von Thomas Behlert
Immer wieder gern werden die Schriftsteller vergangener Zeiten gelesen, weil sie bis heute etwas zu sagen haben. Und man kann überlegen, was zum Beispiel Kurt Tucholsky uns über die Brandstiftungen, rechten Demonstrationen und Prügelattacken der Polizei, über die sinnfreien und nichtssagenden Reden mancher Politiker, über den Versuch, Griechenland zu knechten, und vor allem über die deutschen Waffenlieferungen nach Saudi Arabien sowie in die verdammt Rechts eingestellte Ukraine mitzuteilen hätte. Er würde, wie er es schon zu seiner Zeit tat, mit Satire und Sarkasmus tiefe Stiche setzen und verzweifelt versuchen, das Kommende abzuwenden. Sehr präzise schilderte Erich Kästner Tucholskys Wirken: „Er teilte an der kleinen Schreibmaschine Florettstiche aus, Säbelhiebe, Faustschläge. Die Männer des Dritten Reiches, Arm in Arm mit den Herren der Reichswehr und der Schwerindustrie, klopften ja damals schon recht vernehmlich an Deutschlands Tür. Er zupfte sie an der Nase, er trat sie gegen das Schienbein, einzelne schlug er k.o. – ein kleiner dicker Berliner wollte mit der Schreibmaschine eine Katastrophe aufhalten.“ Noch heute wird sein wahrer und bei der heutigen Bundeswehr keineswegs unpassender Ausspruch „Soldaten sind Mörder“ debattiert.
Der 1890 als Sohn eines Bankkaufmannes geborene Kurt begann schon während seiner Schulzeit mit dem Schreiben. Erste humorvolle Texte standen in der wöchentlichen Witzezeitung Ulk. Schließlich begann er 1909 doch mit dem Jurastudium, das er 1915 sogar ordentlich beendete. In dieser Zeit arbeitete der junge Tucholsky schon fleißig bei der Schaubühne, der späteren Weltbühne, mit und veröffentlichte den ersten Roman „Rheinsberg – Ein Bilderbuch für Verliebte“. Mit diesem herrlich beschwingten und heiteren Roman traf er das Befinden der jungen Leute, denn man wollte frei sein, das Leben genießen und nicht an den kommenden Krieg denken.
Nach dem Studium zog Kurt Tucholsky in den Krieg, er diente an der Ostfront. Hier lernte er hautnah die ganze Brutalität des Krieges, das Elend und den Tod kennen, alles dies, gegen das er in den Folgejahren schrieb und Aufklärung betrieb. Über seine frühen Tod 1935 hinaus erfreute und erfreut er die Leserschaft mit vielen Zeitungs- und Zeitschriftenbeiträgen, zahllosen Gedichten, den Büchern „5 PS“, „Das Lächeln der Mona Lisa“ und schließlich nach einem Schwedenurlaub mit dem immer wieder gern gelesenen Roman „Schloss Gripsholm“. 1929 rüttelte er mit dem großartigen und seinem radikalsten Buch „Deutschland, Deutschland über alles“ am Schlaf der Welt und präsentierte eine messerscharfe, bittere Abrechnung mit dem „verfluchten Rotzland“.
Ins schwedische Exil, in der Nähe von Göteborg, ging Tucholsky bereits 1929. Von dort musste er das beginnende Chaos in Deutschland und die Machtergreifung durch die Nazis miterleben, die 1933 seine Bücher verbrannten und ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannten. Nur zwei Jahre später wählte der Schriftsteller, Kritiker und bedeutende Publizist den Freitod, durch die Einnahme einer Überdosis Schlaftabletten.
Wollen wir uns mit einem kleinen Buch an die humorvollen Seiten Kurt Tucholskys erinnern. Nicht nur mit Stift und Schreibmaschine konnte er feingesetzte Hiebe verteilen, sondern auch mit dem Mund. Jana König, die in Halle Literatur und Geschichte studierte, begab sich auf die Spuren des viel gelesenen Autors und konnte so zahlreiche erheiternde Anekdoten festmachen. Es entsteht ein Charakterbild, in dem es viele Facetten gibt: der Mann, der die Frauen liebte und sie floh, der Autor, der seine kompromisslose Haltung mit Verve verfocht und zum tragisch Scheiternden wurde. Als Beispiel der Beitrag „Politische Analyse“, der damals wie heute passt: Angesichts des hilflosen Taktierens der SPD ließ Tucholsky resigniert verlauten: „ Es ist ein Unglück, dass die SPD Sozialdemokratische Partei Deutschlands heißt. Hieße sie ‚Reformistische Partei des kleineren Übels‘ oder ‚Hier können Familien Kaffee kochen‘ oder so etwas – vielen Arbeitern hätte der neue Name die Augen geöffnet […].“
Jana König, „Wer die Butter hat, wird frech“. Anekdoten über Kurt Tucholsky, Eulenspiegel Verlag, Berlin 2015, 129 Seiten, 9,99 Euro.
Schlagwörter: Anekdote, Kurt Tucholsky, Thomas Behlert