18. Jahrgang | Nummer 9 | 27. April 2015

Ansichten eines irischen Intellektuellen*

von George Bernard Shaw

Und das Volk liebt seine Märtyrer. Dies ist der einzige Weg, auf dem jeder Dummkopf berühmt werden kann.

Warum soll man an die Masse appellieren, wenn fünfundneunzig Prozent gar nichts von Politik verstehen und ohne Direktiven nur Unheil anrichten?

Eine Bewegung, die sich auf Philosophen und anständige Leute beschränkt, kann niemals einen wirklichen politi­schen Einfluss erlangen: es sind zu wenige. Erst wenn eine Bewegung sich fähig erweist, sich unter Räubern zu ver­breiten, kann sie auf eine politische Majorität hoffen.

Die Demokratie setzt die Wahl durch die unfähige Mehr­heit an die Stelle der Ernennung durch wenige Korrupte.

Die Natur des Menschen! Verkommenheit! Gefräßigkeit! Selbstsucht! Ausbeutung der Armen!

Sie werden herausbekommen, dass die Mehrzahl der Menschen […] besser tot wäre.

Die Anzahl der Menschen, die etwas tun können, wenn man es ihnen erklärt, ist immer weitaus größer als die Anzahl derer, die anderen erklären können, was sie tun sollen.

Es ist leichter, den Leuten Fesseln anzulegen, […] als sie ihnen abzunehmen.

In den Künsten des Friedens ist der Mensch ein Stümper.

Ist es nicht ein bedenkliches Anzeichen von Senilität, über sich selbst zu reden?

Selbst diejenigen, die sagen, es gebe nur einen Mann oder eine Frau für sie auf der Welt, machen die Erfahrung, dass es nicht immer derselbe Mann oder dieselbe Frau ist.

Wir wollen vergessen, dass es so traurige Dinge auf der Welt gibt, wie Mütter und Töchter.

Es ist unwissenschaftlich […] zu glauben, dass Ärzte unter den jetzigen Verhältnissen nicht auch unnötige Operationen ausführen oder einträgliche Krankheiten herbeiführen und verlängern.

Die einzigen Zeugen, die beweisen können, dass ein Kunst­fehler vorliegt, sind die Sachverständigen, das heißt, an­dere Ärzte, und jeder Arzt wird einem Kollegen eher gestatten, einen Landstrich zu entvölkern, als das Band kollegialer Etikette zu verletzen und ihn preiszugeben.

Mitleid! Der Straßenkehrer des Elends.

Nächstenliebe ist die bösartigste Art von Lüsternheit.

Nein, nein, ich meine ja nicht, dass ich so besonders klug bin, nur dass die anderen so dumm sind.

Ich will, dass jeder anständig leben kann, denn arme Leute gehen einem genauso auf die Nerven wie reiche.

Privateigentum, sagt Proudhon, ist Diebstahl. Das ist das einzig Wahre, das über diesen Gegenstand je gesagt worden ist.

Es ist gefährlich, aufrichtig zu sein, wenn man nicht gleichzeitig dumm ist.

Ohne Gehirn würden Sie genießen, ohne es zu wissen, und der Spaß wäre umsonst.

Die menschliche Sklaverei (hat) in unseren Tagen ihre höchste bekannte Stufe in Form des freien Arbeitsmarktes erreicht.

Da lass ich mich lieber aufhängen, sagt er – und ist auch aufgehängt worden. Und ich sag, fast muss es sich gelohnt haben. Schließlich wär er ja sowieso mal gestorben: vielleicht an was wirklich Schmerzhaftem.

Kurz und gut, meine Tochter, wenn du in den Himmel gehst, ohne von Natur aus dafür geeignet zu sein, wird es dir dort nicht gefallen.

* – Überschrift von der Redaktion.

Bereits erschienen – Ansichten von Georg Kreisler, Friedrich Nietzsche, Karl Kraus, Wilhelm Busch.