18. Jahrgang | Nummer 10 | 11. Mai 2015

Reminiszenz an Hans und Werner Reinowski

von Thomas Zimmermann

Hans und Werner Reinowski – zwei Brüder, die längst dem öffentlichen Bewusstsein abhanden gekommen sind. Der eine als großartiger, ewig mahnender Journalist der Bonner, der andere als überzeugter sozialistischer Autor der Ostberliner Republik.
Beide, in Bernburg geboren, wurden von ihrer proletarischen Herkunft geprägt. Hans Reinowski (1900-1977) schlug dabei schnell den Weg zum politischen Journalisten ein. Aus dem Zehnjährigen, der nebenher in Gärtnereien aushalf, um die neunköpfige Familie zu unterstützen, wurde der „rote Hans“, der in sozialistischen Arbeiterzeitungen veröffentlichte und als Bezirkssekretär der Braunschweiger SPD die parteipolitischen Strippen im Hintergrund zog, wenn auch nur auf Länderebene.
Werner Reinowski (1908-1987) hingegen ließ sich zum Tischer ausbilden, arbeitete im Harz als Gießer und trat 1932 von der SPD zur KPD über – ein klarer Bruch mit dem Bruder, der sich politisch nie so weit links denken konnte. Fortan beschritten sie unterschiedliche Lebenswege. Hans Reinowski emigrierte 1933 und legte mit der Reportage „Hakenkreuz-Terror in Braunschweig“ noch im selben Jahr in Zürich eine schonungslose Analyse der NS-Machenschaften in der deutschen Provinz vor, die international für Aufsehen sorgte. Im dänischen und später schwedischen Exil fand er zur Literatur. Sein erster und einziger Gedichtband „Lied am Grenzpfahl“ erschien 1940. Neben lyrischen Eindrücken der Exilerfahrungen finden sich hierin klare zeitkritische Positionen zum Ausdruck gebracht, etwa in den Gedichten „Chor der politischen Gefangenen“, „Herr Krause möchte Lebensräume“ oder „Spanisches Flüchtlingslied“.
Reinowski erlangte als politischer Dichter der Emigration schnell hohes Ansehen, einige seiner Texte finden sich in dem namhaften, 1944 in Argentinien veröffentlichten Sammelband „Herz an der Rampe“, in dem auch Bertolt Brecht, Erich Mühsam, Walter Mehring und Kurt Tucholsky vertreten sind. Allerdings überwiegt in Reinowskis Texten doch immer wieder ein melancholischer Ton. So heißt es etwa in dem Gedicht „Auf der Flucht“: „So, wie die Jahre kreisen / durch Lenzgrün, Mai und Sommerklee, / durch Herbstgrau, Sturm und Winterschnee, / so muss ich ziellos reisen / auf unbekannten Gleisen. / Mir tut das Herz vom Wandern weh.“
Anders als sein Bruder wählte Werner Reinowski nicht den Weg ins Exil, sondern duckte ab und muckte doch immer wieder auf. Das Kriegsende erlebte er in Haft. Das Nachkriegsdeutschland wollten beide Brüder durch ihre schreibende Tätigkeit politisch mitgestalten. Hans Reinowski wählte hierfür das Feuilleton als Ausdrucksform, gab noch in Kopenhagen – die britische Militärverwaltung verweigerte ihm bis 1947 die Rückkehr nach Deutschland – die Deutschen Nachrichten für die rund 200.000 Ostflüchtlinge in Dänemark heraus, in Hessen etablierte er das Darmstädter Echo und das Rüsselsheimer Echo. In seinen Reportagen und Essays, vor allem aber in den kritischen Fachbüchern wie „Hörfunk, Fernsehen, Tagespresse“ (1965) und „Unsere Zeitung in unserer Zeit“ (1970) erinnerte er an die politische Verantwortung der modernen Massenmedien. Literarisch trat Reinowski nun nur noch mit persönlich gehaltenen Reisereportagen wie „Ein Mann aus Deutschland besucht Onkel Sam“ (1958) und „Heimat, Pflugschar, Schwert und Brücke“ (1960) hervor, letzteres, das die Gründung des Staates Israel kritisch beleuchtet, in prominenter Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Kasimir Edschmid.
Werner Reinowski bekleidete in der unmittelbaren Nachkriegszeit zunächst mehrere politische Ämter auf Bezirks- und Landesebene in Sachsen-Anhalt, bevor er sich als freier Schriftsteller mit an den Aufbau der DDR machte. Romane wie „Diese Welt muß unser sein“ (1953), „Die Versuchung“ und „Der heitere Heinrich“ (1956) erreichten eine große Leserschaft, da sie zwischen politischer Agitation und zeitkritischer Analyse eine ansprechende, optimistische Aufbruchsstimmung verkündeten. Reinowski schöpfte stark aus dem persönlichen Erleben und Erfahrungen, die er als Mitglied einer LPG im Harzvorland sammelte. Unter diesen Eindrücken entstanden seine wichtigsten Werke: Ab 1952 erschien die Trilogie „Der kleine Kopf“ („Der kleine Kopf“, „Vom Weizen fällt die Spreu“, „Der Ungeduldige“) und ab 1959 der zweibändige Roman „Zwei Brüder“ – wovon der abschließende Band bezeichnenderweise „Des Bruders Schuld“ heißt. Über die unterschiedlichen politischen Wege fanden die Brüder Reinowski nicht mehr zusammen.