von Bernhard Mankwald
„Tötung auf Verlangen“ ist eine Straftat und gehört damit zu den Themen, die im Blättchen von Frank-Rainer Schurich derart kenntnisreich und elegant behandelt werden, dass es verwegen wäre, mit ihm zu wetteifern. „Bücher auf Verlangen“ dagegen sind eine Wohltat – und sei es nur für den empfindsamen Autor, dem sie das Erlebnis ersparen, sein Werk auf dem Wühltisch oder gar auf dem Müll wiederzufinden. Die betreffenden Exemplare werden nämlich gar nicht erst hergestellt und entlasten so zweifellos auch die Umwelt.
Der gängigere Ausdruck Books on Demand bezeichnet ein relativ neues Herstellungsverfahren. Es muss da so etwas wie einen sehr großen Drucker geben, der in einem Arbeitsgang ein komplettes Buch einschließlich des Umschlags herstellt. Der Inhalt liegt dabei in Dateiform vor und lässt sich daher leicht auch als E-Book publizieren. Im Druck ist die Herstellung einzelner Exemplare möglich, obwohl bei größeren Stückzahlen natürlich die Kosten sinken.
Unter der Bezeichnung des Verfahrens firmiert ein Verlag; Interessenten sind gut beraten, auch andere Angebote zu prüfen. Die Kosten lagen jedoch von Anfang an erheblich unter dem, was Spezialverlage für Dissertationen und dergleichen früher verlangten; tendenziell sinken sie weiter. Im Falle von Verkäufen stehen dem aber je nach Kalkulation auch nennenswerte Honorare gegenüber.
Was bringt das nun dem Autor? Zunächst natürlich die Möglichkeit, selbst Manuskripte zu veröffentlichen, die von zwanzig verschiedenen Verlagen mit unterschiedlichen Begründungen – oder gerne auch ohne eine solche – abgelehnt wurden. Daneben aber auch einen bedeutenden technischen Fortschritt, der die Arbeitsteilung betrifft.
Bücher gehören zu denjenigen Medien, die technisch reproduzierbar sind: Mit gleichem Inhalt und gleicher äußerer Gestaltung lassen sich beliebig viele weitgehend identische Exemplare herstellen. Letzteres überlässt der Autor auch weiterhin komplett dem Hersteller; die Produktionsmittel für das erstere kann er nun selbst in die Hand nehmen.
Erforderlich ist natürlich zunächst ein Computer – bei geeigneter Software genügt schon ein betagtes Modell, das bilanztechnisch nur noch einen symbolischen Wert verkörpert. Besagte Software hingegen steht als Gemeingut zur Verfügung – der Fachausdruck lautet open source.
Bei solchen Programmen ist die Nutzung unter sehr annehmbaren Bedingungen unentgeltlich möglich. Oft steht eine engagierte Gemeinde dahinter, die jeden Fehler mit großer Sorgfalt verfolgt und auch Anfängern Hilfe leistet – sofern diese nur genug eigene Anstrengung an den Tag legen. Und dabei ist diese Software gar keine Ware im eigentlichen Sinne mehr, da sie nicht käuflich ist.
Grafikprogramme zur Gestaltung von Umschlägen sowie Textverarbeitungs und andere Büroprogramme aus derartigen Quellen sind leicht zu finden; es gibt aber auch ausgefallenere Produkte wie ein von mir genutztes Schriftsatzprogramm. Diese Software wurde ursprünglich für den mathematischen Formelsatz entwickelt, mit dem sich Textverarbeitungen sehr schwer tun. Ästhetische Kriterien, wie sie von Typographen entwickelt wurden, sind eingebaut; man wird also nicht nur über Eingabefehler informiert, sondern auch gewarnt, wenn sich etwa in einer Zeile oder zwischen zwei Absätzen ein zu großer Leerraum befindet. Und dazu gibt es „Makropakete“, die sehr brauchbare Formatvorlagen für verschiedene Arten von Texten liefern beziehungsweise dieselben an deutsche Gepflogenheiten anpassen.
Wer mit solchen Programmen seine Texte gestaltet, kann also auf die Vorarbeiten ganzer Generationen ausgewiesener Fachleute zurückgreifen. Änderungen, etwa bei der Randbreite oder bei Schriftgrößen, sind mit etwas Fachwissen leicht.
Mit solchen technischen Hilfen wird der Autor sein eigener Setzer, kann seine Texte nach Belieben selbst gestalten und darf sich bei etwaigen Fehlern im Endprodukt auch nur über die eigene Dummheit ärgern. Dabei entsteht eine ganz eigene Freude am Basteln, wenn etwa ein Kapitel für einen sauberen Seitenumbruch noch um einige Zeilen zu lang ist. Mit etwas Mühe lassen sich immer noch Stellen finden, die kürzer und prägnanter formuliert werden können; als angenehme Nebenwirkung wird der Text dabei auch noch besser.
Leider weigert sich bei dieser Form der Publikation oft auch das Endprodukt sehr beharrlich, den Charakter einer Ware anzunehmen. Nach einer gängigen Lehrmeinung sollen sich aber günstige Angebote auch eine entsprechende Nachfrage schaffen. Die Probe aufs Exempel machte ich, indem ich im Jahr 2006 auf die hier skizzierte Weise ein Buch darüber veröffentlichte, was für eine Art von Klassengesellschaft der vorgeblich reale Sozialismus war. Im Jahr 2010 folgte ein schmalerer Band über dessen politische Verfassung. Aus Erfahrung kann ich nun sagen, dass auch für solche Themen im Mittelwert eine zahlungskräftige Nachfrage von mindestens drei Exemplaren pro Jahr existiert.
Schlagwörter: Bernhard Mankwald, books on demand, Bücher