurde. Bis heute ist es weit über fünfhundertmal aufgeführt worden.
Nicht hoch genug zu schätzen ist, was Kühn als Kabarett-Historiker in Büchern und TV-Essays geleistet hat. Ihm verdanken wir die Gisela-May-Box mit ihrem akustischen Gesamtwerk. Immer wieder erinnerte er an einst verjagte und verfemte jüdische Künstler und obsiegte in einem Rechtsstreit über Johannes Heesters, dem seitdem vorgehalten werden durfte, im Krieg im KZ Dachau für die Wachmannschaften aufgetreten zu sein.
Für uns bleibt Volker Kühns kaum übersehbares Werk zurück, und er selbst kann im Kabarettistenhimmel nun Peter Panters Vermutung überprüfen: „Schade, daß es nicht im Himmel einen Schalter gibt, bei dem man sich erkundigen kann, wie es unten nun wirklich gewesen ist.“
Schlagwörter: F.-B. Habel, Kleinkunst, Volker Kühn