18. Jahrgang | Nummer 8 | 13. April 2015

Antworten

Renate Holland-Moritz, legendäre Kino-Eule – Ihre Filmbesprechungen waren etwas, was heute genauso selten ist, wie lebende Dinosaurier: eine Instanz! Und das gleich für mehrere Generationen DDR-sozialisierter Cineasten. In einem Interview anlässlich Ihres jetzigen Rücktritts als am Längsten amtierende Film-Kritikerin der Welt (seit 1960, fast unterbrechungslos, bei der Satire-Zeitschrift Eulenspiegel) gestanden Sie, Sie fühlten sich „regelrecht befreit“. Weil: „Ich habe mich immer beim Schreiben gequält, aber mit dem Alter wurde es schlimmer.“ Umso dankbarer ist Ihnen Ihre Fangemeinde, zu der sogar Menschen gezählt haben sollen, die gar nicht ins Kino gingen, und solche, die im Eulenspiegel nichts anderes lasen als Ihre Kritiken, dafür, dass Sie sich den Tort so lange angetan haben, obwohl unter spätkapitalistischen Verwertungsbedingungen auch die letzten Schranken für Unzumutbares im Film längst gefallen sind und Ihre einst an die DEFA gerichtete Forderung „Es muss eine unterste Grenze des Zumutbaren geben.“ nur noch eine schöne Erinnerung ist.

Herzlichen Glückwunsch nachträglich zu Ihrem 80. Geburtstag!

Shimon Peres, Geheimnisträger – Man kennt Sie als Ex-Präsident von Israel. Schon weniger bekannt ist, dass Sie einer der Väter, wenn nicht der … der israelischen Atomwaffen sind. Sie waren der Leiter des entsprechenden Entwicklungsprogramms. 1961 begleiteten Sie Ihren damaligen Präsidenten Ben-Gurion nach Paris zu einem klandestinen Treffen mit dem westdeutschen Verteidigungsminister Strauß, der eine atomare Bewaffnung der Bundeswehr wollte.
Im Gespräch zwischen Strauß und Ben-Gurion soll es auch um die Herstellung von Kernwaffen gegangen sein. Jetzt haben Sie bestritten, deutsche Finanzhilfe für die Entwicklung und den Bau der Atombombe verwendet zu haben. Israel hatte 1961 via KfW einen Millionenkredit für den Bau einer atomar betriebenen Meerwasserentsalzungsanlage in der Negev-Wüste erhalten.
Die Anlage wurde nie errichtet. Was mit den Geldern geschah, deren Verwendung die KfW nicht überprüft hat, ist unklar; die Rückzahlung des Darlehens wurde später teilweise erlassen.
Da Sie mit Ihrem jetzigen Dementi nicht zugleich offenbart haben, woher die Hauptsumme für das damalige Atomwaffenprogramm Ihres Landes stammte, bleibt der Verdacht, dass die Bundesrepublik heute mit der Lieferung von als Atomwaffenträger geeigneten U-Booten an Tel Aviv nur folgerichtig fortsetzt, was 1961 mittels Kreditvergabe begann.

Siegmar Gabriel, Vorratsdatenspeicherfan – Als Vorsitzender einer (wenn auch magersüchtigen) Volkspartei müssen Sie natürlich Generalist sein. Also nicht zu den Fachidioten gehören, die dem Bonmot zufolge von immer weniger immer mehr und schlussendlich von nichts alles wissen. Allerdings – von allem nichts zu wissen, kann auch fatal sein. In Sachen Vorratsdatenspeicherung haben Sie diese Schwelle offenbar schon überschritten. Erst versuchten Sie, uns den verfassungsrechtlichen Rohrkrepierer Vorratsdatenspeicherung mit „norwegischen Erfahrungen“ schmackhaft zu machen. Vorratsdatenspeicherung könne „durch schnellere Aufdeckung von Straftaten helfen, die nächste Straftat zu verhindern. Das ist die Erfahrung gewesen der Norweger bei dem Attentat von Herrn Breivik“, meinten Sie im Deutschlandfunk. Der Massenmörder Breivik war 2011 nach frischer Tat festgenommen worden; eine Vorratsdatenspeicherung gab es weder damals noch heute in Norwegen. Jetzt haben Sie nachgelegt: Hätte wir „ein verfassungskonformes Gesetz“ zur Vorratsdatenspeicherung „bereits zum Zeitpunkt der NSU-Morde gehabt, hätten wir weitere vermutlich verhindern können“. Leider ließen Sie uns nicht wissen, wieso. Vielleicht weil wir die mutmaßlich involvierten V-Leute des Verfassungsschutzes dann hätten definitiv ermitteln oder gar beauftragen können, die bei allen Morden verwendete gleiche Tatwaffe rechtzeitig zu konfiszieren? Oder glauben Sie, dass die Mörder mit ihren nachmaligen Opfern zuvor ausgiebig telefoniert haben? Oder reden Sie inzwischen einfach nur dummes Zeug, wenn, respektive weil der Tag lang ist?

Max Uthoff & Claus von Wagner, Anstalts-Besetzer – In Ihrer jüngsten Sendung fanden wir wieder einige Sottisen, die sich für Transparente eignen. So beantworteten Sie, Herr Uthoff, die Frage: „Wo leben wir denn eigentlich?“ mit dem Diktum: „In einem Land, wo Günter Jauch ungestraft die Bezeichnung Journalist tragen darf.“ Chapeau! Und Sie, Herr von Wagner, zielten im direkten Richten auf eine andere deutsche „Instanz“: „Wer BILD-Zeitung liest, um sich zu informieren, der trinkt ja auch Schnaps, wenn er Durst hat!“ Chapeau again!
Und wer die ganz kurzfristig wegen der Germanwings-Katastrophe in den französischen Alpen verlegte Sendung verpasst hat, der kann in der ZDF-Mediathek zum Zeitpunkt seiner Wahl doch noch darauf zurückgreifen. Man erfährt dabei einiges zur Griechenland-Krise, was man so vielleicht bisher nicht gewusst hat.

Arno Widman, bisher geschätzte Edelfeder der Berliner Zeitung – Sie sind also allen Ernstes und bei ungetrübtem Verstande tatsächlich folgender Auffassung?: „Ein Blättchen […] bietet eine einzige Brille, durch die die Welt angeschaut und begutachtet wird.“ Und dann auch noch dieses: „Bei einer großen Zeitung wäre das ein Verbrechen. Die lebt davon, den unterschiedlichsten Stimmen Raum zu geben. Eine große Zeitung ist ein Warenhaus, in dem es für jeden Geschmack etwas gibt.“
Da fragen wir uns: Wann haben Sie denn das letzte Mal Das Blättchen gelesen? Wie? Unser Blättchen meinten Sie gar nicht? Sondern die von Heinrich von Kleist vom 1. Oktober 1810 bis 30. März 1811 herausgegebenen Berliner Abendblätter, die nur vier Seiten umfassten und vom Dichter beim Redigieren derart durchgängig ver-kleistet wurden, dass sich Autoren – unter denen waren immerhin so illustre Geister wie Achim von Arnim, Clemens von Brentano, Wilhelm Grimm, Friedrich de la Motte-Fouqué und Friedrich Schleiermacher – über Eingriffe in ihre Texte beschwerten? Na wenn das so ist, dann schätzen wir Sie natürlich auch fürderhin.